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Verfügung demnach religionsgesetzwidrigen Anforderun- gen der Gemeinden ihre Weigerung entgegensetzen.

ft tgainwvet, 3. August. Das Protokoll der am 14. Juni d. I. Hierselbst stattgcfuudenen Versamm- lung des Vereins jüdischer Lehrer in der Provinz Hannover ist uns dieser Tage zugegangen. Es nahmen an derselben zweiunddreißig Lehrer Theil. Außerdem wohnten die Ehrenmitglieder Landrabbiner Dr. Gro ne- mann und Seminardirektor Dr. Kroner den Ver- Handlungen an. Weinberg (Bodenfelde) begründete einen Antrag wegen einer zu erlassenden Petition an den Kultusminister betreffs definitiver Anstellung der Lehrer hiesiger Provinz. In dem Protokolle heißt es hierüber: ״So sehr die Versammlung mit dem in der Begründung des Antragstellers ausgesprochenen Ver- langen übereinstimmte, daß jedem Lehrer nach über- standenem gesetzlich vorgeschriebenem Provisorium auch die definitive Anstellung gewährt werden müsse, und daher die Herbeiführung einer Feststellung des Sinnes des § 56 des Schulgesetzes vom Jahre 1854, wonach die letztere unter einem gewissen Umstand verweigert werden könnte, nothwendig sei, so sah sie doch nach längerer stattgefundener Debatte von einer Petition an den Herrn Kultusminister vorerst ab, beschloß viel- mehr, an die Herren Landrabbiner der Provinz Han- nover eine Eingabe zu richten, worin dieselben ersucht werden sollen, bei dem Herrn Oberpräsidenten um eine genaue Interpretation des erwähnten Paragraphen vor- stellig zu werden." Es wurde eine Kommission ein- gesetzt, um diesen Beschluß zur Ausführung zu bringen. Der Z 56 der Schulordnung für die jüdischen Schulen vom 5. Februar 1854 enthält folgende Bestimmungen: a. daß die Anstellung der in das Lehramt eintretenden Lehrer für die ersten drei Jahre ihrer Amtirung unter Vorbehalt des Widerrufs erfolgt; d. daß mit land- drosteilicher Genehmigung die Annahme eines Lehrers auf Kündigung solchen Schulgemeinden gestattet werden könne, in welchen wegen der geringen Zahl jüdischer Familien die feste Anstellung eines Lehrers nicht als Be- dürfniß erscheint; c. daß bei ausländischen Lehrern die Kündigung jederzeit Vorbehalten bleibe. Es handelt sich für die Lehrer um eine authentische Interpretation des zweiten Satzes. Wie wir in früheren Jahren bereits dargelegt haben, ist es durchaus wünschens- werth und nicht mehr als gerecht, den Lehrern nach dreijähriger Amtirung eine definitive Anstellung zu sichern. Sodann faßte die Versammlung nach dem Referat: Stern (Hildesheim) eine Resolution über die . öffentlichen Schulprüfungen, durch welche den Eltern ein Einblick in 'die Lehrweise der Lehrer und die Leistungefi der Schüler gewährt werden sollen, die aber nicht, zu einem täuschenden Schauspiele herabzuwürdigen seien. Endlich beschloß man naH dem Referate Selig

(Gleidingen), den Unterricht im liturgischen Gemeinde- gesang als Vorbereitung zur würdigen Gestaltung des Gottesdienstes zu empfehlen.

-i- Karlsruhe, 28. Juli. Unsere Glaubens- genossen können nicht eindringlich genug gemahnt werden, bei Reisen nach Rußland sich mit den für Juden be- sonders schwierigen Paßverhältniffen vertraut zu machen und demgemäß ihre Vorkehrungen zu treffen. Das hiesige Ministerium hat in dieser Beziehung das Fol- gende bekannt geben lassen: ״Nach Mittheilung der Kaiserlich Russischen Gesandtschaft ist die strenge Hand- habung der bezüglich des UebergangS Angehöriger der mosaischen Religion über die russische Grenze bestehen- den erschwerenden Vorschriften den russischen Behörden neuerdings eingeschärft worden. Die Kaiserlich Russische Gesandtschaft hat dabei sich dahin geäußert, daß es nothwendig sei, daß Israeliten, welche das zur Ueber- schrcitung der russischen Grenze nöthige Visum zu er- halten wünschen, ihre Pässe persönlich bei der Kaiserlich Russischen Gesandtschaft zu diesem Zwecke präsentiren, um über die Tragweite der neuen Anordnungen belehrt werden zu können, wenn sie sich nicht Weiterungen und Nachthcilen aussetzen wollen. Die Grobherzoglichen Bezirksämter werden angewiesen, die Betheiligten vor- kommenden Falls auf diese Verhältnisse aufmerksam zu .machen."

r. Krssingen, 28. Juli. Ich beeile mich, Ihnen die folgende erfreuliche Mittheilung zugehen zu lassen. Der hiesige DistriktSrabbiner, Herr Bamberger, benutzte die derzeitige Anwesenheit des Herrn Reichs- kanzlers, um bei ihm schriftlich wegen der Agitation gegen die Schechita vorstellig zu werden. Heute wurde ihm darauf seitens des Herrn Geh. Oberregiernngsrath Dr. NoLtenburg, des Chefs der Reichskanzlei, die mündliche Mittheilung, daß der Herr Reichskanzler ihm erwidern lasse, die Neichsregierung werde ihre Zustimmung niemals zu einer Bestimmung in dieser Sache geben, durch welche jüdischen Neligionssatzungen in ihrer Ausführung ein Hinderniß bereitet werde.

* Gera, 25. Juli. Der ״Jüdischen Presse" wird von hier berichtet, daß der Magistrat dem hiesigen Fleischermeister Reitel unter Androhung einer Geld- strafe von 150 J!k für jeden einen Fall der Zuwider- Handlung untersagt habe, Schlachtthiere nach jüdischem Ritual tobten zu lassen, weil ״das Schächten der Thiere als eine Thierquälerei zu betrachten sei!" Das ist allerdings eine sehr leichte Manier die ״Schacht- frage" drevi manu zu erledigen. Der Gemeinde- Vorstand hat natürlich dagegen remonstrirt.

|]| Ostrowo, 29. Juli. Das ״Berl. Tagebl." bringt über die Ausweisung der Frau H. Springer aus Ostrowo folgenden Bericht, für welchen wir die Verantwortung selbstverständlich dem ״Bert. Tagebl."