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die volle Wahrheit ertragen werben konnte, und weite- res Nachdenken die Religion/ die allein Gottes und der Menschen würdig ist, so tief Wurzel faßte, daß nichts sie bei mir erschüttern kann, und ich in ihr le­ben und sterben werde. Erschrecken Sie also nicht über meine Mittheilungen. Sie werden Ihnen ja nicht aufgedrungen, sondern zur Prüfung vorgelegt. Der Unterricht den wir Beide sowohl als der Mehrtheil unsier Genossen erhalten haben, machen dieses Erstau­nen, diese Zweifel sehr erklärlich, und, haben Sie nur Geduld/ die endliche Beruhigung wird erfolgen.

Zweiter Brief.

Auch in der Unbehaglichkeit in der Sie sich befin­den, erkenne ich vollkommen den Gemüthszustand mei­ner Jugend. Ich habe, sagen Sie, Kenntniß der hebräischen Sprache; habe die heil. Urkunden mit Auf­merksamkeit und Anstrengung gelesen; aber abgerechnet das Fremdartige des Ausdrucks, das Eigenthümliche der Bilder, das Besondere der Sitten und der Ge­bräuche, welche sich aus dem Alter der Vorzeit und der Verschiedenheit der Erkenntnißstufe, wenn auch nicht deutlich erklaren, doch ahnen lassen; welche Dunkelhei­ten.' welche Schwierigkeiten! Jeden Augenblick ent­wischt mir der Faden des Zusammenhangs, selbst in dem historischen Theil der heil. Urkunden; jeden Au­genblick stoße ich auf Unregelmäßigkeiten der Recht­schreibung , und wie oft sogar auf offenbare Verstoße gegen die Neacln der Sprachlehre! Ich habe, fahren Sie fort, unsre alten Sprachforscher und Schriftausle. 9?r zu Rache gezogen, aber diese, nur so vielem Lob