S e l b st - E m a n c i v a t i o n!
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drucke! Er sucht in ffiurm Gedächtnisse nach, aber vergebens: das hat er noch nicht gehört; er weiß zwar, daß er selbst deutsch-national, sein Bruder polnisch - national, ein anderer Bruder wieder ungarisch-national ist. sogar eines italienisch-nationalen Vetters in Triest glaubt er sich zu entsinnen, aber ein Jüdisch- Nationaler ist in seiner ausgedehnten Verwandschaft und Bekanntschaft schlechterdings nicht zu finden. Und obendrein! Ist dazu so tanze und so mühevoll die Vermischung der Juden mit den übrigen Völkern, der Bestand der Juden als reiner ReligivtlSgenossenschaft gepredigt worden, damit schließlich Leute kommen, um alle Anstrengung zu Schanden zu machen und einen Begriff „Jüdisch-national" aufzustellen? Unverzeihlich ! Nichts weiter von diesem verrückten Gedanken, der nicht einmal wrrth ist, näher gekannt zu werden!" — Das Urtheil ist gesprochen und der Stab gebrochen — über die jüdischnationale Idee! Der gute Mann hat sich benommen, wie sich ein „aufgeklärter, liberaler" Mensch benehmen soll, d. h. er hat etwas ver, warfen, ohne es kennen lernen zu wollen, er hat etwas verdammt, ohne eine Idee davon zu haben. Daß er sich auf diese That etwas ein- bildet, ist. selbstverständlich und von einem „fein gebildeten Manne des neunzehnten Jah> Hunderts" ja gar nicht anders zu erwarten.
Ja das ist der größte Fluch unseres Stammes, daß er nicht einmal hören will, wenn er zurecht gewiesen wird. Wäre dies nicht, so hätten die Jüdisch-Nationalen einen viel leichteren Stand, denn unser Volk hat Verstand und Einsicht genug, um die Wahrheit zu erkennen, wenn es nur einmal darangegangen ist, sie hören zu wollen. Würden unsere Stammesgenoflen nicht die häßliche Eigenschaft besitzen, mit verletzendem Spotte das zu überhäufen, wovon sie nicht die elementarsten Vorstellungen haben, dann würden sie auch nicht der jüdisch-nationalen Idee gegen-
um kümmerlich das Leben zu friste». Allein es hätte das alles bei weitem nicht gereicht, und die Meisten hätten Hungers sterben müssen, wenn nicht andere sich ihrer angenommen und sie unterstützt hätten. Der Director von „Mik- weh Israel“ (der jüdischen Ackerbauschule) sandle öfter Geld, um ihre Notb zu lindern; auch von der „Alliance Israelite“ wurden größere Summe» hierzu verwendet. Baron Rothschild aus Paris landte einen Abgeordneten her, um seinen Stammesgenosse» zu helfen, forderte aber für seine Hilfe das Versprechen von den Emigranten, sich allen seinen Anordnungen nnd denjenigen seiner Vertreter bedingungslos zu unterwerfen. Die größte Anzahl war so im Elend, daß sie dieses Verspreche», wie es ge- fordeit wurde, ohne weiteres unterschrieben, worauf ihnen Monatsgelder ausgezahlt wurden, nnd zwar erhält jedes Familienglied, auch die Kinder niitgerechnet, nwnatlich 12 Franxs. Diejenigen, welche noch einiges Vermögen hatten, weigerten sich, das geforderte Versprechen zu leisten; sie wollten wenigstens die Bedingungen genauer festgestellt haben und etwas Näheres über die etwa in Aussicht genommenen Anordnungen des Barons wissen. Allein als auch sie
über so Vorgehen, als sie es thatsächlich thun. Wollten sie den erbgcsessenen Lehnstuhl ihrer Phrasentheorien nur auf einige Augenblicke verlassen und aus Unterredungen, Brochuren und Zeitungen genauere Information über die national-jüdische Idee einholen, sie würden dann wenigstens soviel einsehen, wie kindisch es ist, etwas ungehört zu verurtheilen.
Wir sind unseren assimilatorischen Stammesbrüdern nicht feindlich gesinnt, sondern lieben sie als Söhne unseres großen Volkes mit derselben Wärme, die wir für unsere engeren Gesinnungsgenossen fühlen. Wir fordern daher alle diese unsere nicht national gesinnten Stammesgenossen b r ü d e r l i ch st auf, sich nicht von dem ungewohnten Klange des Wortes Jüdisch -Nation al «-schrecken zu lassen, sondern sich eingehender mit der Theorie des Nationaljudenthums zu befassen. Vielleicht kommen sie dann doch zur Erkenntnis der k l ä g- lichen Lächerlichkeit und traurigen Düsterheit unserer Lage, vielleicht werden sie dann doch einsehen, daß nicht in einem ziellosen Nomadenleben das Ziel eines Cultui Volkes, nicht im S e l b st m o r d die Lebensaufgabe eines lebenskräftigen Stammes, nicht in Anpassung. Nachäffung undSchm eichelei — Freiheit. Fortschritt und Freisinn gelegen sein können.
Kommet, prüfet und Ihr werdet überzeugt werden. Und mag es auch einige Zeit dauern, bis Ihr Euch als überwunden erklärt, — es schadet nicht, denn in der Gewißheit unseres endlichen Sieges rufen wir: „Wir können waiten."
Naehum Nathan Agassi.
£ h r o n i k.
(Ein schlechter Dienst.) Se. Majestät der Kaiser ließ sich unlängst vom italienischen Künstler Gelli malen und unterhielt sich während der
aller Mittel entblößt waren, übergaben sie sich ebenfalls bedingungslos der Gnade Rothschild's. Es wurde nun noch ein angrenzendes Landstück gekauft, so daß das ganze Landgut jetzt etwa 500 Hektar beträgt. Da die Bauerlaubniß sehr lange nicht erlangt werden konnte, ließ der Baron in Rumänien hölzerne Häuser Herstellen ä 8 Meter lang und 4 Meter breit, die durch eine ebenfalls hölzerne Wand in zwei gleich große Zimmer eingetheilt sind. Von diesen Häusern kamen vor mehreren Monaten 30 per Segler hier an und wurden, nachdem sie bei unruhiger See anSgeschifft worden und naß einige Wochen in Magazinen gelegen hatten, nach dem Ansiedelllngsplatz Samarin weiter transportirt; 30 weitere Häuser kommeil dieser Tage an. Bis jetzt sind 20 von den zuerst angekommeiien Häusern von dänischen Handwerkern aus der Colonie Haifa aufgestellt worden, währrnd an der Aufstellung der übrigen gearbeitet wird, so daß in 4—6 Wochen alle 60 fertig gestellt sein könnten. Jedes dieser Häuser erhält ein etwa 75 Centimeter hohes Steinfundameiit. Es ist natürlich, daß diese Banten sehr kostspielig sind.
30 Häuser kommen in Galatz auf 30.000 Francs. Die Fracht von Galatz bis Haifa be»
Sitzungen mit dem genannten Maler in der ungezwungensten Weise. Dabei soll, wie das „Berliner Tageblatt" zu melden wußte, das Gespräch auf den Antisemitismus gekommen sein, und der Kaiser sich geäußert haben: „Ich schäme mich, daß der Antisemitismus nach Österreich gedrungen ist." — Die „Wiener Allgemeine Zeitung" erhielt nun neulich folgende Zuschrift: >.H'rr Redacteur! Gestatten Sie mir in Erwiderung auf Ihre dem Berliner Tageblatte entnommene Notiz zu constatirea, daß Seine Majestät der Kaiser während der mir von ihm gewährten Sitzungen die Frage der antisemitischen Bewegung nicht berührt hat. E. Gelli." — Wer nur jene wohlmeinende Gelegenheitsdichter sein mögen, welche von Zeit zu Zeit solche Tendeiizgeschichtch-li erfinden;stnd das die höchsten Leistungen unserer Assimilanten zu Gunsten der Juden? Wie bemächtigt sich gewöhnlich die antisemitische Presse hinterdrein solcher Vorfälle, um sie für ihre Zwecke auszubeuten !. Es ist überhaupt eine Taktlosigkeit, sich hinter der Krone zu verschanzen und die geheiligte Person des Monarchen zu Parleizwecken zu benützen.
(Antisemitisches.) DieBurschenschrften und deutsch. nationalen Vereine der Wiener Hochschulen veranstalten am 15. Mai einen Trau er-Cammers zu Ehren des verstorbenen deulsche» Dichters Scheffel ; die zu diesem Zwecke auZgegebenen Eintrittskarte» haben für Juden keine Giltigkeit. (Eine kalte Douche, die wir den hitzköpfigen „mosaischen Deutschen" aus vollem Herzen gönnen. Die Red.) — Geradezu unmenschlichund also gewiß deut- schtiil Empfinden nicht entsprechend ist folgende Stelle in den vom Ritter v. Schönerer heraus- gegebenen „Unverfälschten Deutsche» Worten": „Wir sind auch der Meinung, daß daS große Gcserres der Jüdenblätter über den „Brand von Stryi" nur darin seinen Grund hat, dach Juden die Betroffenen sind, und mir den Zweck, diesen Inden zu schöne», unentgeltlichen neuen Häusern an Stelle der abgebrannken. schmutzigen, halb verfallenen und werthloien Hütten zu verhelfen. Israel versteht cs eben, aus Allem ein Geschäft zu machen." — Die französischen Inden stehen am
trägt 10.000 Frcs. Zoll, Ansschiffeil, Transport bis Samarin 8000 Frcs. Dachziegeln etwa 7500 Frcs., Filndainent und Ausstellen 5000 Frcs. In Summa 60.500 Frcs.
Dazu kommen dann noch verschiedene Nacharbeiten und Einrichtniigen, so daß jedes Haus auf etwa 2100 Frcs. wird zu stehen kommen. Dabei sind solche mit Ziegeln g-deckte Holzhäuser im Sommer des,Tages sehr heiß und in der Nacht und im Winter sehr kalt; welcher Uebelstand noch dadurch vergrößert wird, daß die Häuser undicht gearbeitet sind und das Holz durch die Hitze große Riffe bekommt. Auch das Ungeziefer, von dem die Emigranten ohnehin genug belästigt werden, namentlich Flöhe, Wanzen finden in den Ritzen der Holzhäuser vortreffliche Schlupfwinkel. Gefährlich für diese Häuser sind besonders der Wintersturm, der leicht das eine oder das andere umwerfen kann und das Feuer.
Es stehen in Samarin, oder in Sichrem Jacob (Deiikzeichen Jacobs), wie der von Baron Rothschild zu Ehren seines Vaters um- geänderte Name heißt, 4 mit Ziegeln gedeckte Steinhäuser, von denen jedes 4 Zimmer hat und etwa auf 3000 Francs zu stehen kommt..
