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8. Jahrgang Frankfurt a. M., März 1930 Nr. 7
Die Schriftleitung übernimmt für den Inhalt des Gemeindeblatts nur die preßgesetzliche Verantwortung. Nachdruck nur mit Erlaubnis gestattet.
Aus dem Inhalt.
Purini (B. Segel).................... 253
Von Börne bis Rathenau (A. Sakheim)......... 255
Gedenkfeier für Franz Rosenzweig........... 256
Begründung eines Jugendheims . . •.......... 258
Ein Heim der jüdischen Jugend (J. Jacobs)....... 258
Vom Hilfsverein ^der deutschen Juden (S. Levi)..... 259
Im Wald (D. Frischmann)............... 260
Statistik der Frankfurter Juden, Fortsetzung. (J. Unna) . 262
Adolphe Cremieux in Frankfurt j| ............ 264
Feldwebel Bär im Lützowschen Freikorps (L. Horwitz) . 264
Anna Edinger (L. Meyerhof).....•........ 265
Purim
Von Binjamin Segel Purim ist das einzige jüdische Fest — richtiger nur ein
Halbfest — an dem ein besonderes biblisches Buch, die Esther-Rolle, populär „Megilla", zweimal vorgelesen wird. Purim hat hierin eine Analogie nur mit seinem Widerpart, dem Trauertag der Zerstörung des Tempels am 9. Ah, an dem die Klagelieder des Jeremias vorgelesen werden, aber natürlich ohne Segenssprüche. Das eigentliche Purim, nämlich der erste Tag, also der 15. des Monats Adar, kann kalendermässig nur auf einen Sonntag, Dienstag, Donnerstag oder Freitag, in einem Schaltjahr nur auf einen Mittwoch, nicht auf einen Donnerstag fallen. Der Gottesdienst am Purim zeichnet sich vor dem alltäglichen, abgesehen von der Megilla und einigen Pijutim, die nicht gerade zu den gelungensten gehören, nur dadurch aus, dass man an ihm öffentlich aus der Thora vorliest, wie am Cha- nukka und am Chol ha-Moed, und zwar die 9 Schlussverse des 17. Kapitels im Exodus, welche die Geschichte vom grundlosen Ueberfall der Amalekiter auf das hoffnungsfreudig aus Aegypten ziehende Israel erzählen, das erst kurz zuvor das Wunder am Schilfmeer erlebt hatte. Diese Erinnerung gemahnt an die Geschichte von Haman, zumal dieser als Abkomme von Agag erscheint, dem von Saul besiegten Amalekiterkönig, während Mordechai als Nachkomme eben dieses Königs Saul eingeführt wird.
Das ganze gottesdienstliche Ritual für Purim war von den ersten Zeiten der Mischna an lange schwankend und wurde erst in der Epoche der Geonim endgültig festgesetzt. Eines nur stand von Anbeginn bis auf unser Zeitalter überall fest, so wie es in der Megilla urpsrünglich festgesetzt wurde, dass nämlich Purim ein Tag war, an dem man reichlich Geschenke und Almosen an die Dürftigen zu geben verpflichtet war. Schon zum Morgengottesdienst, an anderen Orten zu Mincha, gehörte es, dass jeder Mann einen halben Schekel spendete, eine Erinnerung an die zur Zeit
Amtliche Anzeigen des Gemeindevorstands....... 267
Aus der Gemeindevertretung ............. 268
Aus'den Gemeinden.................. 274
Anstalten und Vereine, Versammlungskalender..... 278
Bücherschau ..................... 282
GoltesdienstlichergAnzciger.............. 286
Veränderungen imf Personenstand........... 285
Persönliche Nachrichten^................ 284
Statistische Uebersicht Januar 1930........... 289
Katalog der Gemeindebibliothek .... ,....... 290
des zweiten Tempels eingeführte Nationalsteuer — die babylonischen Rückkehrer gaben je ein Drittel Schekel — für
den Tempel und Jerusalem. Etwa 80 Jahre vor der Zerstörung des Tempels fing diese freiwillige Steuer an, immer reichlicher aus den fernsten Ländern der Diaspora nach Jerusalem zu fliessen — jeder Zwanzigjährige gab einen halben Schekel —, bis der römische Kaiser Vespasian nach der Zerstörung des Tempels die Juden seines ganzen Reiches zwang, die Gelder nicht nach Jerusalem, sondern an den Tempel des Jupiter Capitolinus abzuliefern, sie aber unter dem Namen „Fiscus Judaicus" für seinen Privatschatz konfiszierte. Das war wohl die erste Judensteuer überhaupt. Deswegen hörten indessen die Juden nie auf, Spenden nach Jerusalem an die dortigen Lehrhäuser und an die Armen zu senden. Ungefähr seit dem 13. Jahrhundert verbreitete sich bei den deutschen Juden die Sitte, die dann von „Maharil" festgelegt wurde, beim Purimgottesdienst von jedem Erwachsenen einen halben Schekel einzukassieren, der für das Heilige Land verwendet wurde, daneben aber auch als „Purim-Gel d", das der heimischen Wohltätigkeit zugeführt wurde. Purim war bei den Juden seit der ältesten Zeit der Spezialtag für das Wohltun. An diesem Tage hatte auch der Geizigste eine offene Hand. So sehr galt von altersher das Almosengeben als das bevorstehendste Kennzeichen des Purim, dass einer alten Ueberlieferung nach dieser Tag deswegen kalendarisch so festgelegt wurde, dass er nicht auf den Sabbat fallen könne, weil dann die Armen um ihre Almosen und Geschenke kämen.
Aus dieser Wohltätigkeit heraus entwickelte sich, wahrscheinlich schon in den ältesten Zeiten, die oben erwähnte Sitte des „Mis chloachManot" (vulgo „Schlachmones"), die darin bestand, dass Freunde, Schüler und Lehrer, Eltern und Kinder einander Geschenke schickten, bestehend aus Süssigkeiten, Leckerbissen, Büchern, Gedichten, Schmucksachen u. dgl. Kinder fühlten sich schon besonders gehoben, wenn sie ihren Altersgenossen ein Purimgeschenk schickten und ein solches erhalten durften. Einen besonderen Rang nahmen die Purimgeschenke ein, die die vornehmen Ge-