Die Juden in der Weltpolitik
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Systematik bildet der Mensch als Weltbürger die höchste Klasse, der darum auch die geringste Realität zukommt. Der politische Internationalismus als das Streben nach Realisierung des Menschheitsbegriffes ist daher reinster Maximalismus und das gerade Gegenteil der sogenannten Realpolitik, die Machtpolitik ist.
IL
Der Nationalismus
War der Internationalismus letzten Endes aus Naturalismus und Rationalismus entstanden, also aus sinnlicher Wahrnehmung und abstraktem Verstand, so wurde der Nationalismus aus dem konkreten Gefühl und aus seelischem Irrationalismus, aus Liebe und Glauben geboren. Sein Ausgangspunkt war nicht mehr das nackte Individuum als formale politische Einheit, sondern der lebendige Mensch in seinem räumlichen und zeitlichen Zusammenhange. Dies historisch nachzuweisen, kann hier nicht einmal versucht werden. Der Internationalismus hat seine Wurzel im reinsten Personalismus, er konstituiert das Abstraktum „Menschheit" als die Summe personal gleicher Individuen. Der Nationalismus entstammt einem zwar bewußten, aber nicht maßlosen Individualismus, er konstituiert die reale Nation als die höhere Realität über den untereinander verbundenen Individualitäten. Man sieht sofort den Unterschied zwischen rationalistischer und irrationalistischer Denkungsweise. Am Beginn des nationalen Gedankens steht nicht die naturale Freiheit auf Grund des natürlichen Rechtes, sondern die geistige Gebundenheit durch die sittliche Pflicht (man denke hier insbesondere an den Nationalismus Fichtes), nicht die juristische und bürgerliche Gleichheit, sondern die unfaßbare und in ihrer höchsten Sublimierung als göttliche Auserwähltheit empfundene Gleichartigkeit und gleiche Art, nicht eine programmatische und inhaltsleere Brüderlichkeit aller Menschen oder eine grob materielle Interessenverknüpftheit, sondern eine lebendig und sinnvoll empfundene Schicksalsgemeinschaft. Im Nationalismus ist es vor allem die im Grunde durchaus religiöse und unpolitische Sehnsucht nach Totalität, die ihm sein wesentliches Merkmal und seinen charakteristischen Schwung gibt. Er entdeckte den Menschen nicht als letzte Einheit für den Aufbau des politischen Organismus und der Menschheit, sondern als die unvergleichliche und unwiederholbare Ganzheit der menschlichen Persönlichkeit Aus der Totalität des Menschen kann aber, soll sie nicht aufgehoben und verstümmelt werden, nicht jener wesenhafte Teil seiner Individualität weggedacht werden, den er als nationale Eigentümlichkeit mit den übrigen Volksgenossen teilt. Diese Abstraktion von bestimmenden Wesenseigentümlichkeiten macht erst den Begriff des Menschen möglich. Der „Mensch" ist somit international, das individuell Menschliche, die konkrete Menschlichkeit des Einzelnen, sofern überhaupt vergleichbar und einzuordnen, national. Der Nationalismus geht aber nicht allein von der Ganzheit des einzelnen Individuums aus, das er in seiner Hülle von Beziehungen und Verknüpfungen sieht, sondern strebt auch nach der Totalität der Nation. Es gibt eine edle, religiös gefärbte und eine grobe, politisch gerichtete Form dieser nationalen Sehnsucht. Die edle gibt sich beispielsweise in der Vorstellung von der Weltsendung des nationalen Geistes kund, die gemeinere im imperialistischen Streben und territorialer Eroberungssucht.
Es ist die Sehnsucht nach Totalität, an welcher sich immer wieder im Leben des Einzelnen und der Völker die immanente Tragik jedes Lebens offenbart. Die Anschauung, daß die Entwicklung und Vervollkommnung der eigenen per-