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A. -i:
moralisch das einzig Mögliche, Anständige und Gebotene gewesen, die einzige Form, den rumänischen Juden eine gewisse Sühne für das seit vier Jahrzehnten vor den Augen ganz Europas an ihnen begangene Verbrechen durch die rumänischen Machthaber zu gewähren. Man sage nicht, eine kollektive Naturalisierung sei juristisch nicht durchführbar; das sind böswillige Ausflüchte. Warum hätte es nicht glatt und klar heißen können: Jeder rumänische Jude, der seit drei oder fünf Jahren in Rumänien wohnt und nicht Angehöriger eines fremden Staates ist, gilt fortan als rumänischer Bürger. Statt diesen offenen, konsequenten und anständigen Weg zu gehen, hat man wieder zur kniffligen M ethode der Kategorieneinteilung gegriffen. Nur bestimmte Kategorien sollen naturalisiert werden. Sehen wir sie uns näher an. Es sind einmal diejenigen, die am Kriege teilgenommen haben, und sodann, ,,die im Lande geboren und dort ansässig sind und von dort geborenen Eltern stammen." Wer nicht zu diesen Kategorien zählt, wird nicht naturalisiert. Einige Beispiele: Ein Jude, dessen Ahnen seit Jahrhunderten im Lande leben, dessen Mutter jedoch aus Rußland oder Bulgarien, aus Galizien oder der Bukowina stammt, hat keinen Anspruch auf Naturalisation; einer, der zufällig während eines Aufenthalts seiner Eltern im Auslande geboren oder dessen Vater oder Mutter zufällig im Auslande geboren wurde, wird auch nicht naturalisiert; ein dritter, der einige Jahre vor dem Kriege infolge der unerhörten Verfolgungen durch die Regierung ausgewandert ist, ohne bis heute eine andere Staatsangehörigkeit erworben zu haben, gleichfalls nicht. Nun zu den beiden Kategorien selbst. Das rumänische Gesetz, das die Naturalisierung im einzelnen regeln soll, wird natürlich von jedem einzelnen Juden den Nachweis fordern, daß er einer dieser Kategorien zugehört. Wer sichert nun den Juden die Möglichkeit, solchen Nachweis zu erbringen? Standesämter gibt es in Rumänien erst seit 1866; in vielen Gegenden erst seit 1880. Wie soll ein heute etwa 3ojähriger Jude, dessen Eltern vor 1866 geboren sind, den Nachweis führen, daß er von in Rumänien geborenen Eltern abstammt? In vielen Städten sind im Kriege die Archive zerstört worden; was die vorhandenen betrifft, wer glaubt denn, daß in einem Staate von der Mißwirtschaft des rumänischen die Standesregister korrekt geführt worden sind? Wie sollen all diejenigen — und es mag sehr leicht der größere Teil sein —, die keine standesamtlichen Bescheinigungen beibringen können, nachweisen, daß sie zur Kategorie der Naturalisationsberechtigten zählen? Sie werden Zeugnisse der jüdischen Gemeinden herbeibringen oder Aussagen einiger Zeugen? Wer wird die rumänischen Behörden zwingen, solche Zeugnisse anzuerkennen, denen es an behördlichem Siegel und amtlicher Beglaubigung fehlt? Und endlich: Wer wird die Beamten der Standesregister überhaupt zwingen, die verlangten Ausweise auszustellen? Wieviele Ausflüchte und Ausreden haben sie nicht, um sie zu verweigern? Naturalisiert sollen ferner alle werden, die am Kriege teilgenommen haben. Wer regelt die Form des Nachweises solcher Teilnahme? Verlangt wird wohl eine Bescheinigung des Regiments werden; wer wird die Regimentskommandeure zwingen, sie auszustellen? Man sage nicht, böswilliges Mißtrauen nur erfinde solche Möglichkeiten. Haben sich diese Möglichkeiten nicht hundertfach bereits nach dem bulgarischen Kriege verwirklicht? Den jüdischen Soldaten war schon damals die Gleichberechtigung zugesagt worden; erteilt ward sie den wenigsten, weil fast kein Regiment seinen jüdischen Soldaten das Zeugnis ihrer Zugehörigkeit ausstellen wollte.