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Ümschaü: Politik

nicht recht einzusehen. DieZahl der englischen Namen werden wir damit keineswegs ver­mindern, denn schon aus rein militärischen Gründen müßten die meisten Führerstellen auch in einem jüdischen Heere englischen , Offizieren vorbehalten werden und würde England sie auch ohnehin aus andern Gründen mit seinen eigenen Offizieren besetzen. Und schließlich ist ja auch für die vom englischen Mutterland heute schon ziemlich unabhängige südafrikanische Union, also recht eigentlich für das fremde Burenvolk, vor gar nicht langer Zeit recht viel englisches Blut geflossen, ebenso wie für Australien, Kanada usw. Ueberdies hat es mit derNützlichkeit" und demWert" des vergossenen Blutes überhaupt eine be­sondere Bewandtnis. Man wird aus den angeführten Beispielen nicht den Schluß ziehen können, daß die Engländer damit geringeren Nutzen erzielt hätten, als die Deutschen mit dem für die österreichische und türkische Selbständigkeit und Freiheit ver­gossenen. Was nach der Meinung Jabotinskys für das jüdische Volk das Argument eines sentimentalen Pazifismus wäre, verwendet er selbst aus seiner militaristischen Einstellung für England, das seine geringe Sentimen­talität in diesen Dingen ja doch genügend be­wiesen hat. Das Wichtigste aber, was man Jabotinskys Verlustlisten - Pathos entgegen­halten kann, ist dies, daß die englischen Namen in englischen Verlustlisten nicht sehr zahreich sein würden, weil englische Verlustlisten überhaupt nicht oder nur in sehr geringer Zahl erscheinen würden, jüdische hingegen ununterbrochen und in unabsehbarer Zahl.

Damit sind wir bei dem eigentlichen Kernpunkt angelangt. Er läßt sich durch die Behauptung kennzeichnen, daß in Pa­lästina zehn englische Soldaten wertvoller sind und einen größeren Schutz gewähren, als hundert oder tausend jüdische. Denn der englische Soldat repräsentiert das gewaltige Imperium England, das ohne Zwang anzu­greifen sich auch halbwilde Beduinenstämme scheuen. Der jüdische aber repräsentiert nur sich selbst, was vielleicht doppelt oder drei­fach so viel sein mag, als ein arabischer Soldat bedeutet, zusammen aber, in abseh­barer Zeit wenigstens, niemals die Militär­macht, die die Araber Palästinas und der Nachbarländer ins Feld stellen können. Darum werden die zehn und hundert jü­dischen Soldaten niemals so sicher vor An­griffen sein, wie ein englischer. Das ist eben der gewaltige Unterschied: Der englische Soldat ist eine politische, der jüdische nur eine militärische Potenz. Und im letzten Kriege hat, wie ich bereits in dieser Zeltschrift ausführte, mit England das politi­sche, nicht das militärische Mittel gesiegt, also das Mittel des Geistes gegen das der Gewalt. Jabotinsky wird infolge seiner militaristischen

Grundanschauung niemals begreifen, daß. nicht die Garnisonen von Gaza, Jerusalem und Safed, sondern das Londoner Foreign Office die Stelle ist, die uns Sicherheit und s Frieden garantiert und an der die zionistischen Anstrengungen einzusetzen haben. Er sieht nur die englischen Truppen und Offiziere, deren Passivität die Hauptschuld an dem Jerusalemer Pogrom vor einem Jahr zu­fällt, und meint, mit ihrer Ersetzung durch jüdische Soldaten wäre das Uebel behoben. Er übersieht nur hierbei, daß der tiefere Grund für dieses Uebel darin bestand, daß die zionis­tische Politik damals nach Balfours Rück­tritt beim Londoner Auswärtigen Amt nicht so weit durchgedrungen war, daß dieses sie als die seine gegenüber den antisemitischen englischen Generälen durchzusetzen gewußt hätte. Als dies bei der Konferenz von San Remo der Fall war, und keine neuen Truppen, sondern ein neuer Zivil-Kommissär nach Palästina kam, änderte sich die Sachlage vollkommen und ist seither auch so geblieben. Jabotinsky aber starrt, in der Vorstellungs­welt des Militarismus wie in einem Käfig gefangen, hypnotisiert auf die englischen Soldaten und meint, daß die Gewalt, die Macht der Waffen und Bewaffneten, die ein Volk hat, nicht aber sein Geist, die geistige Ueberlegenheit seiner Politik, entscheidet. Ich spreche nicht davon, wie unverhältnis­mäßig größer die finanzielle Belastung des jüdischen Volkes wäre, wenn es statt eines englischen ein jüdisches Heer zu erhalten hätte, denn wo eben noch ein Soldat genügte, wären zehn und hundert zu wenig. Und nur in Parenthese sei auf die Diskrepanz hingewiesen, die zwischen den militärischen Forderungen und den doch sicherlich nicht unbegrenzten Mitteln besteht, die für die Palästinaarbeit bei der größten Opferwillig­keit des jüdischen Volkes zur Verfügung stehen. Gerade im heutigen Augenblick, wo man aus Finanznöten die hebräischen Schulen sperren will, ist das Jabotinsky sehe Hinden- burg-Programm immerhin mehr genial als real zu nennen, auch wenn einem die höhere Notwendigkeit der Kasernen- vor der von Schulen einleuchten sollte. Auch alle die verschiedenen unerfreulichen Begleiterschein­ungen, die mit der Schaffung einer solchen jüdischen Prätorianergarde verbunden wären und von denen sicherlich unser Volk leider ebensowenig verschont bliebe, wie die Staaten, die sie jetzt kennen lernen mußten, mögen hier unerörtert bleiben. Nur als wirtschafts­psychologischer Gesichtspunkt sei erwähnt, wie verheerend die mit der Schaffung eines jüdischen Freiwilligenheeres auf die Faulheit ausgesetzte Prämie wirken müßte, wenn aut der anderen Seite für die Aufbauarbeit in Erez Israel die härtesten Opfer verlangt werden müssen.

Wenn nun aber die faktische Prämisse,