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Umschau: Berichte von-jüdischer Erziehung

,und schließlich Unterstützungen an Nahrung und Kleidung gewähren, schicken haupt­sächlich zahlreiche mittellose Eltern ihre Kinder in diese Schulen. Hierzu kommen noch Chedarim und Talmud Thoras, deren Schülerzahl in Galizien im Jahre 1902/3 un­gefähr 8000 betrug.

Was die jüdische Mittelschulbildung in der Großukraine betrifft, so besitzen wir für das Jahr 1910, bezw. 1915 folgende Angaben, soweit es sich um Mittelschulen handelt, die dem russischen Ministerium für Volksauf­klärung unterstanden:

Knaben- Mädchen- Technische Lehrbezirk Gymnasien Realschulen Schulen

und Progymnasien 1 1

Charkow 728 v 1044 230 25 Odessa 5343 14736 904 x 3o Kiew 2110 8473 378 108

In den Mittelschulen wurde die berüch­tigte Prozentnorm streng gehandhabt, sodaß der überwiegend größere Teil der jüdischen Jugend ohne Mittelschulbildung blieb. Sie wurden auch in die Handelsschulen, die auf jüdische Initiative eingerichtet und größten­teils auf jüdische Kosten erhalten wurden, nur im bescheidenen Maße zugelassen, da auch hier mit der Zeit die Prozentnorm eingeführt wurde. Nach der Revolution (1917) wurden jüdische Mittelschulen auf private und gesell­schaftliche Kosten eröffnet, deren Zahl im Jahre 1918 auf zirka 100 anwuchs, die aber Kindern der minderbemittelten Klasse wegen des hohen Schulgeldes (400 Rubel) nicht zu­gänglich waren. Das Schuldepartement des jüdischen Ministeriums beschloß daher jü­dische Regierungsmittelschulen zu eröffnen, aber auch dieser Beschluß blieb infolge der allgemeinen Verhältnisse unverwirklicht. Er­wähnenswert sind die Mittelschulen mit hebräischer Unterrichtssprache, die von den Tarbut-Organisationen in den Jahren 1916'18 eröffnet wurden. In Galizien, wo es bekannt­lich keine Prozentnorm gab, betrug die Zahl der jüdischen Gymnasial- und Realschüler im Schuljahre 1903/04 5299, d. i. 20,70/0 der Gesamtzahl.

Was die Außerschulbildung betrifft, so gab es in der Großukraine im Jahre 1918 etwa 40 Abendkurse oder Abendschulen, ferner zirka 60 öffentliche jüdische Biblio­theken. In vielen Städten bestanden drama­tische und musikalische Gesellschaften, die sich mit der literarischen und ästhetischen Erziehung der heranwachsenden Jugend be­faßten. Aehnlich lagen die Verhältnisse in Ostgalizien, wo Abendschulen"' r für Kinder und Erwachsene, hauptsächlich von der Baron - Hirsch - Stiftung unterhalten wurden. Besondere Erwähnung verdienen die jüdischen Volksuniversitäten der Großukraine, namentlich in Kiew.

Ueber das Hochschulstudium der jüdischen Jugend in Ostgalizien belehren folgende

Zahlen: Die Universität Lemberg wurde im Jahre 1903/04 von etwa 500 jüdischen Hörern und Hörerinnen besucht, (etwa 35°/ 0 der Hörer), die technische Hochschule in Lem­berg von 178 Hörern (etwa 15%). Ueberdies besuchten viele jüdische Hochschüler aus Ost­galizien die Wiener Universität. In der Großukraine war das Hochschulstudium der Juden, dank der auch hier obwaltenden Prozentnorm, äußerst beschränkt, und betrug die Zahl der jüdischen Hörer in den Uni­versitäten (Kiew, Charkow und Jekaterinoslaw) und Polytechniken (Kiew, Charkow und Jeka­terinoslaw) bis zur Märzrevolution, als die Schranke für den Besuch der Hochschulen von Juden fielen, 5io°/ 0 der Gesamtzahl der Hörer. Um den Drang nach Hochschul­bildung zu befriedigen, wurde eine jüdische technische Hochschule aus jüdischen Mitteln in Jekaterinoslaw begründet.

Der Förderung speziell-jüdischer Bildung dienten das Rabbinerinstitut in Odessa und die Kurse für jüdische Wissenschaft an den erwähnten Volksuniversitäten. An der Universität in Kamenetz-Podolsk, die im Sommer 1918 eröffnet wurde, sind von der Regierung zwei Lehrstühle für jüdische Ge­schichte und jüdische Literatur begründet worden, die aber meines Wissens unbesetzt geblieben sind, weil sich zur Zeit keine Lehr­kräfte gemeldet hatten.

Der Kinder- Vorschulbildung und -Pflege waren nach den Ermittlungen des jüdischen Ministeriums 14 Kindergärten, 54 Kinder­heime, 1 Kinderklub und 5 Kinderspielhallen gewidmet. Die Zahl der Kinder in diesen Anstalten, die von privaten und gesell­schaftlichen Organisationen in's Leben ge­rufen wurden, betrug 9000.

Die professionelle Bildung ist noch sehr rückständig, jedoch wurden dank der Privat­initiative und den philantropischen Vereinen undBildungsgesellschaften mehrere Gewerbe­schulen, Werkstätten, Abendkurse für Hand­werker, für Instruktoren in Berditschew, Jekaterinoslaw, Schitomir, Odessa und Tscher- nigow eröffnet, deren Existenz jedoch durch den Krieg, die Revolution und die darauf folgende Anarchie gefährdet wurde.

In Ostgalizien war das Niveau der pro­fessionellen jüdischen Bildung ebenfalls nicht hoch. Die allgemeinen Gewerbeschulen und Ergänzungskurse wurden von jüdischen Lehrlingen sehr schwach besucht, da dort ein für die Juden unerträglicher antisemitischer Geist herrschte. Die Frequenz der jüdischen Schüler in den speziellen Gewerbeschulen war eine .ganz geringe. In den Jahren 19011905 gab es zum Beispiel in den Spitzenschulen 8 Juden, in den Weberschulen, in den Schulen für Keramik und Metallurgie überhaupt keine jüdischen Schüler, in den Schulen für Holzindustrie 4, iri den Korb- üechterschulen 1 Jude. Die Baron Hirsch-