Der größere Zionismus

widerspräche der Ökonomie der Politik: Gäbe es keine Juden, so müßte man sie erfinden.

Durch die ungeheure Expansion der Judenfrage in den letzten Jahren,, die um sie herum so viel Unruhe und Zersetzung geschaffen hat, sind die Juden, unschuldig und unbewußt, aber doch tatsächlich zum passiv störenden Elemente in Europa geworden. Es wäre unklug, sich um diese Tatsache herumzudrücken: nicht was man wirklich ist, sondern was man scheint, ist das Maßgebende in der Politik eine Tatsache, die uns: bis heute noch nicht klar ist. Haben wir durch leichtsinnige, weltfremde Ignorierung der Öffentlichkeit, durch völligen Verzicht darauf, als Gesamt- judenheit uns an die umgebende Gesamtbevölkerung direkt zu wenden,, kampflos den Platz geräumt, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir nun ,,das Heimische schlimmer finden".

Der unbefangene Chronist muß die höchste Verstärkung dieser Stim­mung als auf das National Judentum konzentriert feststellen: es gibt heute nirgends ein Volk, eine Gruppe, eine Partei, eine Bewegung, nicht einmal Einzelpersonen, welche die Erhaltung eines national orientierten Juden­tums unter ihre Grundsätze aufgenommen hätten: alle rechtsgerichteten Gruppen verstärken ihren Antisemitismus, zumindest in der Praxis, dem bewußten Judentum gegenüber, alle linksgerichteten sind mit Notwendig­keit assimilationsfreundlich. Daß wir seit Jahrzehnten dieser Lage stumpf und ergeben gegenüberstehen, daß wir den Versuch, ja selbst den Ge­danken an einen Versuch unterlassen haben, die Lösung der Juden­frage in unserem, dem bewußt-jüdischen Sinne zur Gemeinidee der an diesem Probleme schwer leidenden Menschheit zu machen, das ist unver­zeihlich, belastet uns alle und erklärt manchen Mißerfolg unserer Be­wegung.

Kurzsichtig und versonnen drängten wir uns selbst in die Sackgasse. So ging der Überblick über den eine organische unlösbare Einheit bildenden, Komplex von Problemen verloren, so raubten wir uns selbst den weltge­schichtlichen Zug, den Platz unter den gestaltenden Faktoren des poli­tischen Geschehens, um dafür eine in unserem politischen System noch weniger folgerichtige Nachfolge hinter den Vereinen zur Abwehr des Antisemitismus anzutreten. Denn der erhabene Zweck jüdischnationaler Politik ist es, aufzuzeigen, daß wir nicht bloß als Juden, der jüdischen Sache verpflichtet, sondern als Menschen, der Allgemeinheit dienend, be­wußt-jüdisch sein müssen.

Gerade in der von uns sträflich ignorierten Vereinigung dieser Mo­mente liegt unsere Stärke, denn der Erhaltung des national geeinten Volks­tums muß die Welt- und Landespolitik des Judentums dienen. Ist die Frage nach der bestmöglichen Art, diesen Zweck zu erfüllen, schon ernstlich gestellt worden? Die Zionisten bringen allzu umfangreiche politische Wunschzettel aus fremden Programmen, von deren bedingungsloser Annahme sie ihre Stellungnahme zur Nationalbewegung abhängig machen, aus der Außen­welt herein: wo aber ist das autark-politische Programm? _

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