Die jüdische Gefahr

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daß alles, was er sagt, auf einen kleinen Kreis assimilierungssüchtiger Juden um ihn her in vielen Stücken paßt. Aber es ist von einem Mann mit so umfassendem historischen Blick, niedrig und gewissenlos, die Idee des Judentums nach einem kleinen Absprengsei zu beurteilen, die Gesamt­erscheinung der längsten geschichtlichen Vergangenheit, deren sich ein lebendes Volk in Europa rühmen kann, und ihrer ganzen unbekannten Zukunft an einem solchem beschränkten Teil eines historischen Augenblicks, der eigentlich schon vorbei ist, endgültig und unwiderruflich zu messen.

Gewiß ist es heilige Pflicht und natürliches Recht jedes Volkes, seine Art vor Einmischung Fremder zu bewahren, aber es geht nicht an, unter den Werten fremder Art eine genehme Auswahl zu plündern und dann sie als das Beste des eigenen Besitzes auszugeben, ja die Aneignung selbst als die große erlösende Tat zu rühmen.

Ein sehr eindringlicher Beweis für die Ungeklärtheit und innere Un­sicherheit Blühers ist seine Stellung zum Katholizismus. Wie verträgt es sich mit seinem Rassendogma, daß er, der das Deutschtum als befeindet mit der römischen Kirche und dem Papismus hinstellt, an mehreren Stellen von diesem konfessionellen Gegner fast so verächtlich und haßerfüllt spricht wie von den Juden, obgleich doch gerade die blutreinen deutschen Stämme: die Franken und Schwaben, sich in ihrem größten Teil mit tiefer Inbrunst zum Katholizismus bekennen, während die deutsche Tat des protestantischen Kaiserreichs vom Preußen tum, vom slavisch gemischten Neugermanentum die Weihe empfing.

Unter die reinsten Germanen, die skandinavischen Gothen (in Schweden) ist dieselbe kleine Zahl von Katholiken gleicher Rasse und von Juden (3000) eingesprengt. Den Katholiken gegenüber herrscht ein tiefgehendes, all­gemeines Mißtrauen, feindselige Abneigung. Die Juden, die man sehr wohl als Fremde empfindet, genießen Vertrauen, Ansehen, Achtung. Große Verwunderung herrschte in Schweden, als von den deutschen Brüdern herüber der Vorwurf kam: Warum der Vorsitzende des Verteilungsrates der Nobel-Stiftung ein Jude sei? An der Universität, im gesellschaftlichen und finanziellen Leben, selbst im politischen, finden sich Juden in expo­nierten Stellungen. Dies nobelste und moralisch reinlichste Volk hat, wie die äußere, so auch die größte innere Ruhe.

Wie sehr auch Blüher bei jeder Gelegenheit mit kühler Geste vom Anti­semitismus der Bluttaten abrückt (er sagt:Auf Deutschlands Schuld­konto lastet die Ermordung Gustav Landauers. An dieser Tat wird es schwerer zu tragen haben als am Versailler Friedensvertrag"), so ist seine Schrift dennoch in hohem Maße mit schuld an den Morden, die seither getan oder versucht wurden. Diese heimlich-brutale und primitive, äußerlich so kultivierte Schrift mit ihrem nachdrücklichen Anschein der Distanzie­rung ist sehr geeignet, den geistigen Pöbel der Halbgebildeten in einem Grade zu haranguieren, wie es bisher unvorstellbar war. Wer in Flammen­schrift der Entrüstung festgelegt hat, daß die Juden die Wirtschaft verdorben