Umschau: Geschichte
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Nachdenkens ist, Sie mein Herr feierlichst
aufzufordern:
„Kaufen Sie ein Distrikt Landes in Nord-Amerika, gründen Sie daselbst eine Kolonie für unsere unglücklichen Glaubensbrüder, und führen die uns zunächstliegenden aus Deutschland, Polen und Italien hinüber."
Wohl kenne ich meine Schwäche, wohl kenne ich das umfassende, das schwierige Unternehmen, aber beschließen Sie, und ich erbiete mich im Namen Gottes und mit seiner allmächtigen Hilfe das Unternehmen auszuführen. Er herrscht bei mir nicht der mindeste Zweifel, daß heute beschlossen bereits in 3—4 Jahren auswandernde Familien unserer unglücklichen Glaubensbrüder in der Kolonie Rothschild in Nordamerika aufgenommen werden und dort frei beten und arbeiten können.
Aber auch für die Zurückbleibenden wird es die größte Wohltat sein, denn ich darf hier wohl mit Recht das Sprichwort anführen:
„Niemand ist dem gleich, der ein Stück Brot in seinem Korbe hat 4 '. 1 ) Ja! schon die Bekanntmachung dieses Unternehmens wird die beste moralische Wirkung unter den Regierungen hervorbringen 2 ) und sich am ersten in den Ständenversammlungen, wo jetzt noch blinde Vorurteile herrschen und ohnedies noch lange fortherrschen würden, äußern. Noch bemerke ich, daß es für einen großen Kapitalisten keine sicherere und progressiv mehr Gewinn bringende Gelegenheit giebt, als ein solcher Ankauf im Großen. Jedoch geschieht diese Bemerkung nur im allgemeinen und nicht aus dem Grunde, um Sie zu bestimmen, in meinen Vorschlag einzugehen, vielmehr hat mich die Notorität Ihres Charakters dazu veranlaßt, zuerst an Sie zu schreiben, und läßt mich erwarten, daß Sie auf eine oder die andere Art in
*) Im Original hebräisch; — d. h. auch Wenn er nicht essen will oder darf, erlägt er den Hunger in der Gewißheit dieses Rückhaltes leichter. Babli, Joma 74 b.
") Meine Behauptung in dieser Hinsicht motiviert sich durch die Tatsache, daß die Vermehrung der Juden nicht gewünscht, sondern befürchtet und ihr eifrigst entgegen gearbeitet wird. Wenn also eine bedeutende Verminderung der Juden stattfinden wird, so Verden die wenigen Zurückbleibenden gewiß eine bessere Behandlung zu erwarten haben. (Anm. des Briefschreibers.)
meine Idee eingehen werden. Ich sehe nun Dero Beschluß und resp. Befehle entgegen, „Sei stark und fest! Du sollst stark und fest und ein Mann sein, dann will ich Dein Diener sein, mein Herr, um zu dienen dem Heiligen." Issachar ben Jizchak, genannt 1 ) Bernhard Behrend sen. Kaufmann in Rodenberg.
II.
Herrn Bernhard Behrend sen., Rodenberg. Frankfurt a. M., den 10. Dezember 1835.
Ich habe Ihre werthe Zuschrift zu erhalten die Ehre gehabt, und muß es bedauern, Ihrem Wunsche nicht entsprechen zu können, indem ich Ihre Ansicht über den erwähnten Gegenstand nicht theile. Ich empfehle mich Ihnen höflichst.
M. A. von R o t h s c h i 1 d. 2 )
III.
Herrn Dr. G. R i e s e r 3 ) in Hamburg. Rodenberg, den 28. Februar 1844.
Ihr wohlthätiges Wirken für unsere religiöse Gesellschaft muß jeder anerkennen, und welcher gefühlvolle Mensch wird sich deshalb nicht dankbar gegen Sie verpflichtet fühlen! Auch, ich kann nicht umhin in den ersten Zeilen des Schreibens, welche ich an Sie zu richten mir erlaube, meine Hochachtung und innigsten Dank auszusprechen und bitte ich Sie diese Versicherung gütig aufnehmen zu wollen. — Der Zweck meines Heutigen an Sie betrifft auch diese Sache! Auch ich habe von früher Jugend an, so viel meine beschränkten Kenntnisse und Wirkungskreise es erlaubten, für die gute Sache gewirkt und obschon ich fünfzig Jahre meines Lebens zurückgelegt habe, und obschon einen schweren Mühlstein am Halse tragend, kann ich meinen Eifer für die gute Sache nicht unterdrücken. — Schon im Jahre 1832 hatte ich die Überzeugung gewonnen, daß die öffentliche Diskussion in unserer Sache geschlossen werden müsse (denn Sie, sowie andere Kämpfer haben diese Rechtssache in der Theorie so klar und
1) von den Anführungszeichen bis hierher im Original hebräisch.
2) Rothschild unterzeichnet hier mit dem Namen der Firma; er selbst hieß Anselm Mayer; sein Vater, Mayer Anselm, ist 1812 gestorben. .
3 ) sie!, wohl Druckfehler, vgl. die richtige Schreibung im gleichen Briefe.