ßberales Judentum
ITlonafsfchrift
für die religiöfen Intereften des Judentums
herausgegeben von der
Vereinigung für das liberale Judentum in Deutfchland
unter der Redaktion van vr. Caefar Seligmann, Rabbiner in Frankfurt a. M.
No. 4. Jahrgang 4. Hpril 1912.
Organifationsfragen zur kommenden Hauptnerfammlung.
Van W. Bernauer.
as zweite. Jahr seit der letzten (Nürnberger) Hauptversammlung der „Vereinigung für das liberale Judentum in Deutschland neigt sich seinem Ende zu, in diesem Jahre werden die Mitglieder der Vereinigung zu einer neuen Tagung berufen werden. Die kommende Hauptversammlung ist von besonderer Bedeutung für die Zukunft der liberalen Bewegung im deutschen Judentum, denn dieser Versammlung wird die (5er Rommission, die in Nürnberg zur Schaffung von Richtlinien für die Stellung des liberalen Judentums zu den prinzipiellen religiösen Fragen eingesetzt wurde, das Ergebnis ihrer zweijährigen Arbeit zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen haben. Daneben dürften noch andere wichtige Fragen, wie z. B. die einer Vermehrung und Ausgestaltung der liberalen Zugendvereine und der Schaffung eines Rommunalprogramms der Behandlung durch die Hauptversammlung unterliegen, deren Arbeit nach einem Beschlich ihrer Vorgängerin sich diesmal auf mehrere Tage erstrecken soll, vor allem aber gilt es, wie gesagt, Beschlüsse zu fassen über die Grundlagen der liberalen Bewegung. wir werden uns zu fragen haben, welche Znstanz für eine solche Beschlußfassung zuständig ist.
Sicherlich die Gesamtheit der Mitglieder der Vereinigung für das liberale Judentum in Deutschland. Aber von den Mitgliedern ist aus naheliegenden Gründen auf der Hauptversammlung nur eine verhältnismäßig geringe Zahl anwesend. Diese Versammlungsteilnehmer treten also an die Stelle der Gesamtheit. Ls kann nun aber nicht ernstlich behauptet werden, daß der Wille der Gesamtheit (oder wenn man diese tropische Ausdrucksweise verschmäht: der Mehrheit) der Vereinigung auf der Tagung zum Ausdruck kommt, wenn jeder Anwesende das gleiche Gewicht in die Wagschale werfen, eine Stimme abgeben kann, wie es in Berlin und Nürnberg gehandhabt wurde. Denn unter den versammelten ist natürlich die Zahl der am Tagungsorte selbst und in der Nachbarschaft wohnenden Mitglieder der Vereinigung weitaus größer, als es dem Anteil der entsprechenden Gegend an der Vereinigung entspricht, während die weitentfernten Bezirke nur durch verhältnismäßig wenige Abgesandte vertreten sein können. Zn Berlin und Nürnberg hat dieses Mißverhältnis nicht schädigend gewirkt, da dort alle Beschlüsse einstimmig oder mit weitüberwiegender Mehrheit gefaßt wurden. Doch garantiert nichts das Fortdauern dieses — erfreulichen — Zu-