überdies Judentum

nionatsfchrift

für die religiösen Interessen des Judentums

herausgegeben von der

Vereinigung für das liberale Judentum in Deuffdiland

unter der Redaktion van Dr. Caefar Seligmann, Rabbiner in Frankfurt a. M.

No. 7. Jahrgang 4. Juli 1912.

Zu Hermann Cohens 70. Geburtstag.

u dem Tage, an welchem Her­rn a n n L o Heus e inen 70. <S; ebne t s- tag feierte, wurde ihm der Dank nnd die Liebe feiner Glaubens­gemeinschaft, in deren Mitte er wie ein allverehrter Patriarch wan­delt, dargebracht. Auch wir fchlie- ßen uns aus voller Seele der Zu hl der Glückwünschenden an, denn er ist unser, das darf mit stolzer Freude das liberale Judentum aussx rechen, dem er, wenn er auch keiner Partei äußerlich zu­gezählt werden will, innerlich an­gehört. Auf überragender Höhe, reinen Denkens stehend, ist Tohen der wortgewaltige, Herzen starke Wied er verkündiger des propheti­schen Judentums. Unser Glück- wunschgilt dem Heros des Geistes, dem Wecker jüdischen Gewissens, demLharaktervollTreueundfitt- l ich e r G r ö ß e, d em H e rz e n vo ll G üt e und Menschenliebe, dem begeister­ten Juden, der allzeit auf der warte steht für die sittliche Größe desJudentums.

Die Stellung Hermann Cohens zur Religion.

Von Dr. Hermann löb-Dresden.

Seinen 70. Geburtstag vollendete am

Juli Hermann Lohen,' wenn vor allem die philosophische Welt ihn als ihren Führer und Meister feiert, so dürfen wir Juden mit Stolz in ihm den geistvollen Lehrer und tapferen Verteidiger ehren.

Nur der Fachmann Vann seine wissenschaft­lichen Leistungen gebührend und erschöpfend würdigen. Grundlegend sind feine For­schungen, zumal über plato und Kant, in drei mächtigen festgefügten Werken liegt das Fundament seines eigenen Systems, reich und befruchtend fließen die Arbeiten feiner Schule. Dem vagen WorteIdealismus" hat er ein neues, scharfes Gepräge gegeben: Idee ist kein jenseits aller Wissenschaft liegendes, bloß gefühls- und willensmäßiges zu ergreifendes Ding, es ist das Gesetz, das aller Erkenntnis in Wissenschaft, Sittlichkeit und Kunst das also aller Kultur zu Grunde liegt. In stets neuer Arbeit vertieft und schafft das Denken solche Grundlegungen, stets müssen sie von neuem ihre Wahrheit rechtfertigen. 'Die ver­wirrende Mannigfaltigkeit, die bunte Fülle der Erscheinungen, der Natur sowohl wie des