34 Joseph Kaüffmann: Forderungen der Gegenwart
werden, wie besonderen Umstanden aus traurigem wie freudigem Anlaß; aber darüber hinaus sollte man aus Gebete in dein üblichen Sinne verzichten, wie das ja auch übrigens in unserem Siddur und Machsor gescksteht, in denen durchaus? nicht allein Gebete geboten werden, sondern Psalmen und Wieder, Stücke aus der Bibel usw. Das Gebetbuch. für den täglichen Gebrauch sollte daher neben den Gebeten aus besonderem Anlaß für jeden Tag einen kurzen Abschnitt aus dem Pentateuch und den andern Teilen der Bibel..bringen, auch geeignete Stellen aus der nachbiblischen Literatur, damit so die Kenntnis der Bibel weit verbreitet und Anregung auch aus späterer Zeit der großen Menge geboten wird. Falls schwerverständliche Stellen ausgenommen werden, würde eine kurze Erklärung zweckmäßiger weise dem Texte unmittelbar angefügt werden.
Um das Gebetbuch praktisch für den Hausgebrauch! zu gestalten, mögen in einem
eigenen Abschnitte die Hauptgebete wie das „Schma"gebet und ändere hebräisch und : deutsch wiedergegeben werden, wobei zu erwarten ist, daß für konservativ erzogene Personen daneben noch der Siddur seine Geltung behalten wird. Doch auch für diese, insbesondere die Frauen unter ihnen, würde ein solches Gebetbuch wie für den weit linksstehenden Teil unserer Gemeinden ein gern und viel benutztes Hausbuch' werden. Gin religiös-pölitischer Kampf um ein solches Buch würde, kaum zu erwarten sein.
Hoffentlich findet sich recht bald ein Rabbiner, der /diese Aufgabe als lohnend empfindet und sie zu lösen übernimmt.*)
*) Arrm. Ja, Red. Die Erfüllung des Wunsches des geehrten Verfassers kann der Redakteur &7 Zl. in nahe Aussicht stellen, da er selbst ein deutsches Andachtsbuch bearbeitet hat, das ungefähr den obigen Anregungen entspricht,
?or<ierungen der Gegenwart.
u.
Speise- und Sabbatvorsch riftrn.
Von Joseph Kaüffmann-Berlin-Weihensee.
H ach dem heutigen Stande der Bibel- wissenschast gilt es als sicher, daß die schriftliche Thora.in der Form, in welcher wir sie heute besitzen, nicht von Moses herrührt, und nur teilweise auf diesem fußen könne. Welche Teile auf Ueberlieferungen aus mosaischer Zeit beruhen und welche anderen nur seinen Geist atmen, ist nicht mehr festzustellen. Ae Thora jst kein einheitliches Werk eines Verfassers, sie ist das Ergebnis einer tausendjährigen Entwicklung des religiösen Geistes des israelitischen Volkes.
, Die Bibelkritik findet in den 5 Büchern Moses eine Reihe heute noch nachweisbarer Textschristen, die verbunden wurden und nach einer Endüberarbeitung die uns heute vorliegende Fassung ergaben. Als älteste Schichten werden Berichte, die wahrscheinlich zwischen 800—700 v. d. g. Z. entstanden sind, angesehen. Diese enthielten den Hauptteil der biblischen Geschichte bis zum Tode Iosuas und Gesetzessammlungen, namentlich Exodus 20—25 und o% Diese Berichte fußten wahr-
^ scheinlich auf noch älteren Schriften, von denen aber nur noch die Titel: Sefer Haja- schar und Sefar Milchamoth Z. H.'w. H, bekannt sind, weil sie in der Bibel erwähnt werden. .
Zwischen 650—625 entstand das 5. Buch Moses oder das Deuteronomium, nach welchem der König Iosia seine Reformation der religiösen und bürgerlichen Verhältnisse durch- führte.
Diese Schriftwerke begleiteten nach der Zerstörung Jerusalems die Vertriebenen in das babylonische Exil. Die Priester hatten eigene Ueberlieferungen, die .sich! teils auf den Dpferdicnst im Tempel, teils' auf priesterliche Lebenshaltung, teils auf moralische Bestimmungen bezogen. Aijf Grund dieser Ueberlieferungen wurden im Exil weitere Schriften zwischen 550—H50 ausgearbeitet, in die die älteren Werke eingefügt wurden. Eine noch spätere Ueberarbeitüng, die bis um 500 v, d. g. Z. hinaufreichen kann, hat erst den jetzigen Text ergeben, an dem aber auch später noch kleine Aenderungen vorgenommen wurden, bis die endgültige Fassung festgelegt wurde.
Wenn die schriftliche Thora demnach in dem Zeiträume vom Auszug aus Egypten