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gion stellt sich die Lehre von der göttlichen Offenbarung am bestimmtesten heraus. Diese ist das besondere Hervor­treten des Gvttesbcwußtseins in begeisterter Erhebung zum Heiligen, und das Kundwerden des göttlichen Einflusses auf das Leben. Was der menschliche Geist im Allgemeinen nur ahnet, tritt hier speciell als gottinnige feste Ueberzeugung hervor. Die Offenbarung erscheint alsdann als eine geschicht­liche Thatsache, als eine Bestätigung der göttlichen Wallung im Menschenleben. Kann die Vernunft einerseits die Mög­lichkeit dieser Offenbarung nicht in Abrede stellen, so nimmt andrerseits der fromme Sinn dieselbe um so gläubiger an, als sie von der Geschichte Jahrtausende hindurch getragen wird und ihm das Heilige näher bringt.- Diesem Glauben ordnet sich die Vernunft gern unter, da sie in demselben einen festen Anknüpfungspunkt findet und im Uebrigen volle freie Thätigkeit behält. Der Prophet ist hier das Organ der Gottheit, der Gottgesandte, um die Menschheit mit Gott zu verbinden. Unter den Propheten erscheint Mosch als der größte. Zn diesem Boden wurzelt die israelitische Got­teslehre. Der einige Gott, dessen Dasein als ein allge­mein Anerkanntes in der heiligen Schrift überall vorausge­setzt und daher nichr besonders gelehrt wird, manifestirt sich hauptsächlich in dreifacher Beziehung: als in All­macht, Allgegenwart und Allwirksamkeit; als in sei­

ner Allwissenheit, Allweisheit und Weltleitung; als^i-^^ in Heiligkeit, Gerechtigkeit und Liebe. Abweisung der Be- haupwng, daß die israelitische Religion den Einigen als ei- I nen Gott der Rache oder der starren Gerechtigkeit darstelle. ! Diese Behauptung widerspricht nicht nur unzähligen klaren Bibelstellcn und überhaupt dem Geiste des väterlichen Ver­hältnisses, in welchem die heil. Urkunden Gott zeigen, son­dern übersieht auch, daß bei Gott nur von ethischer, und nicht von juristischer Gerechtigkeit die Rede sein kann, und daß bei ihm Gerechtigkeit und Liebe verbunden sind.

(Schluß folgt.)

Neuere Anregungen,

betreffend die Emanzipationsfrage. Preußen. Rußland. Frankreich. (Fortsetzung.)

Inzwischen können wir nicht umhin, noch ein Wort über den Inhalt des Briefes des Herrn Staatsrath Streckfuß hinzuzufügen, da er einmal die Oeffentlichkeit erlangt har, und si-mit auf jeden Fall es nicht fehlen kann, daß es als Beleg benutzt werden wird. *)

*) Derselbe lautet im wesentlichen Theile also:

Der Abend, welchen ich neulich in der Gesell­schaft der Freunde zugebracht, hat, wie ich Zhnen mit voller Aufrichtigkteit sagen kann, einen sehr ange­nehmen Eindruck in mir zurückgelassen. Zndrssen kann

Noch immer nämlich bleibt die Frage augen­scheinlich in der untern Region stehen, und ein hö­herer Standpunkt ist nicht angenommen, wie dies auch in dem Zwecke eines Privarschreibens, womit zugleich einer besondern Gesellschaft eine wohlwollende Zunei­gung ausgedrückt werden soll, nicht anders erwartet werden dürfte. Man erkennt leicht, daß die Aeus- serungen betreffend die nunmehrige Ansicht zwar auf das allgemeine Prinzip der Gleichheit zurückgeführt werden, aber auch daß sie dasselbe von zweien Sei­ten zugleich beschränken, und zwar nach außen, in so fern durch dessen Anwendung tief eingewur- zelteVorurtheile angeblich verletzt werden könn­ten, und von innen, in so fern die Befähigung zur Gleichstellung nicht durchweg vorhanden sei, und da­her aus derselben dem Staate Nachtheile entstehen könnten. Den zweiten Punkt findet aber Herr rc. Streck fuß nicht mehr erheblich genug, naivem er sich von der Grundlosigkeit derartiger Besorgnisse überzeugt hat; rvährend der erstere offenbar noch einen Stein des Anstoßes darbietet. Was demnach die Ansicht geändert hat, ist keinesweges die Herr­

sch auch versichern, daß es nicht erst dieses Abends be­durft hat, um mich zu überzeugen, daß es unter den mosaischen Glaubens-Genossen höchst gebildete, edle und wohlgesinnte Männer gebe, die in moralischer und intellectueller Hinsicht mit den besten unter den Christen ganz auf gleicher Höhe stehen. Zn dieser Hinsicht habe ich daher meinerseits kein Vorurtheil abzulegen gehabt, wie Sie, wenn Sie meine so sehr angefochtene Schrift über die Verhältnisse der Zuden zu den christlichen Staaten nochmals mit Aufmerksamkeit durchlesen wollen, wohl erkennen werden. Wohl aber habe ich über die Mittel, die minder gebildeten, in ihrem Separatismus verharrenden und von der übrigen Gesellschaft sich trennenden Zuden in diese Gesellschaft auch wider ihren Willen einzuführen, in früherer Zeit manche Ansichten gehabt, welche die Zeit und weitere Erfahrung berichtigt hat. Da ich meine Ehre darin suche, nicht zu denjenigen zu gehören, welche zu lernen und zu vergessen gleich unfähig sind, und einen abge­legten Zrrthum als solchen zu erkennen, und dieß zu bekennen zu jeder Zeit bereit bin, so gestehe ich auch ohne alles Bedenken, daß ich gegenwärtig, wenn ich auf die Gesetzgebung einen Einfluß hätte, die Eman- cipatjon der Zuden so vollständig, als sie, ohne tief eingewurzelte Vorurtheile der Masse zu sehr zu ver­letzen, irgend möglich ist, für diejenige Maßregel halte, welche alle zeilherige Ucbelstände am leichtesten, sicher­sten, und ohne alle nachtheilige Folgen für den Staat beseitigen würde.