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man sogar das Bedürfnis, diese chaldäischen j mündlichen Überlieferungen geschrieben zu j besitzen und Jonathan ben Ussiel, der Schüler \ Hillels, suchte dieses Bedürfnis zu befriedigen. Auch Jesus sprach aramäisch-chaldäisch. Nikolaus Heim, ein katholischer Theo­loge schreibt:Gleichwohl haben moderne Forscher" es gewagt, diese von allen Seiten längst bestätigte Tatsache in Abrede stellen zu wollen, indem sie sich hauptsächlich darauf zu stützen suchten, daß damals in ganz Pa­lästina das Griechische verbreitet und ver­standen worden sei. Diese Behauptung mag ja recht wohl auf Jerusalem, Cäsarea, Gaza, Tiberias und alle anderen bedeutenden Städte j Palästinas, wo man nebenbei gesagt zu Christi j Zeiten überhaupt die meisten damaligen Welt- I sprachen, römisch, arabisch usw. reden hörte, j ihre volle Anwendung rinden; man verstand j dort sicher gut Griechisch, wenigstens in den ! Kreisen der Kaufleute und der Gebildeten. ! Dessenungeachtet aber war den babylonischen I und noch mehr den palästinensischen Juden, j den Trägern und Verteidigern der väterlichen I Traditionen und Satzungen das Hebräische, j

d. h. das Neuhebräische nicht nur in erster i

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Linie geläufig, sondern sie legten jederzeit \ einen großen Wert darauf, daß nur in dieser j Sprache ihrer Ahnen geredet wurde. In diesem Sinne haben wir die Berichte des Evangeliums zu verstehen, wenn sie sagen (Luk. 9):Und j er kam nach Nazareth, wo er erzogen worden j w r ar und ging nach seiner Gewohnheit am j Sabbath in die Synagoge, und stand auf, um j (die Thora im Althebräischen) zu lesen . . . ; Und er rollte das Buch zu, gab es dem Diener ; und setzte sich. Und er fing an und sprach ; (auf Syrochaldäisch) zu ihnen; an anderer j Stelle: Und nachdem sie den (hebrä- j ischen) Lobgesang gesprochen hatten i (Matth. 26, 30) und mehrere andere ähnliche i Berichte. Selbst später, als Paulus (der i aus Tarsus stammte, mitten im Hethiter- | land. Amn. d. Aut.) nach Beendigung seiner \ dritten 'Missionsreise nach Jerusalem kam, j hörte ihn das auf ihn äußerst erbitterte Juden- \ volk dennoch ruhig an, als er hebräisch, d. h. j

syrochaldäisch zu ihnen sprach. Mit dem Obersten der Burgwache sprach er griechisch. Wenn uns die Evangelisten einzelne Worte Christi recht ursprünglich darbieten wollen, so sind es neuhebräische, d. h. syrochaldäische Ausdrücke: Talitha kumi (Mägdlein, steh auf), Eloi, Eloi lama sabachtani (Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?) Von seinen Aposteln und Jüngern wird Jesus stets mit Rabbi angeredet, wie auch von anderen z. B. von Magdalena. (Joh. 1, 38; Mark. 10, 51; Joh. 20, 16; Matth. 27, 46). Zwischen Jesus und Pilatus wurden die Unterhandlungen ge­wiß nicht aramäisch oder lateinisch, sondern höchst wahrscheinlich nur griechisch geführt und auch Maria Magdalena bediente sich möglicherweise in ihrer Unterhaltung mit Jesus, als einem vermeintlichen Gärtner, der grie­chischen Sprache so lange, bis sie ihn er­kannte, worauf sie sofort zu der im früheren Verkehr mit ihm gewöhnlichen Aramäischen übergeht, indem sie ihnRabbuni" anredet."

Jesus erwies sich auch darin als echter Palästinenser, daß er fast nie ohne Gleich­nisse sprach, und sehr gern und häufig in Parabeln ; auch für Sprichwörter hatte er eine Vorliebe; diese Vorliebe, seine Meinung in ein Gleichnis zu hüllen, war dem jüdischen Volke angeboren, ebenso die Freude an Sprüch­wörtern, die ein ganzes biblisches Buch mit 31. Kapiteln füllen.

Ich kann natürlich nur den anthropolo­gischen Momenten einen entscheidenden Wert als Antwort auf die Frage nach der Passen­zugehörigkeit Jesu zusprechen; als unter­stützendes Moment sind jedoch diese philo­logischen und psychologischen Motive eben­falls geeignet, die Ansicht zu stützen, daß Jesus, die Richtigkeit der Tradition als ge­geben vorausgesetzt, der hethitischen Rasse entsproß; eine große Wahrscheinlichkeit spricht für einen mittelländischen (semitischen) Ein­schlag ; ein nordischer (amoritischer, aber nicht griechicher) ist möglich, aber nicht wahr­scheinlich. Wenn wir nun nach der jetzt herrschenden Theorie, eben diese drei Kom­ponenten, in absteigender Stärke, als Kom-