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Seit den 80er Jahren erhält die Entwicklung der jüdischen Ehen sowohl für das ganze Land als auch für die einzelnen Gouvernements einen gleichmäßigen Charakter. Da wir keine Angaben über den Stand der jüdischen Be­völkerung für jedes Jahr haben, so haben wir keine Möglichkeit, die relative Bedeutung unserer Heirats Ziffern zu prüfen, und wir können nur bei jenen Jahreszifrern stehen bleiben, wo sich so schroffe Abweichungen von der allgemeinen Entwicklungslinie zeigen, daß man keinesfalls entsprechende Verände­rungen in der Bevölkerungsziffer annehmen kann. Solche Abweichungen sehen wir im Jahre 1881, wo die Heiratsziffer auf 9 0 / 0 ge­stiegen ist, 1882 (+ 11%); 1883 ( 6%); 1884 (+ 9,3o/ 0 ), 1888 (+ 9%), 1891 (+ 9%), 1893 (+ 12,9%) und 1897 ( 2,7 %). Diese Abweichungen werden nur 1887 von einer entsprechenden Veränderung in der Heirats­ziffer der Gesamtbevölkerung begleitet und können daher nur in diesem Jahre auf irgend­welche allgemeinen Ursachen, die sowohl die jüdische als auch die allgemeine Heiratshäufig­keit beeinflussen, zurückgeführt werden. Das­selbe trifft für den Ansiedlungsrayon 1881, 1882, 1888 und 1891 zu.

Daneben sehen wir, daß auch die Schwankungen in der jüdischen Heiratsziffer nicht immer alle Ortschaften zugleich ergreifen. Nur 1894 bemerken wir ein Steigen der allge­meinen Heiratsziffer in allen Gouvernements des Ansiedlungsrayons. Sonst trifft es zu, daß ein Steigen der allgemeinen Heiratsziffer von einem Sinken der Heiratsziffer in den einzelnen Gouvernements begleitet ist. So fiel die Heiratsziffer 1881 im Bessaraber Gouvernements auf 11,2, 1882 in den Kawnaer und Podoler Gouvernements auf 14,3 bezw. 9,3 %, 1888 im Kownaer und Taurischen Gouvernement auf 10,2 bezw. 22,5%, 1891 im Kownaer und Taurischen Gouvernement auf 45,9%, während die allgemeine Heiratsziffer stieg. Ebenso wurde das Sinken der allgemeinen Heiratsziffer im Jahre 1883 von einem Steigen der Heiratsziffer im Gouvernement Tschernigoff begleitet.

Indem wir auf all diese Verhältnisse und Schwankungen hinweisen, halten wir es doch für unmöglich, die Ursache festzustellen, die sie hervorrufen dürfte. Die einzelnen Jahre, an welchen ein Steigen der Ehen zu merken ist, bieten sowohl in politischer als auch in ökonomischer Hinsicht keine günstigenHeirats- bedingungen. Umgekehrt hätten die Pogrome der 80 er Jahre und die, die ökonomische Lage der Juden im ganzen Ansiedlungsragons berührende, Ausweisung der Juden aus Moskau in den 90 er Jabren, ganz andere Folgen erwarten lassen. Daher müssen wir die gezeigten Schwankungen teilweise ver- schiedenenZufällen,teilweise der Nachlässigkeit der Registrierung zuschreiben, die häufig die Ehen vom Ende eines Jahres auf den Anfang eines Anderen überträgt, was das Scheinbild schroffer Schwankungen hervorbringt. ;{ ) Die letztere Annahme gewinnt dadurch an Wahr­scheinlichkeit, daß in vielen Gouvernements, wie namentlich in Bessarabien, nach den schroffen Steigerungen der Heiratsziffer sogleich ein eben­so schroffes Sinken folgt. Das Sinken der all­gemeinen Heiratsziffer im Jahre 1897 könnte noch vielleicht durch die Einführung des Brannt­weinmonopols erklärt werden, welches die ökonomische Lage der jüdischen Schankwirte aufs Schwerste beeinflußt hat.

Im Ganzen stieg die Heiratsziffer der Juden von 1880 bis 1902 auf 88,7%, d. h. fast aufs Doppelte. Von 1882 bis 1892 ist ein Steigen von 25,8 %; von 1892 bis 1902 ein Steigen von 26,9% zu verzeichnen.

Da die Zahl der jüdischen Ehen, die außerhalb des Ansiedlungsrayons geschlossen werden, ganz unbedeutend ist, zeigt die Entwicklungslinie der Ehen für den Ansied­lungsrayon fast dasselbe Bild wie für das ganze Europäische Rußland. Von 1882 bis 1902 ist die jüdische Heiratsziffer im Ansied­lungsrayon 90,9 0 /o, von 18801890 auf 27,3 von 18921902 auf 26,5 o/ 0 gestiegen.

Die einzelnen Gouvernements zeigten die größten Schwankungen Bessarabien im Jahre 1882 (+ 28,4%) und 1889 ( 20,3%), ferner 1894 (+ 72 %) und 1898 ( 48%);