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Was hier zuerst in die Augen springt, ist die verschiedene Besetzung der Geschlechter bei den beiden Bekenntnissen. Während bei den Juden das Verhältnis zwischen den er­krankten Männern und Fraueu etwa dem normalen entspricht, indem im Verlaufe von drei Jahren 35 Juden und 31 Jüdinnen an Rückfalltyphus litten, beträgt bei den Christen die Zahl der erkrankten Männer das Mehr­fache der erkrankten Frauen. Eine Lösung für diese Erscheinung haben wir in der Tat­sache, daß von den erkrankten Christen viele aus den verschiedenen Nachtasylen stammten. So wurden in diesen im Ganzen 130 Rück­falltyphuskranke aufgefunden und zwar 80, darunter nur 1 Frau, im Jahre 1908, 16 im Jahre 1909 und endlich 34 im Jahre 1910. Außerdem waren noch 11 Kranke des Jahres 1908 Sträflinge. Mehr als ein Drittel aller christlichen Männer waren somit Nachtasyl- bewohner und da die Epidemie im städtischen Nachtasyl zuerst festgestellt wurde, die Krank­heit also dorthin von außen durch neue Zu­zügler gelangt ist, um sich erst von dort aus weiter über die Stadt zu verbreiten, so ist an­zunehmen, daß der Rückfalltyphus in unserem Falle eng mit dem Vagabunden­tum verbunden ist.

Dies ist wohl auch die Ursache dafür, daß die Juden, die sich durch große Stätigkeit auszeichnen, unter den Rückfalltyphuskranken J

Tabelle VI. Cholerakranke.

viel weniger vertreten sind als ihrem Be­völkerungsanteil entspricht, indem unter 100 Erkrankten nur 12 Juden waren. Und wenn wir auch die Gesamtzahl der Erkrankten (542) um die Zahl der Nachtasylbewohner (130), als fluktuierendenBestandteihvermindern, so steigt der Prozentsatz der erkrankten Juden nur um 4 Einheiten in die Höhe und erreicht die Zahl 16, die noch immer um das Zweieinhalbfache geringer ist, als die Judenstärke beträgt.

Bemerkenswert ist weiter, daß von den Juden keine einzige Person an Rückfalltyphus gestorben ist, während die Christen für das in Rede stehende Triennium 9 Tote zählten und somit eine Sterblichkeit von 2 Prozent aufwiesen. Wenn somit die Epidemie ihren Folgen nach im Allgemeinen auch zu den äußerst leichten zu rechnen ist. so ist doch

ihr absolut ungefährlicher Verlauf unter den Juden nicht als bloße Zufälligkeit zu betrachten. Es wäre aber verfehlt dafür eine innere Ur­sache zu suchen, umsomehr als wir für die geringere Morbidität der Juden teilweise in der rein äußeren Erscheinung ihrer Stätigkeit eine genügende Erklärung gefunden haben. Wie aber das Fehlen des Vagabundentums unter den Juden nicht die alleinige Ursache ihrer geringeren Morbidität ist, so werden auch die anderen Ursachen dafür sowie die des gutartigen Verlaufs wohl nur rein äußer­licher Natur sein.

Alter

Juden

Männer; Frauen j Zusammen

Männer| Frauen! Zusammen ji

Christen

Summa

0- 1

1 5 6-10

1120 2130 31-40 41-50 51-60 61-

i m

1

3 [1J

1 [1J

A PI!

3 111;

O j

4 [4]! 2 [1] 1

2 2 2

14 10

5 8 3

2 2 2

18 10 6 8

Zusammen.........

Gestorben.........

Gestorbene in Proz. der Erkrankten

40,0

27 20

21

8

48 28 58,3

53 30 56,6

Von 100 Erkrankten waren. Von 100 Gestorbenen waren

9,4 6,7

90,6 93.3

x ) In den Klammern die Zahl der Gestorbenen»