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a. Jahrg ang. Allgemeine

Zeitung des Zudenthums.

Ein

unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse.

Herausgegeben von

Rabbiner Dr. Ludwig Philippfon in Magdeburg.

Leipzig, den 18. Januar 1858.

Diese Zeitung erscheint wöchentlich einmal, Montags, und wird jäbrlich gegen 80 Dogen und darüber in Quart incl. des Titel-, Re«

gisters u. s. w. umfassen. In Gemäßheit des Zweckes, derselben die allgemeinste Verbreitung zu geben, ist der Preis äußerst nie­drig: mit 3 Thlr. für den Jahrgang; 1 Thlr. 15 Ngr. für sechs Monate 2 2' 2 Ngr. für das Vierteljahr angesetzt worden. Me

Buchhandlungen, Postämter und Zeitungs-Expeditionen nehmen Bestellungen an; der Hanptspedition für beide Letztere hat sich die stönigl. Sachs.

Zeilluigs- Expedition allhier unterzogen.

Inhalt.

Leitende Artikel: Ein Blick in die Gegenwart des Juden- tbums. Vom Institute zur Förderung der israelitischen Literatur.

Zeitungsnachrichten: Deutschland: Gießen, Darmstadt, Hannover, aus Oberheffen. Preußen: Gleiwitz. Oester- reichi scher Kaiser st aat: Wien, aus dem Tokayerge- birge. Eperies. Frankreich: Paris. Dänemark: Kopenhagen.

Leitende Artikel.

Magdeburg, 11. Januar.

Ein Klick in die Gegenwart des Judentums.

Wir haben schon in dem Artikel der vorigen Num­mer bemerkt, daß auch innerhalb des Zudenthums ge­genwärtig die Parteien als solche zu bestehen und sich geltend zu machen aufgehört haben. Es versteht sich von selbst, daß nicht die Ansichten an sich geschwunden sind; gerade im Juventhume, das seinen Lehrinhalt in einen so großen Körper von Satzung, Ceremonie, Symbol und Brauch eingelebt Hai, müssen die verschiedenen religiösen Ansichten um so erkennbarer zu Tage kommen, als sie sich in größerer oder geringerer Uebung jener verkörpern. Eben so find diese verschiedenen Ansichten, wie sie sich in ganzen Gemeinden vorsinden, auch in deren Cultus, ob er mehr oder weniger einer Reform sich genähert habe, zu erkennen. Nichts desto weniger können wir behaup­

ten, wenn wir den Blick über die Gesammtheit streiken lassen, daß diese Ansichten aufgehört haben, zu einer le­bendigen Parteibildung zu werden, selbst wenn auch in dieser oder jener Gemeinde noch etwas davon übrig wäre. Entschiedene Reformbestrebungen, mit Energie bis an ein mehr oder weniger ertremes Ziel, finden nirgends statt; eben so entschiedener Widerstand der stabilen Seite macht sich wenig bemerkbar; in vielen Gemeinden geht man all- mählig in kleinen Schritten vorwärts; in den meisten verbleibt man auf dem bisherigen Standpunkt; in man­chen geht man rückwärts, indem man Das, was man schon aufgebaut, wieder verfallen läßt. Blicken wir nur um ein Jahrzehend und einige Jahre zurück, wo ist der Eifer geblieben, ja sogar der Eclat, mit welchem die Re­formpartei entweder die Gemeinden vorwärts zu bringen und eine völlige Umgestaltung zu bewirken strebte, oder 'sich innerhalb der Gemeinden zu einer eigenen Genossen­schaft schaarte? Und sehen wir nur auf einige Jahre zurück, wo ist die Energie geblieben, mit welcher in der Hoffnung auf besondere Unterstützung von Seiten der Re­gierungen die stabile Partei die Obmacht wieder zu ge­winnen glaubte? Sowohl in der Literatur, als auch in den Gemeinden hat man sich stillschweigend geeinigt, die scharfen Ecken nicht zu berühren, und im Uebrigen sich ruhig gehen zu lassen und langsam der Richtung zu fol­gen, welche einmal in einer Gemeinde herrscht. Von der einen Seite spricht man von Klugheit und Billigkeit, auch den stabilen Theil der Gemeinde nicht zu verletzen, von