scheuer Mann, im Bezirke des hiesigen Kreisgerichts, entsprossen aus hohem Adel, heirathete vor mehreren Jahren ein Mädchen niederen Standes; die Ehe ist mit Kindern gesegnet und in ihr besteht die größte Eintracht. Jetzt hat die Staats-Anwaltschaft in Betreff dieser Ehe Klage erhoben, welche in der Abkürzung lautet: Der Herr R. ging die Ehe ein, ohne daß seine nächsten Verwandten desselben Namens und Standes eingewilligt haben, ohne daß die Dispensation von dem Landesherrn unmittelbar ertheilt worden ist; sie ist daher nach 11.1., tz. 230—233 des A. L.-R. nichtig, uyd es wird beantragt, dieselbe für nichtig zu erklären. Das hiesige Kreisgericht hat die Klage durch Beschluß vom 9. d. M. zurückgewiesen, weil durch die Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat alle Staatsbürger vor dem Gesetze gleichgestellt und alle der Verfassung zuwiderlausende Gesetze aufgehoben seien. — Die von der Staats-Anwaltschaft erhobene Beschwerde hat das Appellations-Gericht als unbegründet zurück gewiesen."
Hier ist also abermals durch zwei richterliche Instanzen die Ungültigkeit von Gesetzen, welche den Bestimmungen der Verfassung widersprechen, feierlich erklärt und hiermit auch von richterlicher Seite alle Bestimmungen des angeführten Judengesetzes, welche der Verfassung wl- versprechen, für ungültig erklärt. Bei der Unverletzlichkeit der richterlichen. Entscheidungen, welche das jetzige Ministerium soeben so nachdrücklich accentuirt hat, müßten jene auch in unseren Angelegenheiten entscheidend sein.
Zerstreute Bemerkungen.
9. Menschenopfer.
Es ist das Verdienst des absterbenden Heidenthums gewesen, die Menschenopfer wenigstens im Umkreise des damaligen römischen Reiches abgeschafft zu haben. Es gelang ihm dies aber erst unter dem Kaiser Hadrian (I l7 nach der gew. Zeitr.), wie uns eine Notiz eines gewissen Pallas berichtet, obwohl die römische Polizei sie schon früher zu hindern versuchte. So waren noch zu des Theophrastos Zeiten (st. 285 vor d. gew. Zeitr.) nicht blos bei den Karthagern, sondern auch mitten in Griechenland Menschenopfer bei den Arkadern gewöhn- pch, die sie dem Lykaischen Zeus brachten. Ja noch
mehr, dieselben Opfer wurden, wenn auch aus Furcht vor der römischen Polizei, im Geheimen zur Zeit des griechischen Reisenden Pausanias (170) noch gebracht.*) Welch ein strahlendes Licht wirft dies auf das israelitische Alterthum, wo nicht allein das mosaische Gesetz jedes Menschenopfer bei Todesstrafe (3 Mos. 20, 2—5) sondern schon Abraham durch Thieropfer beseiügte. Denn offenbar lehrt 1 Mos. 22 nichts Anderes, als daß wir zwar befähigt sein sollen, dem Willen Gottes auch das Theuerste hinzugeben, was wir besitzen, daß dies aber niemals in einem Menschopfer bestehen dürfe. Drang nun auch mehrmals der phönizische Molochdienst zur Zeit der Könige in Israel wieder ein, so verschwand er doch mit dem ersten Falle Jerusalems, also doch 7 Jahrhunderte früher, als das Machtgebot der römischen Kaiser das Menschenopfer aus den damals civilisirtesten Völkern entfernen konnte.
10. Sabbathfeier in England.
Wenn von der strengen Sonntagsfeier in England die Rede ist, so Pflegen deutsche Schriftsteller nicht zu vergessen, sie als eine Entlehnung der jüdischen Sabbathfeier zu bezeichnen, womit sie denn nicht den freundlichsten Sinn verbinden. Allein der Vergleich ist unpassend. In einigen Kleinigkeiten ist das rabbinische Sabbathge- setz strenger als das englische; dagegen geht dieses in sehr wesentlichen Punkten weit über das jüdische hinaus. In diesem Winter hatte sich eine Anzahl sehr bedeutender englischer Gelehrten zusammengethan, um am Sonntag Abend populär-wissenschaftliche Vorträge zu halten. Kaum war die dritte Vorlesung zu Ende, als die Urheber vor die Kings-Bench geladen wurden, um sich wegen Sabbathverletzung eine Strafe von 200 L. St. dictiren zu lassen; die Vorträge waren-polizeilich sistirt. Diese Beurtheilung fand 'bie Sache aber nicht blos bei den Behörden, sondern sie war dermaßen im Sinne des großen Publikums, daß fämmtliche Zeitungen Londons über die ganze Angelegenheit nicht zu sprechen wagten. Bekanntlich ist es jüdischer Brauch, am Sabbath Nachmittag Vorträge und Disputationen zu halten.
*) Siehe Bernays, Theophrast über Frömmigkeit. Breslau 1866. S. 29. 116.