149

Prinzip der Selbsthilfe, das 'in unserer Zeit so siegreich zur Geltung kommt. Wir müssen das ist meine Ansicht aus jüdischen Mitteln Gymnasien, Real­schulen und andere Lehranstalten gründen, auch die Mittel beschaffen, das ganze jüdische Schulwesen von oben herab durch jüdische Organe leiten zu lassen, und dann dem Staate die oberste Leitung übergeben.

Zu dieser Ansicht drängt mich vor Allem die Aus­sichtslosigkeit, die Schulangelegenheiten nach unseren Wünschen sich gestalten zu sehen. Denn alle anderen Stücke, die uns zur Verwirklichung des §. 12 der Verfassung fehlen, werden in Preußen und in ganz Deutschland uns eher zufallen, als das Zugeständniß, daß jüdische Lehrer an den sogenannten christlichen Lehranstalten wirken sollen. Zwar ist die Bezeichnung christlicher Lehranstalten schon vor Jahren in einer anonym erschienenen Broschüre, wie ich glaube, sieg­reich bekämpft worden; aber von einem Erfolge ist doch bis jetzt Nichts zu verspüren.

Es bewegt mich ferner zu meiner Ansicht die Rück­sicht auf die religiöse Erziehung der jüdischen Schüler an den höheren Lehranstalten; denn die meisten der­selben genießen gar keinen, oder doch nur einen höchst mangelhaften Religions-Unterricht. Meines Erachtens müßte ein gewaltiger Umschwung in der religiösen An­schauung unserer Gebildeten Platz greifen, wenn bis in die höheren Gymnasial-Claffen hinauf ein geläu­terter jüdischer Religions-Unterricht bei den Jünglingen Hand in Hand ginge mit ihren Fortschritten in dem profanen Wissen.

Vergessen wir ferner nicht der Zurücksetzung, welche die jüdische Jugend noch an sehr vielen höheren Lehr­anstalten erfährt. Bei dem treuesten Fleiße, bei den trefflichsten Leistungen und allen anderen Vorzügen kann es der jüdische Schüler nicht zum Primus der Classe bringen, wenn wir auch gar nicht daran erinnern wollen, daß vorurtheilsvolle Lehrer außerdem noch sehr oft unserer Jugend ihr Judenthum fühlbar machen.

Trotz der Verfügungen der obersten Staatsbehörden werden doch die jüdischen Schüler noch in vielen Schu­len zum Schreiben am Sabbath angehalten, ja, es ist schon vorgekommen, daß die Aufnahmeprüfung neuer Schüler am Versöhnungstage stattfand. .

Unter solchen' Umständen möchte es wohl gerathen sein, darauf Bedacht zu nehmen, daß wir uns selbst höhere Lehranstalten gründen. Es kommen dabei aller­dings sehr viele Punkte in Betracht, deren Erörterung

die Beschränktheit des Raumes verbietet, und ich 'Muß? mich damit begnügen, den Gedanken angeregt zu haben. Vor Allem wichtig ist wohl die Frage, wie der Fonds zu solch großer Unternehmung zu beschaffen sein möchte. Daß sich ein solcher in kurzer Zeit nicht zusammen­bringen ließe, das ist wohl anzunehmen. Aber die Sache muß angeregt werden. Durch eine fortgesetzte Sammlung von Beiträgen, durch etwaige Legate und Stiftungen könnte bei dem milden 'Sinne unserer Glaubensgenossen mit der Zeit ein Capital zusammen- gebracht werden, das für unsere Zwecke, hinreichte. Es braucht ja auch nicht Alles auf einmal geschaffen zu werden. Dauert es lange, kommt selbst die Zeit heran, in welcher die confessionslyse Schule zur allgemeinen Geltung gelangt,- so haben wir doch nicht umsonst ge­wirkt; denn di<Lehranstalten, die wir gründen wollen, werden dem mit jedem Tage stärker und allgemeiner werdenden Bedürfnisse nach höherer Bildung ihres Theils eine erwünschte Aushilfe gewähren.

vr. W. Mattersdorf.

Nachdem, der Redaction. Wir geben diesen Artikel, weil wir jedem Gedanken,, der sich mehrseitig kund macht, den Ausspruch gewähren müssen. Uns aber erscheint die Sache aus inneren und äußeren Gründen unübersteigliche Hindernisse zu haben. Kön­nen wir ja nicht einmal die Kräfte finden, gute Leh­rerseminare und theologische Lehrstühle zu gründen!

Oesterreichischer Kaiserstaat.

Nutz dem Tokajergebirge, im Januar. (Privatm.) Unter den Rabbinaten Oberungarns', welche seitens des hohen königlichen ungarischen Statthaltereirathes in Ofen das Oeffentlichkeitsrecht für ihre Jeschibas, behufs Militairbefreiuung nicht erhielten, befindet sich auch das tokajer, doch dürfte diese Ausschließung mehr auf einem Versehen beruhen, da sich die Rabbinate in Tolcsva, Müd, Nagy-Mihüly u. s. w. dieser Begün­stigung erfreuen. Es wäre höchst wünschenswerth, wenn diese mit dem Oeffentlichkeitsrecht versehenen Jeschibas auch die elementaren Schulfächer pflegen möchten, und dürfte die hohe Regierung bei gehöriger Motivirung diesem unserem Anträge nicht abgeneigt fein, durch Un­terstützung aus dem Schulfonds dem Schulwesen Ober­ungarns unter, die Arme zu greifen.

Der geregelte Gottesdienst fängt allmählig an, auch