36. Jahrgang. Allgemeine 15.

Zeitung des Zndenthums.

^ -- Ein

unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse.

Herausgegeben von ^

Rabbiner Dr. Ludwig Philippson in Bonn.

Leipzig, dm S. April 1872.

Soft

««ta erscheint wöchentlich einmal Dienstag«, in 2 bis 2»/, Boqen. Preis de« Jahrgangs 4 Thlr. Halviahrig 2 Mr. Dierteljährigl Mlr. «r nüt 2 Ng^ für die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Alle BuchhcEmaen, Postämter und ZeitnngS-Expeditionen nehmm Bestel- lungm an; der Haupt-Expedition für beide Letztere hat sich daS KSnigl. Glichs. Haupt-ZeitungS-Bureau unterzogen.

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Leitende Artikel t vr. Raphael Jakob Kosch. Zeitungsnachrichten r Deutschland: Berlin, Thorn, Aus dem Großherzogthum Sachsen. Oesterreichisch- üngarische Monarchie: Wien, Lemberg. Frank­reich: Paris. Großbritannien: London. Rußland: Petersburg, Rußland und Polen, Odessa. - Feuilleton - Beilage r Vertrauliche Briefe. IX. Ver> mischteS.

Leitende Artikel.

Bonn., 31. März.

vr. Raphael Äakod Losch.

Am 27. d. 'verschied nach längerem Leiden der all­verehrte Abgeordnete vr. Kosch, dem wir hier mit tief­bewegtem Herzen einige Worte deS ehrendsten Andenkens, der vollen Anerkennung, deS wärmsten Dankgefühls nach­zurufen unS verpflichtet fühlen. Unsere Leser wissen, daß wir niemals zögerten , solche Worte auch dem Le­benden auszusprechen. Wir hatten nicht das Glück seiner persönlichen Bekanntschaft, aber alle Thaten wäh­rend eines bewegten LebenS, alle Aeußerungen deS treff­lichen Redners zeichnen seine Gestalt in bestimmter, edelster - Weise ab, und mehrfache Correspondenzen und schriftliche Verhandlungen mit ihm bekräftigten unS das Bild einer eben so noblen wie liebenswürdigen Persön­lichkeit. Schon in der Feuilletonbeilage zu: Nr. 9 vom

I. 1867 haben wir eine biographische Skizze gegeben, aus welcher wir jedoch hier die wesentlichsten Momente wiederholen wollen.

WaS vr. Kosch.auszeichnet, ist der Umstand, daß er in allen Ricktungen, nach welchen hin er sich bewegte^ sich die höchsten Ziele steckte und eine bedeutsame Stufe erreichte. Er war ein durchaus wissenschaftlich gebildeter Arzt und von anerkannter praktischer Tüchtigkeit; von nicht gewöhnlicher Beredsamkeit als Volksredner und als Redner in der Kammer, doch nur dann das Wort ergreifend, wenn er wichÜgeS und gewissermaßen ent­scheidendes zu sagen hatte; consequent in seinen Grund­sätzen und treu an ihnen hängend, war er doch kein Principienreiter, der keine Linie von der vermeintlichen Folgerung auS den Grundsätzen abweicht, sondern er verstand eS, obwohl ein unerschütterliches Mitglied der Fortschrittspartei, dennoch den praktischen Verhältnissen ihren Einfluß zuzugestehen. Hiermit verband er eine glaubenstreue Ueberzeugung für das Judenthum, dessen Interessen er mit einem seltenen Freimuth und mit wah­rer HerzenSwärme vertrat; er that dies nicht blos, wie es selbst Rieffer mehrfach ausgesprochen, aus Rechts- .principien und um das Recht zu verfechten, sondern auch als Jude, als aufrichtiger Bekenner des JudenthumS, dem er auch in praktischer und specifischer Weise seine Dienste nicht vorenthielt. Diese kurze Charakteristrung überzeugt den Leser, daß er hier eine nach menschlicher Werse vollendete Natur nach allen Seiten hin vor sich hat, als Mann der Wissenschaft und der Kunst, als Glied der menschlichen Gesellschaft, als Bürger. des