A l l g t ut eine
Fenillelon-Mlage Ur. 15.
l Leipzig, den 9. April 1872.
Vertrauliche Briefe.
ix. - ' ^
Sie haben mir, werther Freund, eine ganze Reihe von Thematen aufgestellt, über die ich Ihnen meine Ansichten aussprechen soll. Nun, wenn Sie Geduld haben und mir Zeit lassen, will ich Ihrem Wunsche Nachkommen, nur daß ich Ihnen den Erfolg nicht überall verbürgen kann. Giebt es doch Dinge, mit denen wir im Leben nicht fertig werden , da immer neue Erfahrungen unsere Ansichten modificiren.
Ruhm! Sie wollen wissen f , was ich vom Ruhme halte! Nun,, man könnte versucht sein, sich die Sache leicht zu machen und in jene Ironie einzustimmen , mit welcher nicht zu verachtende Weise die Nichtigkeit des Ruhmes, feine Vergänglichkeit, oftmalige Ursachlosigkeit, seinen Mangel an Wesenheit besprochen haben. Wer da sagt — und fast alle Menschen sagen es -einmal im Leben >— „alles ist eitelder wird den Ruhm als die eitelste der Eitelkeiten verächtlich behandeln. Ich bin - dieser Meinung nicht.
Daß der Ruhm und^ die Begierde nach Ruhm sehr alte Erscheinungen sind, lehrt uns die - Schrift, da sie schon vor der Sündfluth von „Männern des Ruhmes" spricht, die von „jeher" existirten (1 Mos. 6, 4 ). Auch reden manche Sprüche von dem-, Werthe des Ruhmes oder seiner minderen Abstufungen, wie das unnachahmliche Wortspiel: „Ein guter Name ist besser als gutes Oel" und der talmudische Warnruf: „Wer nach Ruhm jagt, verliert Ruhm." Klagt doch Hiob bitter über den Verlust seines Ansehens, seiner Ehre, der ihm durch sein Unglück bereitet worden war,-
Es ist nicht schwer zu erkennen, daß in dem Men- i schen ein natürlicher Trieb nach Ehre und Ruhm vorhanden ist. Der Mensch will unter seinesgleiHen, sei es ' durch seine Eigenschaften und Fähigkeiten - sei es durch die Verwendung derselben in Wort und That sich. auszeichnen, bekannt und anerkannt sein, hervorragen.: Vergebens stemmten sich in - den kurzen Zeiträumen, in * welchen eine radicale Demokratie herrschte, -die. Führer f
gegen die Auszeichnung von Individuen, und versuchten alle Größen im Blute zu ersticken — sie selbst waren die ersten, welche nach Ansehen und Ruhm dürsteten, und der Gleichmacher Robespierre ging bei den öffentlichen Festen absichtlich allen seinen Collegen voran, um sich als den ersten des ganzen Volkes , als den Herrn der Situation zu bezeichnen. Auch entgeht wohl kein Sterblicher dem Verlangen nach Auszeichnung und Anerkennung, und mit Recht hat man dem Diogenes, der den Alexander bat, ihm aus der Sonne zu gehen, kein geringeres Maß von Ruhmsucht zugeschrieben, als dem Alexander selbst, der sich dazu offen bekannte. „Antisthe- nes, durch die Löcher Deines Mantels sehe ich Deine Ehrsucht blicken!" rief Sokrates dem mit seiner Armuth und seinem Schmuze prunkenden Collegen zu. Ueberall, wo sich eine Gesellschaft von Menschen bildet, tritt die Ehrsucht sofort auf und schafft sich äußere Attribute und Symbole, durch welche der einzelne vor den anderen sich bemerklich machen könne. Auch die rohen Indianer haben ihre Ordenszeichen, und zwar nicht blos in den Skalpen der getödteten Feinde und in den Bildern, die sie sich eintätowiren, sondern auch in Armringen aus Knochen, welche die Führer vertheilen.
Das« Schlimmste ist nur, daß es dieser Ehr-und Ruhmsucht gar nicht auf den Gegenstand ankommt, an dem sie ihre Befriedigung sucht. Der Dieb will unter seinen Diebsgenvssen durch seine Schlauheit und Gewandtheit hervorragen; der Wüstling der anerkannteste in seiner Gesellschaft sein; der Gottesläugner prunkt mit seinem Atheismus, und sieht sich auf der Höhe, hoch über der ganzen Menschenheerde, die ihren Gott, anbetet. und gläubig verehrt.
- Wer kann also übersehen, daß Ehrgeiz und Ruhmsucht ein dem Menschen.eingesenkter Trieb ist, in allen, zu allen Zeiten und Überall vorhanden ist, sich entwickelt und Triebfeder für Thun und Lassen wird? Ebenso, wie der Gesellfchaftstrieb, ist auch jener dem Menschen natürlich, mit seiner Natur unabweislich verwachsen...Ob in kleinen oder großen Kreisen, jeder will etwas -sein, etwas gelten, mehr sein und mehr gelten als andere. Einen solchen Factor darf.man nicht mit einem kürzen.Worte abweisen und bei, Seite schieben wollen: er muß noth- - wendig, er muß etwas werth sein. -7:..?^-.