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einiger Rabbiner angemelret. Das Werk der orientalischen Schulen schreitet fort, macht aber durch die mit ihm verbundene Unbeständigkeit viel Mühe und Sorge. Ans Marokko wrrr trotz der Verheißungen des Sultans die arge Mißhandlung eines Israeliten gemeldet, weil er unvorsichtiger Weile die fremden Gesandten gelobt, die durch ihre Bemühungen bewirkt hatten, daß in Ducalla der Wcchenmarkt, der willkürlich von Montag auf Samstag verlegt worden war, auf Montag zurückverlegt würde.
Großbritannien.
London, 19. Juli. Man schreibt von hier:
„Sir David SalomonS, der sich mit dem Premier Gladstouc in die Vertretung des Fleckens Greenwich im Unier- hause theilte. ist gestern hier nach mehrulonatlichem Krankenlager im Alter von sünfnudsiebzig Jahren gestorben. Ter verstorbene Baronet war der erste Jude, der in das englische Parlament gewählt wurde. Im Zähre 1855—5(> war er Lordmayor der City von London, nachdem er vorher die Würden eines Sheriffs und Aldermans bekleidet halte. Er machte sich auch als sinan- cieller Schriftsteller bekannt. Das jüdische Gemeinwesen in England verliert in ihm einen warmen Vertheidiger seiner Interesse«. Der Baronetstitel geht an den Neffen des Verstorbenen, Herrn ^ David Lionel Salomons, über."
. Allerdings hat die englische Judenheit an diesem höchst eh- renwerthen unv außerordentlich geachteten Charakter viel verloren. Er war in bürgerlicher Beziehung einer der Bahnbrecher für die JuvenEnglanrs; und da dies stets auch eine allgemeine Seite hat, weil es ein wesentliches Stück der allgemeinen politischen und socialen Entwickelung ausmacht, so hat sich der Borstorbene eine Stelle in der Geschichte nicht bloß der Juden, sondern auch Englands selbst erworben. Um zu dem Ziele zu gelangen, welches er erreichte, vom Sheriff bis zum Sitze im Unterhause, bedurfte eö, außer dem tadellosesten Privatcharaktcr und vielfach bewährtem Eifer in den Angelegenheiten der Stadt und des Staates, auch noch der größten Zähigkeit und Ausdauer, die, entfernt von aller Zudringlichkeit, jedes erreichte Recht festhiett, bis es anerkannt worden war. Tenn auf jedem Schritte stand ihm als Juden nicht sowohl ein englisches Gesetz, als vielmehr eine zur Gewohnheit gewordene Formalität, wie Eidesformeln u. dgl. entgegen. Man weiß, wie tief gewnrzelr solche Dinge bei den Engländern sind, und wie die allgemeinste Gesinnung im Volke und die Festigkeit der betroffenen Persönlichkeiten erforderlich sind, um jene Schwierigkeiten zu brechen. Jetzt freilich liegt die Sache rollig anders, und bald werden die englischen Juden keinen Begriff mehr davon haben, welche Hindernisse ihre Väter zu überwinden hatten, um das volle bürgerliche Recht in dem freisinnigen, aber durch hergebrachtes Forunvesen nach allen Seiten hin gefesselten England zu erlangen. Sir David
Salomons steht hier als der Erste, der dieses Ziel unv zwar für alle seine Glaubensgenossen erreichte. Salomons war ein treuer Anhänger seiner Religion und gehörte der Reformge- meinee an. Auch hier halte er das Glück, das Ziel erreicht zu sehen, nämlich die Anerkennung und Ausgleichung Seitens der orthodoxen Gemeinden. So hat Salomons ein bewegtes, kampf- reiches, aber auch durch die Erlanguug großer Erfolge glückliches Leben zurückgelegt.
Rußland.
Warschau, im Juni. tPriratmitth.) Denk Circulare des warschauer Lehrbczirkes entnehmen wir, daß Herr l)r. Karl Hertz, Lehrer der Matheutatil am zweiten Gymnasium, vom Kaiser den Stanislausorten dritter Classe erhalten habe, sowie daß dem is- raelilifchen Religieiwlehrer am ersten Knaben-.und vierten Mädchengymnasium. Herrn Bernhard Sega!, eine besondere Renume- ration von Ino Rubeln verliehen worden sei. — Ein junger talentvoller Arzt, Herr l)r. Hering, hat jüngst durch Herausgabe einer gediegenen Schrift „Forschungen über die Lungenschwindsucht", die Aufmerksamkeit rer wissenschaftlichen Welt ans sich gelenkt. Die Schrift wurde mit dem Preise der „warschauer Aerztc" prämiert, und erscheint gleichzeitig, in drei Sprachen. Die Zeitschrift res „warschauer inerieimschen Vereines" druckt das polnische Original ab; die russische kriegs-medieinische Zeitschrift, welche die Arbeit von dem jungen Gelehrten kätislich erworben hat, läßt sie in russischer Übersetzung erscheinen; und endlich die bekannte Verlagsbuchhandlung Hirschwald in Berlin besorgt die Herausgabe in deutscher Sprache. — Der Direetor der hiesigen Taubstummenanstalt, Herr Staatsralh Paplonski, hat vor Kurzem den Vorstand rer hiesigen Gemeinde davon verständigt, daß er, in Anbetracht rer reichen wohllhätigen Gaben rer hiesigen Israeliten, noch zwei Süpenrien für jütische Zöglinge aus den Fonrs der Anstalt grünten wolle. Da bereits an d«'m Institute ein Slipenrium für einen israelitischen Zögling besteht, so stuten fortan drei in Demselben unentgeltliche Ausnahme. Die Anstalt wirr entsprechend vergrößert. — An dem hier bestehenden „Asyl für Arme, die das Krankenhaus verlassen", soll auch eine Abtheilung für Inten mit vorläufig sünszehn Bellen eingerichtet werden. Es ist zu diesem Behnfe ein Comitö aebilret worden, welches auö den Herren Hermann Meier, Samuel Portner und Moritz FajanS befiehl, und die Aufgabe hat, Beiträge zu den noch fehlenden Fonts zu sammeln. — Es besteht die Absicht, in rem unweit Thorn an rer preußisch-russischen Gränze gelegenen berühmten Bareerle Ciechoeinek ein jüdisches Armenhospital ;n errichten, in welchem unbemittelte Cnrbednrslige freie Ausnahme und Verpflegung finden sollen. Es sind bereits namhafte Beiträge ;u diesem Zwecke gezeichnet worden. Wir..wünschen dem segensreichen Unternehmen den besten Erfolg, und entpsehlen es