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Unteroffkier hätten bringen können, es nur billig und gerecht wäre, das projeclirtc Gesetz in vollem Maße auch ans Freiwillige jüdischen Glaubens anzuwenden. Fünfundzwanzig Mitglieder machten aber geltend, es wäre allerdings um so weniger Grund, Israeliten die OsficierScarriöre principiell verschlossen zu ballen, als sie ja auch sonst, nach Erlangung eines akademischen GradeS, zu allen Staatsämtern zugelasien würden; die Eröffnung der Ofsicierslaufbahn würde sogar sehr viel zur Assimilation der Juden mit der übrigen Bevölkerung beitragen. Auch seien seitens des Kriegsminisieriums durchaus keine besonderen Hindernisse vorhanden, denjenigen Juden, die eine höhere Bildung besitzen, den OfsicierSrang zu ertheilen. Da sie aber durch Erwerbung eines solchen zugleich Privilegien erlangten, die nur wirklichen Staatsbürgern (welchen die Juden noch nicht völlig gleichgestellt seien,) zu Gute kommen dürsten, so sei vorläusig noch davon Abstand zu nehmen, die beregte Bestimmung auch ans die Juden auszudehnen. — Wir hoffen sehnlich ft, daß die Stimme der Gerechtigkeit und der Staatsweisheit dennoch vor dem Oip kr asttreten des Gesetzes die Oberhand gewinnen möge. An der moralischen Oualisication und an "dem Patriotismus der Juden ist wohl eben so wenig zu zweifeln, wie daran, daß deren Gleich- su'klung gerade in militärischer Beziehung viel dazu beitragen würde, gesellschaftliche und politische Borurtheile und Schranken zu beseitigen, das Werk der nationalen Verschmelzung der Juden niit der übrigen Bevölkerung zu fördern. Der deutsch-französische Krieg hat dies selbst für die Bedenklichsten und Borurtheilsvollsten außer Frage gestellt.
Tie gemeinnützige Thätigkeit unserer, der höheren Gesellschaft angehörenden jüdischen Damen verdient die rühmendste Anerkennung, und anderen Kreisen als Muster und Vorbild hingestellt zu werden. Vor Allen ist Frau Baronin Günzburg zu nennen, die sowohl hier in St.-Peiersburg, wie auch in anderen Städten Schulen und Kinderbewahranstalten gestiftet hat. Außerdem unterhält genannte Dame auf eigene Rechnung in verschiedenen Privatpensionaten eine große Anzahl von jüdischen Waisen. Ihren wohlthätigen Beruühungen und denen der Damen, Frau Amalie Lewinson, Kaufmann, Warschawska, Schönmann, How- lewitsch, Solowejtschick u. m. A. verdanken Hunderte von armen jüdischen Kindern eine gediegene Erziehung und Schulbildung, durch welche diese befähigt werden, für sich, ihre unbemittelten Angehörigen und ihre geistig und materiell elenden Glaubensgenossen der niederen Schichten, einst glücklichere Verhältnisse zu schassen. So arbeiten hier fromme, edle Frauen an deni gottgefälligen Werke der Erlösung der unteren jüdischen Volksklassen! Gott lohn' es!
Khiwa.
Petersburg, 23. Juli. (Privatmitth.) Wenn in dre- fem Blatte zu seiner Zeit die Erfolge des blutigen Bürger
krieges in den vereinigten Staaten NordamericaS, durch Aushebung der Sklaverei und Gleichstellung aller Farbigen mit den Weißen, als ein großer Fortschritt rühmend hervorgehoben worden, und die Befreiung der Leibeigenen in Rußland durch Alexander II. als der bedeutendste Act der Humanitären Entwickelung in neuester Zeit gepriesen ward: so muß hier ebenfalls die Beseitigung der Sklaverei in Khiwa nach dem Siege der russischen Waffen als ein neuer Fortschritt des Menschenrechtes verzeichnet werden. Eine Proelamation des Khans erklärt alle Sklaven frei, und stellt ihnen anbeim, mit gleichen bürgerlichen Rechten im Khanat zu bleiben, oder nach ihrer Heimath znrückznkehren. — Wenn auf diese Weise die Russen in Asien eine Enlturmission haben und erfüllen, so fällt cs um so mehr auf, wenn in Rußland selbst noch immer Acte der mittelalterlichen Unduldsamkeit und der Verachtung aller Menschenrechte geschehen. Die jüngst mit empörender Härte ausgesührte Massenvertreibung rer Juden aus Kiew stimuit wenig mit der Ertheilung der Freiheit mit? der bürgerlichen Rechte an die Sklaven in Khiwa, mit rer Erlhei- luug freier Niederlassung im Lande. Dort verjagt man die freien Angehörigen des Staates, hier ladet man die bisher Unfreien zur Ansässigmachung nach Belieben ein! Freilich sagt die kiewer Zeitung: Drei Viertel dieser Juden hätten die Stadt „freiwillig" verlassen, dies fügt aber nur den Hohn zu der Ge- waltthat hinzu. Vielleicht, da eS in der Proelamation des Khans heißt, daß er die Sklaven, aus Gefühlen der Verehrung gegen den Kaiser von Rußland, zu freien Bürgern seines Staates mache, Werren nunmehr in Rußland, aus gleichen Gefühlen gegen den Khan, die Juden zu gleichberechtigten Bürgern gemacht, und nicht mehr den Befehlen der Ortsbehörden gegenüber für vogelfrei gehalten.
America.
Baltimore. in. Mai. 'Was man auch sonst über die Amcricaner und die amerikanischen Juten sagt, und zu sagen auch wohl das Recht hat: eine gewisse Großartigkeit in den Werten, die sie einmal in Angriff nehmen, seien sie industrieller oder wohlihätiger Ralur, kann man ihnen nicht absprechen. Gestern wurde hier feierlich und, wie es hier zu Lande gebräuchlich ist, mit etwas Ostentalion, ein israelilisches Waisenhaus eröffnet, das ans Anregung einiger Damen mit Hülse eines Meetings und Eomitö's, in kurzer Zeit hergcste!'.'. worden ist. DaS Grundstück dazu wurde von einem Herrn W. S. Rahner zu einem Werthe von non Dollars geschenkt. Nachdem auf diesem Grundstücke das stanliche Gebäude errichtet worden ist, blieben zum Fonds behufs des Unterhaltes noch ! 8,0«»0 Dollars übrig. unt> wurden sofort fünfzehn Waisen anfgenommen. — Auch die Aussicht auf die Gründung eines rabbinischen Semi- nares für die Vereinigten Staaten hat sich gebessert, nachdem
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