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Tpdten zu? Es giebt gegenwärtig wohl viele Menschen, denen es ganz- gleichgültig ist, ob bei -ihrer Beerdigung religiöse Cere- monien und die Beobachtung der herkömmlichen Bräuche und Vorschriften ihrer Religion stattfinden, ja auch Manche, welche diese-geradezu nicht wollen. Aber bei der ungeheuren Mehrzahl, sowohl der Sterbenden als der Hinterlassenen ist das Gegentheil der Fall, und sie. würden sich in ihrem Gewissen und in der Sorge für ihr Seelenheil äußerst beunruhigt und verletzt fühlen, wenn jenen nicht genügt würde. Das Recht steht hier offenbar auf beiden Seiten, Der Staat kann der Religionsgenossenschaft nicht das Recht einräumen, ein Todtengericht über die Verstorbenen zu halten und nach , dessen Ausfall über die Beerdigung zu verfügen; er kann ihr aber auch nicht das Recht abstreiten, die Todten nach den herkömmlichen Vorschriften und mit den religiösen Ceremonien bestatten zu dürfen. Auf diesen Conflict paßt nun dasselbe Princip. Der Staat hat das Hinscheiden in sein Sterberegister zu verzeichnen; der Staat hat die polizeilichen Anordnungen für die Beerdigung, (z. B. vom sanitären Gesichtspunkte) zu treffen; der Staat hat (durch die Ortsgemeinde ) einen gemeinsamen Begräbnißplatz nach allgemeinen Regeln Herstellen zu lassen; dann aber muß er es den Religionsgenossenfchaften freistellen, ob und wie sie sich besondere Begräbnißplätze Herstellen wollen, selbstverständlich unter der Oberaufsicht des Staates.. Es steht damit den Individuen frei, welchen Begräbnißplatz sie benutzen wollen. Bei solcher. Einrichtung ist das. Recht -des Staates, der Religionsgenossenschaft und der Individuen' gleich-' mäßig gewahrt.
Werfen wir hierbei einen Blick auf das Verhältniß des Judenthums zu diesen Fragen. Dieses hat dem Staate niemals das Recht bestritten, das civile Moment als sein Recht zu Beanspruchen. Es hat ebenfalls vom Staate keinen polizeilichen Zwang, z. B. für die Beschneidung gefordert, und wo dies ausnahmsweise von Juden, geschah, ist es schnell wieder verschwunden. Das civile Moment in der Eheschließung war im Juden- thume stets so anerkannt, daß der Abschluß des Civilactes (der Chethnbah) der religiösen Trauung vorangehen mußte, und die Vorlesung desselben in die religiöse Trauung mit ausgenommen wurde. Der jüdische Religionsunterricht wurde vom Staate stets der Religionsgemeinde selbst zur Beschaffung überlassen, und wo in jüngster Zeit dafür ein Anspruch an den Staat erhoben wurde, geschah es aus dem Principe der Gleichstellung heraus. Kommt der Staat dahin, den Religionsunterricht den Religionsgenossenschaften zu überlassen, so werden die Juden sicherlich keine Einwendung dagegen erheben. Hingegen, was die Beerdigung betrifft, haben die Juden stets als ihr Recht in Anspruch genommen sich einen eigenen Begräbnißplatz auf eigene Kosten zu beschaffen, und stimmen also hierin vollständig mit dem Principe überein, durch welches, allein auch diese Frage gelöst werden kann. .
Literarischer Wochenbericht.
Bonn, 20. Januar. Die Gemeindeordnung bei den alten Israeliten mit den diesfallsigen neuesten Bestimmungen in Oesterreich Ungarn. Von Samuel S p i tz e r, vr. plnl. Oberrabbiner zu Essek. (Essek 1873). Genau genommen, leistet diese Schrift mehr, als ihr Titel verspricht. Denn sie führt die Darstellung der Gemeindeordnung bis auf die Gegenwart und wirft häufig einen vergleichenden Blick auch auf die desfallsigen Einrichtungen bei Griechen, Römern und anderen Völkern, ohne freilich hierin erschöpfend sein zu wollen. Sie behandelt ihren Gegenstand in acht Abtheilungen: 1. Die Gemeindeordnung überhaupt." 2. Die Gemeindevertretung. 3. Der Wirkungskreis der Gemeinde. '4: Der Gemeindehaushalt. 5. Die Sicherheitsgesetze. 6. Die Armenpflege. 7. Die Unterrichtspflege, und 8. Die Religionsgemeinde. Innerhalb jeder Abtheilung vertheilt sie den Stoff in einzelne Paragraphen, in welchen zuerst die jüd. Satzung, und dann die österreichisch-ungarische auseinandergesetzt wird. In angehängten Noten werden sehr fleißig die Beweisstellen angeführt und noch manche nützliche Bemerkungen hinzugefügt. So wird diese Schrift zur allgemeinen Kenntniß der jüdischen Gemeindeverhältnisse in den verschiedenen Zeiten, sowie zum Nachschlagen über einzelne Gegenstände sehr nützlich sein. Doch haben wir Folgendes auszusetzen: Die paragraphenweise Behandlung läßt einerseits ein Gesammtbild der jüdischen Gemeinde überhaupt nicht zu Stande 'besinnen und-der Verfasser hat es unterlassen, uns ein solches zu entwerfen, da sich in der gegebenen Fassung Alles in's Einzelne verliert. Ebenso wenig erhalten wir eine Unterscheidung zwischen der Gemeinde in der biblischen, talmudischen, -mittelalterlichen und neueren Zeit, da die Bestimmungen aus diesen-verschiedenen Epochen untereinandergeworfen sind. Eine andere Folge ist noch, daß die jüdische Gemeinde hier eigentlich als Ortscommune behandelt ist, und erst im achten Abschnitt als Religionsgemeinde auftritt, während sie doch seit vielen Jahrhunderten nur noch als letztere betrachtet werden kann. Der letzte Abschnitt konnte daher meist nur auf die früheren verweisen, so daß auch in dieser Hinsicht die Bilder untereinander gemischt sind und unklar bleiben. Wir hätten jedenfalls den Gegenstand nach den geschichtlichen Zeitabschnitten gesondert abgehandelt gewünscht, So kommt es denn auch, daß der Verfasser-im letzten Abschnitt über die Veitragspflicht jedes Juden zu seiner Ortsgemeinde kein Urtheil zu fällen wagt, während er doch in den früheren das desfallsige jüdisch-gesetzliche Zwangstecht der Gemeinde genügend, auseinandergesetzt hat. Aber gerade in diesem Punkte wollen die Orthodoxen das.jüdische Gesetz, nicht anerkennen, — weil es ihnen eben nicht zum Vortheil gereicht. — Biblische Geschichte für die israelitischen Volksschulen. Bearbeitet von vr. E. Hoff, Rabbiner in Proßnitz. (Proßnitz und Wien, 1874.) Der Verfasser meint in j seinem Vorworte, daß es zwar für Mittelschulen, nicht aber für jüdische Volksschulen
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