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von-der Macht der Verhältnisse überwunden worden- noch dazu, wo nicht die Gesetzgebung die Hand dazu bietet. Redaction.)
Baja, 5. Febr. (Privatm.) Ich beeile.mich, Ihnen die erfreuliche Mittheilung zu machen, daß unser hochgeachteter Glaubensgenosse,. Herr Dr. Moritz Hauser, mit großer Majorität zum Bürgermeister unserer Stadt gewählt worden ist.
Frankreich.
Paris, 1. Februar. (Nach den Arcli. isr.) Die Subscription für die neubegründete freiwillige Gemeindecasse hat doch bereits eine ziemliche Höhe erreicht, da die jährlichen Beiträge bereits 28.725 Francs betragen. Schon aber erheben sich Bedenken über die Art der Verwendung. Der Veteran in jüdischen Angelegenheiten, Benoit Lövy, erläßt in den Arcli. isr. ein Schreiben, in welchem-er diese Frage anregt. Als Grund giebt er an, daß für eine Gemeinde wie Paris das Consistorium, das aus sechs Mitgliedern besteht, und die ganze Verwaltung der Gemeinde unter sich hat, nicht genüge. Auch habe die Angelegenheit des Baues der beiden Tempel, die Ausgabe von Obligationen, deren Zinsen nicht gezahlt werden u. s. w., das Vertrauen erschüttert.- 'Hierzu komme der Mangel an aller Organisation. So habe der Großrabbiner nicht einmal ein Bureau und bestimmte Bureaustunden, so daß bei Anmeldungen von Trauungen u. dgl., die Leute die weiten Wege und die hohen Treppen oft wiederholt laufen müssen, ohne den Herrn Großrabbiner anzutreffen. In einer Versammlung von mehr als 300 Wählern wurde daher der Beschluß gefaßt, das Consistorium zu ersuchen, bei der Staatsregierung zu beantragen, daß das Consistorium von Paris zukünftig aus 24 Mitgliedern bestehe Und daß bis dahin provisorisch eine Commission von 25 bis 30 Mitgliedern nicht von Consistorium, sondern von den Wählern gewählt werde, um unter dem Consistorium für die einzelnen Verwaltungszweige verwendet zu werden. Auf diesen Antrag erfolgte von Seiten des Consistoriums nicht einmal eine Empfangsbescheinigung.*)
*) Als ein kleines Curiosum diene Folgendes: Wir erhalten soeben das jüngste Monatsheft der la Familie de Jacob. In demselben findet sich unser Artikel über den Unterschied zwischen dem israelitischen und' katholischen Priesterthum, den wir jüngst in diesem Blatte gaben, in wörtlicher Uebersetzung und unterschrieben: „Auszug aus dem Utiivers israelile/* Emgeleitet aber wird der Artikel durch die Worte: „Ein israelitisches Journal Deutschlands." Wir begreifen, daß das zelotisch orthodoxe vnivers israelite uitfer Blatt nicht mit Namen nennt. Dieses Herren, welche doch vorgeben, den Talmud unbedingt zu verehren, find ,doch gewohnt, nur diejenigen Vorschriften des Talmuds zu erfüllen, welche ihnen behagen, besonders wenn es eine m o- ralische Verpflichtung giebt, die der Talmud auferlegt. Derselbe fordert, daß man bei jeder Belehrung, die man von Jemandem erhält, den Namen desselben nenne.
j Redaction.
Belgien.
Brüssel, 29. Januar. (Privatmitth.) Ich füge heute einen einfachen Bericht über den eigentlichen Gang der Verhandlungen über die Begräbnißplätze hinzu. Geltend ist in Belgien eigentlich noch heute das Napoleonische Decret vom 23. Prairial des Jahres XU. mit den von demselben verfügtenAbtheilungen nach den Confessionen. Durch die belgische Constituüon sind einige Paragraphen dieses Decrets unzukömmlich geworden. Aber welche? Das ist die Streitfrage. Diesem Decrete zufolge hat über die Begräbnißplätze die Gemeinde und ihre Polizei zu verfügen. Wenn diese aber nun dem Klerus ihre Machtvollkommenheit überläßt? Es bedarf daher eines neuen Gesetzes, um wenigstens innerhalb einer Confession Unterschiede nach dem orthodoxen Charakter der Individuen unmöglich zu machen. Die Liberalen wollen, daß in diesem Gesetze überhaupt alle confessionellen Trennungen auftzörcn und die Leichen Aller, der Reihe nach bestattet werden. Als- sie aber Jahrzehnte lang das Staatsruder lenkten, unterließen sie es, ein solches Gesetz zu geben. Jetzt, wo ein klerikales Ministerium regiert, geht man weiter. In einer kleinen Stadt erließ der Magistrat ein Reglement, wonach in der katholischen Abtheilung Unterabtheilungen gemacht wurden, so daß die Leiche desjenigen, der nicht kirchlich verstorben , bei den Verbrechern und unsittlichen Personen begraben werden sollte, und die Regierung unterließ es, dieses Reglement in der gesetzlichen Frist zu annulliren. Hierüber erhob nun der Abgeordnete Rossius eine Interpellation an das Ministerium, und die Debatten füllten fünf Sitzungen aus. Von beiden Seiten wurden die gegenüber- stehenden Principien mit allem Nachdruck und^großer Bitterkeit bekämpft und vertheidigt. Hier auch war es, wo der Minister des Innern Delcour das vor einem Jahre eingeholte Gutachten des Großrabbiners Astruc vortrug und zum Vortheil seiner Partei ausbeutete. Das Resultat war — so gut wie nichts. Der Schluß der Verhandlung wurde, obschon nur noch ein Redner sprechen wollte, mit 47 gegen 42 Stimmen und fünf, die sich der Abstimmung enthielten, ausgesprochen, und die das Ministerium tadelnde Tagesordnung des Abgeordneten Rossius mit 56 gegen 39 Stimmen verworfen. Daß der Streit in den Journalen noch nachklingt, ist natürlich. Besonders hat man, wie ich bereits berichtet, das Gutachten des Herrn Astruc zum Ausgangspunkte der gegenseitigen Jnvectiven gemachte Die Entscheidung der Frage selbst ist der Zukunft überlasten.
Brüssel , 30. Januar, (Privatmitth.) Wie selbstverständlich ließ der Großrabbiner Herr Astruc die Angriffe der „Jndv- pendance belge" nicht ohne Antwort. Dieselbe ist in der heutigen Nummer der Jndspendance erschienen, und war es mir angenehm zu ersehen, daß darin zum Theil dieselben Gegengründe enthalten sind, deren ich mich in meiner zweiten Correspondenz in voriger Nummer bedient habe. Die Redaction der Jndöpendance. bemerkt dazu, daß sie den Brief mit einigen Bemerkungen begleiten
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