Ein unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse.
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Diese Zeitung erscheint wöchentlich einmal in 2 viS 2>/r Bogen. Preis Vierteljährig r Thlr. Inserate werden .mit 2 Ngr. für die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Alle Buchhandlungen. Postämter. und Zeitungs - Expeditionen nehmen Bestellungen an. '
Herausgegeben von
Rabbiner vr. Ludwig Wüppson in Bonn.
Verlag von Baumgärtner's Buchhandlung in Leipzig.
In redactionellen Angelegenheiten wende man sich anvr. L. Philippson in Bonn; hinsichtlich deS Bezugs und der Inserate an LaumgLrtner's Luchliandlnng inLeipzig. Inserate, welche bis vonners- tag cingehen. finden in der daraufsolgen» den Nunimer Berücksichtigung.
38. Jahrgang. Leipzig, den 24. März 1874. JW 13
Inhalt. Leitende Artikel: Die ungarische Ministerial-Denkschrift in Angelegenheit des Rab-iuer-Bildungs-Institutes/— Literarischer Wochenbericht: Bonn. — Zeitungsnachrichten: Deutschland: Bonn, Leipzig, Berlin, Nürnberg, Trier, Frankfurt a. M., Breslau. — Oesterreichisch-ungarische Monarchie: Prag, Teplitz. — Holland: Amsterdam. — Serbien: Jassy -^Feuilleton: Jntriguen vor siebzig Jahren. Vl. — Correspondeuz: Buk. — Vermischtes.
Jße'tbeitde ßLxhXvel.
Bonn, den 18 . März.
Die »ngar. Miinsterial-DenKschrist in Angelegenheit -es Rabbiner-Sil-ungs-2nkitutcs.
Unsere Leser werden es gerecht finden, wenn wir, während: ihnen von uns ein ausführlicher Auszug aus der Petition der ungarisch-israelitischen Laudeskanzlei geboten ward, auch auf die Denkschrift eingehen, welche das ungar. Ministerium für Cultus und Unterricht an den Reichstag erlassen und die den Sections- rath.Herrn I. Rann ich er zum Verfasser hat. Es ist nicht allein das Jnterresse an der Errichtung der betreffenden Anstalt, welches uns hierzu bestimmen muß, sondern das wichtige cultur- historische Moment, die für die Gegenwart höchst bezeichnende Eigenthümlichkeit der Situation. Und Dies nach zweien Seiten hin. Die ausgesprochene innere Spaltung der Juden kommt hierbei in Ungarn schroffer zum Ausdruck, als in irgend einem andern Lande. Es ist, als ob je weiter wir von Westen nach Osten gehen, diese Spaltung im Schooße unserer Glaubensge- nossenschaft immer entschiedener und umfänglicher geworden. In Frankreich, Belgien und Holland kaum eine Spur davon; die schärfsten Auslassungen eines sg. orthodoxen Journals in Paris sind ganz ohne faktische Folgen geblieben. In Deutschland sucht feit Jahrzehnten ein Bruchtheil der orthodox Gesinnten eine Spaltung- hervorzubringen und - eigene separirte Gemeinden zu bilden. Aber mit welch' geringem Erfolge! Kaum an vier
Orten ist es gelangen, und nur mit einigen hundert Mitgliedern) In Ungarn dagegen ist der Riß vollständig. Wahrscheinlich in numerisch gleichen Gruppen stehen-sich die Orthodoxen- und die Congreßgemeinden gegenüber) oft an denselben Orlen, und zwischen ihnen bestehen Gemeinden, welche sich weder zu der einen noch zu der andern Partei zählen, sondern ihre früheren Statuten beibehielten. Es ist dies ungefähr derselbe Zustand wie in Amerika. Während aber jenseits des Oceans unter den verschieden' gefärbten Gemeinden Frieden herrscht und jeder den andern gehen läßt, wie- und wohin er will, ist in Ungarn der Streit entbrannt, und eifrige Führer gießen täglich Del in die Flamme — weil eben noch etwas Materielles vorhanden ist, um welches man streitet und dessen man durch die Staatsregierung theilhaftig werden will. Würde der bekannte israelitische Landesschulfond nicht bestehen, so hätte man füglich keine Veranlassung den Hader aus den persönlichen und örtlichen Grenzen hinauszutragen. An sich kann der Widerstand der Orthodoxen gegen das, zu errichtende Rabbinerinstitut nicht auffallen. Von, der Verbrennung der Mendelsöhn'schen Pentateuchübersetzung an -M die Orthodoxie bei jedem thatsächlichem Fortschritt ihr Verdammungsurtheil ausgesprochen. So wiederholt dem Hamburger Tempel, dalln den Rabbinerversammlungen, . der Philippson'schen Bibelübersetzung u. s. w. gegenüber. Niemals aber gelang es ihr, wie in Ungarn, die jüdische Glaubensgenoffenschaft factisch in zwei Läger zu zerreißen, und dies zugestandener Weise nur wegen des Rabbiner- Instituts. Hierin liegt von der einen Seite das Interesse des Vorganges; freilich ein trauriges.
■ o Die Situation ist aber auch von einer anderen Seite, der