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eine Reorganisation der Verhältnisse der jüdischen Gemeinde herbeizuführen und einen Gemeindetag einzuberufen, dessen Aufgabe es eben auch war, eine Nabbinerschule in Lemberg zu kreiren.
Ein alter Winkelschreiber aus Lemberg kam auf die Idee, dem Rabbiner aus K. und dem Wunder-Rebbe aus Belz das Projekt der Einberufung einer Rabbiner- und „Guten Juden"-Kon- ferenz nach Lemberg in Vorschlag zu bringen, um viribus unitis weittragende Geschosse neuester, noch nicht ans Tageslicht geförderter Konstruktion gegen die Fortschrittsfreunde im Judenthum gießen zu lassen.
Im Nachfolgenden einige Mittheilungen über diese famose Konferenz: Also geschah es, daß auf Einladung des Belzer Nebbe und des Krakauer Stadt-Nabbiners von den Hunderten eingeladener Rabbiner gegen fünfzehn besserer Qualität und drei minderer Sorte erschienen waren. Das konnten die ehrwürdigen Herren um so leichter thun, als ihnen der Belzer Wunder-Rebbe Diäten und Reisespesen für sich und ihre Leibjäger ausbezahlte. Der mit den Verhältnissen der galizischen Juden unvcrtraute Leser wird fragen, woher denn die Belzer Kabinets Kanzlei so viel verfügbares Geld besaß, um einer so ansehnlichen Esserzahl eine anständige Table d’höte zu gewähren. Diese Frage ist leicht zu beantworten, und will ich dieses um so eher thun, als mit deren Beantwortung ein Streiflicht auf das Leben und Wirken dieser Nebbes geworfen wird, welche die Juden Galiziens so unbarmherzig aussaugen, ohne von den Behörden zur Verantwortung gezogen zu werden.
Es gibt im galizischen Judenthum eine eigenthümliche Erwerbsquelle, welche sonst nirgendwo anzutreffen und selbst vor den Späherblicken einer allwissenden und allsehenden k. k. Steuer-Administration bewahrt bleibt — das sogenannte „Lösegeld". Ein Wunder-Rebbe, der schon gelehrt, der wunderkräftig und heilig schon aus dem Mutterleibe auf die Welt gekommen ist, ergreift nach Ableben seines Vaters oder Schwiegervaters die Zügel der Negierung über die sogenannten „Chassidim", und je dreister und verlogener derselbe dieses Geschäft betreibt, je Pstfssger seine Leibgarde die Kundschafterposten ausfüllt, je strenger sse die sich herandrängende unwissende Menge von dem sofortigen Besuche des Rabbi zurückweist, wobei Stöße und Hiebe zu den nicht zu verachtenden Manipulationen des Thürstehers („Gabbi") gehören, desto höher steigt das Ansehen des Rebbe, ein desto größeres Trinkgeld erhält der Thürsteher für das Hineinlassen zum Wundermanne.
In schlechten Tagen belagern hohläugige Gestalten thränenden Auges den Rebbe, Hilfe und Heil suchend; in guten
Tagen kommt man dankerfüllten Herzeys, um dem Geber alles Guten, dem Mehrer der Familie, dem Heiler von gefährlichen Krankheiten, fette Gaben darzubringen. J
Rebbe Schajete aus Belz, der Sohn eines renommirten geldnehmenden Rebbe, gehört nun zu den Großindustriellen dieses Geschäftszweiges, bleibt aber nicht, wie sein seliger Vater, gebunden an Belzens morastische. Scholle — er unter nimmt vielmehr mit seiner geschäftskundigen Suite ziemlich ausgedehnte Rundreisen durch Galizien und sucht auch die angrenzenden ungarischen Städte heim, bei welcher Gelegenheit ihm Tausende von Gulden in das ninunersatte Taschenpaar fallen.
Der Humbug, den der göttliche Steuereinnehmer von Belz in Lemberg mit dem Zusammentrommeln der Rabbiner getrieben, war ein derartiges Effektstück nach einer glücklich zurückgelegten Rundreise, und so „segnete" er nach der angestrengten Thätigkeit der Synode die wallfahrenden Weiber bis 2 Uhv nach Mitternacht.
Der Vertraute Gottes war auch gleichzeitig der Diktator des Kongresses. Die Folge davon war, .daß ein drückender Mystizismus den ohnhin unheimlichen Akt noch unheimlicher gestaltete. Im Hause „zum Ziegenbock" bei einer frommen Wittwe schloß sich die ganze Synode stundenlang ein und soll es da sehr heiß und erregt zugegangen sein.
Die Einen wünschten den Fortschritt und dessen Träger gleich vom Erdboden wegzuvertilgen, die Andern wollten nur den Theil ausgerottet wissen, tvelcher es vor aller Welt wagt, sich zu den fortschrittlichen Ideen zu bekennen. Die illustre Versammlung einigte sich schließlich dahin, den Verein „Schomer Israel" als Sündenbock in Acht zu thun, welcher Beschluß in einem Synodal-Schreiben, das in möglichst schlechtem Hebräisch abgefaßt ist, den Gemeinden Gottes in Galizien kund und zu wissen gethan wurde.
Ein Jude — ein Abt.
Die Mönche des Lebedjan'schen Klosters im Gouvernement Tambow richteten, wie dem Petersburger „Golos" geschrieben wird, neulich an die Petersburger Heilige Synode eine Petition, in tvelcher sie um die Entfernung ihres Vorstehers (Jgumen) baten und die Bitte dadurch motivirtcn, daß der betreffende Abt sie, die Mönche, täglich eigenhändig züchtige, hungern lasse, Gott zu lästern ztvinge und — ein ungetaufter Jude sei.