31. Jahrgang

M 47 .

Allgemciuc

Zeitung -es Zu-cnthums.

Ein

unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse.

Herausgegeben von

Rabbiner vr. Ludwig Philipps»« in Bonn.

Leipzig, den 19. November 1867.

Diese Zeitung erscheint wöchentlich einmal, Dienstags, in 2 bis 2'/.» Bogen. Preis des Jahrgangs 4 Thlr. Halbjährig 2Thlr. Vierteljährig 1 Thlr. Inserate werden mit i'/ 2 Ngr. für die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Alle Buchhandlungen, Postämter und Zeitungs-Expeditionen nehmen Bestel­lungen an; der Haupt-Expedition für beide Letztere hat sich das König!. Sächs. Haupt-Zeitungs-Bureau hier unterzogen.

Inhalt.

Leitende Artikel. : Rußland. III. Skizzen aus Holland.VH.

Literarischer Wochenbericht: Paris. Zeitungsnachrichtenr Deutschland: Berlin, Aachen, Hamburg, Aus Thüringen, Melsungen. Oesterreichi- scher Kaiser st aat: Wien, Prag, Brünn, Deutsch- Kreuz. Donaufürstenthümer: Bukarest. Schweiz: Zürich. Italien: Aus Mittelitalien. Feuilleton-Beilage: Das Menschenherz nach der heiligen Schrift. Aus Alrrander v. Humbold's Jugendzeit. Kuriosum

Leitende Artikel.

Bonn, 10. November.

Rußland. UI.

Es ist hier nicht unsere Sache, eine Kritik der An­gaben und Ansichten des Bürgermeister von Mitau, Hrn. F. v. Zuccalmaglio, betreffs der allgemeinen Bevöl­kerungsordnung der kurländischen Städte zu veranstalten. Nur um seine Geistesrichtung zu charakterisiren sei Fol­gendes bemerkt. Er sagt: Im März 1867 waren in Mitau 10820 männliche Seelen verzeichnet, aber nur 3025 vorhanden, demnach abwesend 7795; dagegen leb­ten in der Stadt Steuerpstichtige anderer Gemeinden 2590 männliche Seelen. Hingegen waren nur 2523 Plakatpäffe in Mitau an männliche Personen ertheilt, so daß die Zahl der ohne Paß Abwesenden auf 4928 sich belief. Hieraus ergeben sich nun viele Schwierig­keiten, sowohl hinsichtlich der Staatssteuer und Rekru- tirung, für welche die Stadt eintreten muß, als auch für

die Armenpflege. Was schlägt nun der Herr Bürger­meister zur Verbesserung dieser Uebelstände vor? Doch wahrscheinlich, was im gesammten übrigen Europa sich so sehr bewährt hat, was z. B. der norddeutsche Bund als die erste und wichtigste gesetzliche Maßnahme betrach­tete, die er in's Leben zu rufen habe: die Freizügigkeit, die Aufhebung des Paßzwanges und die Einziehung der Staatssteuern durch den Staat selbst. Ein Jeder sieht ein, daß hiermit dem Selfgovernment der Gemeinden durchaus Nichts entzogen, ja vasselbe durch die Beschrän­kung auf sein eigentliches Gebiet nur gestärkt würde. Wohl aber würde dadurch den städtischen Behörden ein großes Stück ihrer Thätigkeit und so weiter ge­nommen. Was schlängt nun Herr v. Z. vor? Jeder, bei einer Gemeinde anziehende russische Unterthan solle eine Summe von 30 Rubeln zahlen, welche, während sie bis jetzt nur eine Caution gewesen, der Gemeinde als Eigenthum verbleiben soll; eine Frauensperson, die an­zieht, ohne einem Manne anzugehören, z. B. ein weib­licher Dienstbote, soll die Hälfte zahlen. Ein Weiteres übergehen wir und wenden uns zu dem Theile der an­geführten Abhandlung, welcher über die Juden handelt.

Das haben unsere Leser bereits erkannt: Die Grund­richtung des Herrn Bürgermeisters geht dahin: beschrän­ken, beschränken und immer mehr beschränken: wo sich Uebelstände zeigen, da hilft man am besten, wenn man beschränkt und durch Beschränkung die Möglichkeit des Nebels verringert! Es ist freilich ein übler Rath, wenn die Circulation des Blutes nicht in Ordnung ist, entweder das Blut abzulassen, oder die Gefäße zu un-