19. Jahrgang.

JW 15

Allgemeine

Zeitung -es Zudenthums.

Ein

unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse.

Herausgegeben von

Rabbiner Dr. Ludwig Philippsorr in Magdeburg.

Leipzig, den 9. April 1855.

Diese Zeitung erscheint wöchentlich einin 2 l, Montag», und wird jährlich 78 Sogen in Quart incl. de» Titel«, Register», u. s. w. m». fassen. Zn «Semäsheit de» Zweck«, derselben die allgemeinste Verbreitung zu geben, ist der Prei» äußerst niedrig: mit 3 Tblr. für den Jahrgang; 1 Tblr. 15 Ngr. (1 Thlr. 12 gSr.j für sechs Monate 22 Vr Ngr. (18 g<Sr.) für da» Vierteljabr angesetzt worden. Alle Buchhandlungen, Postämter und Zeitung». Expeditionen nehmen Bestellungen an; der Hauptspedition für beide Letztere har sich die köaigl. sächs.

Zeitung»-Expedition allhier unterzogtn.

Inhalt.

Leitende Artikel: Aphorismen. Die israelitische Litera­turgesellschaft. Die Postbeförderung einesScheidebrie­fes". Der KaräiSmuS. Von vr. Wolfs. (Schluß.)

Zeitungsnachrichten: Deutschland: Worms, Worms, Regensburg, aus Kurhkssen, aus Württemberg. Preußen: aus Oberschlesten, Neuwied. Oester reichischer Kai­ser staat: von der Donau, Pesth.

Literarische Itachrichten: aus Württemberg.

Leitende Artikel.

Magdeburg, 2. April.

Aphorismen.

Bemerkenswerth ist, wie der Judenhaß selbst bei den Philologen seine Rolle gespielt hat! Ammianus Mar­cellinus erzählt (22, 5, 5.), daß der Kaiser Julianus (361), als er durch Palästina nach Aegypten gezogen, oft von Widerwillen gegen die tumultuirenden Juden ergrif­fen, schmerzlich ausgerufen haben soll:O Markoman­nen, o Q-uaden, o Sarmaten, endlich habe ich müßigere Menschen getroffen, als ihr!" So stand in den älteren Ausgaben:0 Marcomanni, o Quadi, o Sarmatae, tandem alias vobis inertiores inveni. Das etwas schwierige in- ertiores wird erklärt: die müßiger find und mir dennoch nicht weniger Mühe machen (qui cum vobis inertiores sint, haud tarnen mihi paullo minus negotii facessant. Vales.). Dies gefiel dem Gelenius nicht, und er stellte dafür in-

quietioresunruhiger", Beides war aber dem Accurfius zu milde für Juden, und er schrieb dreist dafür: deterio- resschlechter, niedriger", und ließ es in seiner Ausgabe mir nichts dir nichts so drucken! Die neueste Ausgabe von Wagner und Erfurdt hat die ursprüngliche Lesart wieder hergestellt.

Immer und immer wollen wir unsren Gegnern zuru- sen: Euer Fanatismus ist es, der die Juden ein Jahr­tausend lang aus der Menschheit hinausgestoßen! Euer schrecklicher Fanatismus in Verbindung mit Habsucht und Brodneid, welche unsre reichsten Kräfte ein Jahrtausend auf unehrenhafte Gewerbe verwiesen und in ihnen er­stickt hat!

Wollet Ihr einen Beweis?

Wir finden so eben in einem Document aus der Zeit vor den Kreuzzügen einen Ausdruck, der mehr besagt, charakteristischer zeichnet, als sonst ganze Folianten!

Der Bischof Rüdiger von Speyer zog im Jahre 1084, also noch vor den Kreuzzügen, Judenfamilien nach Speyer und gab ihnen eine Wenge von Privilegien. In der desfallfigen Urkunde (RemlingUrkundenbuch" p. 57) heißt es: Cum ex Spirensi villa urbem fa- cerem, putavi millies amplificare honorem loci, si et Judaeos colligeremda ich aus der Ortschaft Speyer eine Stadt machen wollte, glaubte ich die Ehre des Platzes tausendmal