Allgemeine

Zeitung des Audenthums.

Cm unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse.

Diese Zeitung erscheint wöchentlich. Preis Vierteljährig 3 Mark. Abonne­ment in Deutschland (Postzeitungsliste Nr. 92) und Oesterreich bei allen Post­ämtern, außerdem durch den Buch-

Herausgegeben von

Rabbiner vr. Ludwig Philippson in Bonn.

Handel.

Expedition und Verlag:

Baumgartners Buchhandlung in Leipzig.

In rebactioneUcn Angelegenheiten I wende man sich an vr.L.PHilivpson in Bonn direct, in allen übrigen an die ! Berlaashandlnug. Beilagen (Gebühr l 12 M.) sind gleichfalls an letztere ein > zusenden.

45. Jahrgang

Leipzig, den 19. April 1881.

JVo. 16.

Iobalt. Leitende Artikel: Was unsere russischen Glaubensgenossen zu thun haben? Die Enquete zur Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der Israeliten in Oesterreich. Literarischer Wochenbericht. Zeitungsnachrichten: Deutschland: Berlin, Mainz, Altona, Kaiserslautern, Stuttgart. Oesterreich-Ungarn: Pest. Rußland: Petersburg. Aegypten: Kairo. Bonn: Notizen, Literarische Notizen. FruMeto«: Die Unruhen in Alexandrien. Ein weißsagender Rabbi.

' lauten ui Babel redete (29, 7), von allen Weisen und Leh-

icifmOc Ortitret.

Bonn, 13. April.

Vas «vfere russische» Glaudeusbru-er zu thun haben?

Je schwieriger die Berhältniffe in Rußland sich gestalten, je stürmischer die Leidenschaften find, die daselbst in den Tiefen wie in den Höhen herrschen, je mehr das Czarenreich an einem entscheidenden Wendepunkte steht: desto näher liegt! für uns die Frage, was haben unsere Glaubensbrüdcr inj Rußland zu thun? Wie haben sich die 3 Millionen Inden | in dem Kampfe zu verhalten, der dort durchgekämpft wird?! Diese Frage ist, wenn wir sie einfach und bestimmt ins Auge! fassen, durchaus nicht schwierig zu beantworten. Die rnisi- j scheu Juden müssen immer und aller Orten streng aus t>cr i Seite des Gesetzes, der gesetzmäßigen Ordnung, des Pater ! landes stehen. Sie dürfen sich in keinem Falle, weder zu geheimen Berschwörungen noch zu offenen Aufständen gesellen und verleiten lasten. Sie haben, soweit sie dazu berechtigt, also auch verpstichtet werden, an allen staatlichen und bürger­lichen Acten und Bestrebungen zum Heile des Vaterlandes und der Gesellschaft thätigen Antheil zu nehmen, aber in keiner Weise von dieser bestimmt vorgezeichneten Linie abzu­weichen. Dies ist es, wohin sie die Lehren und Grundsätze ihrer Religion, die Borschrifteu verweisen, welche von dem Augenblicke an, wo Jeremias zum ersten Male zu deu Exu-

rern bis zu dem jüngsten Religionslehrer unserer Tage cr- flossen, und wohin uns unsere Geschichte und unser eigen- thümliches Geschick leiten. Denn gerade weil die Stellung der Juden in Rußland bis jetzt noch so vielfach beschränkt und bedrückt ist, würde jedes umstürzlerische Streben von ihrer Seite als aus den eigennützigsten Motiven hervor­gegangen, als ganz besonders anmaßend und unberechtigt angesehen werden, müssen sie vielmehr die Besterung ihrer Lage von der gesunden Entwickelung des Staates erhoffen und erzielen. Unterdeß haben sie sich dem gc- sammten Volke möglichst anzuschließen, die russische Sprache immer mehr zu ihrer Mutter - und Familiensprache zu machen, sich, so weit es ihnen gestattet wird, allen bürger­lichen Gewerben und der Landwirthschaft zuzuwenden und nach allen Provinzen des Reiches, die ihnen geöffnet werden, auszuwandern.

Dies im bürgerlichen Leben. Aber nicht minder be­stimmt ist die Aufgabe, die sie für das Judenthum und inner­halb desselben zu lösen haben. Wir haben hier der Mei nung entschieden entgegenzntreten, als ob wir durch Fürsorge und Handlungen für Judenthum und Juden Sonderinteresten pflegten, mit Kräften, die wir der Allgemeinheit schuldeten. Wer in einem besonderen Kreise, sei dieser groß oder klein, ernst und heilsam wirkt, nützt auch der allgemeinen Gesell­schaft, dem Staate! Wer in einem Gliede Gesundheit und richtige Funktionirung fördert und stärkt, thut dies zum Nutzen des ganzen Organismus. In Rußland ist noch die

Ui