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Die # Welt"

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einschicken sollten. Redner möchte bitten, auch nicht den Schein eines Mißverständnisses zwischen westlichen und östlichen Juden unter uns aufkommen zu. lassen. Wir sollten bedenken, dass für die russischen Juden die Con- gresstage die höchsten Feiertage des Jahres bedeuten und durch nichts gestört werden solllten.

Del. Syrkin weist in volltönendem Hebräisch die Möglichkeit zurück, dass die Geographie Unterschiede unter den Juden hervorbringen könnte. Der Zionismus kennt keine Ortschaften, keine Classe, keine Fractionen. Die Einigkeit ist seine Macht.

Dr. ßodenheimer weist den Vorwurf der Schön­färberei seitens des Dr. Jeremias zurück und führt aus, dass gemäss dem Beschhisse früherer Kongresse die Zionisten Deutschlands daran gegangen wären, die Gemeindever­tretungen zu erobern, wobei sie erwünschte Erfolge haben, während sie unter enragierten Zionsfeinden in den Ge­meinden der Protestrabbiner kämpfen müssten.

Del. P a z m a n i k führt als Referent der schweize­rischen Landsmannschaft aus, dass der Zionismus von der liegierung der Schweiz als eines freien Landes Hilfe erwarten könne und er zu dieser Erklärung officiell berechtigt sei. In der Schweiz gibt es drei Arten Juden. Bussische Juden, Schweizer Juden und russisch-jüdische Studenten. Besondere Verbrei­tung hat der Zionismus in Baden, Zürich und Biel gefunden, in welch letzterem Orte die ganze Gemeinde erklärt zionistisch ist. Von den Classen der Studenten­schaft arbeitet die Berner am tüchtigsten. Der Bedner em­pfiehlt, in der Agitation der Schweizer Juden den huma­nitär-zionistischen Standpunkt einzunehmen und verweist auf die zahlreichen Fälle, wo aus humanitären Zionisten tüchtige politische Zionisten geworden sind.

Del. A w i n o w i t z k i erklärt, dass der Bericht des Aetions-Comites zusanmiengesetzt ist aus dem Berieht des engeren A.-C. und denen der "Vereine. Er bittet, dass im nächsten Beferat eine genaue Grenze gezogen werde zwi­schen diesen beiden Gebieten, und das Beferat den Dele­gierten einen Monat vor dem Congress zugestellt werde.

Da keine Redner mehr vorgemerkt sind, ergreift der Präses des Aetions-Comites, Herr Dr. Rerzl, zur Be­antwortung aller Fragen und Besehwerden das Wort:

Meine Herren I Das A.-C. hat mit der grössten Auf­merksamkeit auf die Kritik gewartet, welche der Congress an seinen Leistungen üben werde und ich niuss sagen, wir sind enttäuscht. Sie haben uns weniger streng angefasst, als wir erwartet haben, und die Vorwürfe, die Sie uns ge­macht haben, wenn welche da sind, sind so massig, dass wir keine Gelegenheit haben, Ihnen Gegenvorwürfe zu machen, denn der Congress soll bestehen in der Kcciprocität der Vorwürfe, die wir uns machen. Wir dürfen miteinander ja nicht zufrieden sein! Wenn wir die milde Stimmung nicht mit einer ebenso milden Beurtheilung der landsmann- sehaft liehen Thätigkeit beantworten, so müssen Sie das dem A.-C 1 . zugute halten und Inxlonkon, in welcher Situa­tion wir uns befinden. Unsere Bewegung wird nicht da­von stark, was das A.-C. thut, sondern die Stärkung kann nur an den Vereinen liegen, die sich überall bilden und da hatten wir Gelegenheit, etwas weniger zufrieden zu sein, als es einzelne mit dem A.-C. waren und es ist ein Merkmal unserer Congresse, dass, während beim Bericht des A.-C. über alle Dinge gesprochen wird, man bei allen anderen Punkten über das A.-C. spricht.

Die Zusammenstellung unserer Tagesordnung zeigt uns, dass wir das Gefühl der Verbesserungsfähigkeit unserer Bewegung haben, z. B. im Punkte der Organisation. Dort wird es am besten am Platze sein, wenn das A.-C. zur Offensive übergeht. Wir müssen nämlich, wenn die ver­schiedenen Wünsche zur Stärkung unserer Bewegung in Er­füllung gehen sohlen, an die Wurzel zurückgehen. Ich glaube, dass das auch der Platz sein wird, über Fragen, wie

es der Streit in Rumänien ist, zu. sprechen und für die Zu­kunft zu sorgen, dass der Boden für solche Streitigkeiten verschwindet. Herr Dr. S. Bappaport hat Wünsche und Be­schwerden gehabt über Schul- und literarische Thätigkeit des A.-C. Ueber Schulen werden wir Gelegenheit haben, zu reden, da wir nachweisen werden, dass wir Aufträgen des Oongresses durch Subvention an solche und andere Cultur- institute entsprochen haben. Die Del. Abrahamsohn und Beichenthal haben über Mängel in Ungarn gesprochen. Ich führe an, dass ich und Dr. Marmorek in Budapest waren, um die dortigen Kreise für den Zionismus zu gewinnen. Ich bemerke aber, das Wesen unserer heutigen Bewegung bringt es mit sich, dass sich überall Organisationen bilden und wenn sie sich lebensfähig gezeigt haben und Anschluss suchen, dann unterstützen wir sie gern. Unterstützungen in die Luft können wir nicht geben.

Es hat Herr Dr. Weizmann Schattenseiten in unserem Berichte vermisst; das ist Sache der Opposition im Con­gress, solche zu finden. Sie müssen uns auf das Schlechte aufmerksam machen. Wir können doch nicht oppositioneller sein als die Opposition. Selbstverständlich werden alle Anregungen jetzt und später so aufmerksam aufgenommen und behandelt, wie sieh dabei immer das A.-C. bemüht hat. Wenn eine freundliche Stimmung hier herrscht, so ge­schieht es deswegen, weil man weiss, dass wir uns immer anstrengen, die Vorsehläge und Beschlüsse des Congresses der "Wirklichkeit so nahe als möglich zu bringen. Del. Bergen hat im Rechenschaftsrapport des A.-C. den Bericht desselben als Aufsichtsrath über die Bank vermisst. Ich glaube, dass dazu der Platz beim nächsten Punkte der Tagesordnung ist. Das A.-C. gibt keinen Verwaltungs­bericht, weil es kein Verwaltungskörpcr ist. Das A.-C. hat nur zu den Geschäften der Bank Nein zu sagen, wenn es glaubt, verneinen zu sollen. Wir haben keine Gelegenheit, mehr zu berichten, als dass die Bank ordentlich verwaltet wird und erste Sicherheiten ihres Geldes besitzt und ausser­dem, dass wir nicht nur nominell Aufsichtsräthe sind, son­dern stets Einblick in die Bücher der Gesellschaft nehmen. Delegierter Wortsmann hat über die Anstellung des A.-C. gesprochen. Wie Sie wissen, ist dieser Antrag principiell richtig und ist bereits bei früheren Congressen eingebracht worden. Aber den Standpunkt des A.-C. von damals nimmt es auch jetzt ein: Wir glauben nicht, dass es ver­träglich ist mit der Stellung eines A.-C.-Mitgliedes, Bezah­lung anzunehmen. Es wird hoffentlich eine Zeit kommen, in welcher das A.-C. sieh wird eine Besohlung geben lasssen und ich werde mich sehr freuen, wenn dieser Moment ein­trifft; aber dann bin ich nicht mehr im A.-C. Nichts­destoweniger bin ich sehr habgierig und bitte um sehr viel Geld für das A.-C, über dessen Verwendung Sie selbst ent­scheiden sollen. Geben Sie dem A.-C. mehr Geld, damit es immer mehr thun kann und schicken Sie dieses, nicht da­mit es erspart wird, sondern damit es zur Befruchtung des Bodens, den wir bebauen, ausgestreut werde. (Lebhafter Beifall.)

Feber Antrag des Delegierten Dr. M a 1 z wird hierauf dem A.-C. Dank und Vertrauen ausgesprochen, so­wie der Rechenschaftsbericht genehmigt.

Rede Dr. Max Nordaus.

(Gehalten in der Vormittags-Sitzung des 4. Tages.) Geehrte Versammlung! Wissen macht stark." Ist das immer wahr? Ich fürchte, es macht manchmal auch schwach, denn es ent- muthigt. Wer weiss, ob unsere Vorfahren mit der zähen Treue, die ihren unvergänglichen Buhm in der Geschichte ausmacht, an ihrem Glanben und ihrer Volksilberlieferung festgehalten hätten, wenn sie die Lage ihres Volkes voll­kommen hätten übersehen können. Sie hatten aber, ich