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Die & Welt"

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altet ist. Sie passt nur noch für das gewissse Museum des gewissen C4elehrten. (Heiterkeit und Beifall.) Baron Hirsch dachte,; class in Argentinien die Juden eine feste und dauernde Heimstätte finden können. Wie sind aber die '.fhatsachen ? In Argentinien bestehen zionistische Gesellschaften und. in Argentinien gibt es eine ,,Liga Dr. Herzl". (Lebh. Beifall.)

Aber war denn Baron Hirsch gegen Palästina ? Würde er den Zionismus aus seinem Wohlthätigkeitsvermächtnisse ansgestossen haben? Dieser grosse Mann war für alle Mög­lichkeiten vorbereitet. Ich habe die Satzungen der Ica be­kommen; ich will die wesentlichsten Bestimmungen daraus vorlesen:Die Zwecke, zu denen die Gesellschaft errichtet ist sind folgende: Die Auswanderung der Juden aus irgend­einem Theile Europas und Asiens hauptsächlich aus den Ländern, in denen sie zur Zeit besonderen Kopf- und an­deren Steuern, politischen und anderen Einrichtungen unterworfen sind, zu unterstützen und zu fördern, damit sie nach irgend einem anderen Theil der Welt geleitet wer­den; Colonien in verschiedenen Theilen Nord- und Süd­amerikas und anderer Länder für Agricultur, Handel und andere Zwecke zu gründen und zu unterhalten; von Re­gierungen, Staaten usw. Gebiete, Länder und anderes Ei­genthum in irgend einem Theil der Welt zu kaufen oder durch Schenkung oder auf andere Weise zu erwerben, Capi­tal ien hiezu zu erlangen, Vollmachten, Privilegien, die nöthig oder nützlich sein mögen, um die Hilfsquellen des so erworbenen Landes zu entwickeln und es zu Zwecken der Colonisation geeignet zu machen. Drittens: Zuwendungen, Schenkungen usw. anzunehmen. Viertens: Handels-, Agri- cultur- und andere Niederlassungen in irgend einem Lande, das irgendwo, ausgenommen in Europa, erworben ist, her­zustellen und zu entwickeln durch Anregung, Trainierung, Einhebung, Bestellung und anderes; Quais, Strassen, Eisen­bahnen, Brücken, Häfen, Reservoirs, Werften, Befesti­gungen, Telegraphen, Fernsprechlinien, Fabriken, Mühlen, Synagogen usw. zu errichten, Parlamentsacte, Verord­nungen, Charters zu erlangen. (Lebhafter Beifall.) Ich sage: Da dies die Bestimmungen der Ica sind, so war es die Pflicht der Directoren, als sie den Eindruck beobach­teten, den Herzls Unternehmen auf Herrscher und Regie­rungen machte, Herrn Dr. Herzl zu einer gemeinsamen Besprechung einzuladen. Ich sage nicht, dass sie noth- wendigerweise ihr Geld dem Zionismus hätten zuwenden müssen; aber dass sie vom Zionismus nicht einmal etwas hören wollten, das ist ein offenes Aergernis.

[Dieser Ausdruck wird vom Vorsitzenden gerügt und vom Sprecher zurückgenommen. (Lebhafte Heiterkeit.)]

Ein Schandfleck auf ihrem Namen wird es sein, wenn die Rolle, wenn die Megilla unserer Geschichte einst ge­schrieben wird. (Beifall.) Sie waren nicht nur schlechte Geschäftsleute, sondern als Verwalter unter alier Kritik. Hätte Baron Hirsch gelebt, er hätte Schritte gethan, um Dr. Herzl zu sprechen, und wenn diese zwei grossen Männer zusammen ekommen waren, halte man weg<>n des Ereig­nisses ohne Sorge sein dürfen.

Wilsen Sie, wa* die Directoren der Ic ^ dm Juden antworteten, die, als sie in Palästina durch die plötzliche üebertragung der Bothschildsehen Colonien brotlos wur­den, ihnen sagten: Geben Sie uns 400 Frcs. pro Kopf, dann wollen wir unser Leben auf diesem Boden fristen. Da ant­worteten sie: Nein ! Vierhundert Frcs. könntIhr nicht haben, aber hier habt Ihr tausend Francs, wenn Ihr nach Argen­tinien geht! (Entrüstung.) Können wir uns da wundern, dass ihre Bilanz nie veröffentlicht wird? Wir aber, deren Bilanz jedermann einsehen kann, wir sind die zweifelhaften Ge­schäftsleute. (Sehr gut.) Wir sind die Verachteten, sie sind von Weihrauehwolken. umqualmt. Aber wie sagt doch der Psalmist von den Götzen? Sie haben Augen und sehen nicht, Ohren und hören nicht, Fiisse und gehen nicht! Aber selbst die Hirsch'schen Testamentsvollstrecker sind noch

nicht verloren; ihre Augen werden sich vielleicht noch öffnen; sie müssen sehen, dass ein Stein nicht bergauf rollen will. Wie viel leichter ist es doch, Kinder zu unter­richten, die lernen wollen, als solche, die man erst mit Zucker anlocken muss. Wie viel' leichter ist es, die Wollen­den, die Willigen in Palastina anzusiedeln, als die nicht Wollenden nach Argentinien mit Geld zu locken. Deshalb sage ich den Testamentsvollstreckern: Wenn Ihr praktische Geschäftsleute seid, so gebet dem Zionismus Nüttel. Ich ei innere aber auch daran: bis dat qui cito dat. Wenn Ihr nicht rasch gebet, so kommt vielleicht der Tag, wo Ihr die Nutzlosigkeit Eurer Anstrengungen einsehend uns Eure Millionen anbietet und wir sie ablehnen werden. (Lebhafter Beifall.)

Es gibt .auch noch ein anderes, grosses Capital zum Nutzen der Juden, gleichfalls viele Millionen betragend, das Capital der Gesellschaft für Judenbekehrung (Heiter­keit). Diese Millionen, die man den «luden anbietet, wollen sie nicht anrühren. Diese beiden grossen Capitalien haben noch eine andere Aehnlichkeit: die Kosten eines Getauften und die Kosten eines Colonisten sind ungefähr dieselben. (Heiterkeit und Beifall.)

Zwischen diesen beiden zum Hohne aufgehäuften Capi­talien leiden und sterben die Juden von Bussland und Ru­mänien. Die Missionäre sagen: Tauft Euch! Die Hirsch- scheu Testamentsvollstrecker sagen: Bettelt! Der Zionismus sagt: Arbeitet! (Stürmischer Beifall.) Denn der Zionis­mus bezweckt nicht, das Volk Israels in Bettler zu ver­wandeln, sondern das Land Israels zu erlösen, und darum bitte ich Sie, Ihr Geld nicht zu zerbröckeln, indem Sie hie und da kleine Geschäftchen einleiten, wenn sie auch noch so vielen Nutzen abwerfen; denn dann wäre Ihr Capital fest­gelegt und nicht zur Verfügung, wenn einmal eine grosse Summe nöthig wird. Benützen Sie Ihr Geld bloss dazu, für unser wanderndes Volk eine Heimstätte zu bereiten. Unsere letzte Heimat, ist, ach, in Binnen und Trümmern, und doch, wenn sie nicht in Trümmern läge, wäre sie nicht menschenleer und würde nicht auf uns warten. Kein Al­mosen den Juden, sondern bloss ihren Antheil an der agri- culturellen und industriellen Entwicklung 'Palästinas: Nicht ungeduldig werden, nicht auf die hören, die fragen, was>t ist Keues in diesem Congressen beschlossen worden. Xeues? Glauben Sie vielleicht, dass wir Wunder thun kön­nen, dass wir Wasser in Wein verwandeln können? (Leb­hafter Beifall!)

Im Jahre 08, als Titus um Jerusalem schlich, da ent­wischte der Vater des Anti-Zionismus, Jochanan ben Sakkai, aus der heiligen Stätte in einen Sarg und floh ins reimische Lager. Er war überzeugt, dass die Juden ohne Land leben können bloss von ihrer Thora. Heule, 1833 Jahre später, stehe ich hier und sehe Delegierte aus allen Ländern der Diaspora, die immer noch rufen: Wenn ich dciir vergässe, Jerusalem, möge meine Rechte verdorren'. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Das ist wunder genug. Der Zionismus lebt, und der Anti-Zionismus ist wieder einmal im Sarge. (Hei­terkeit.) Was sinf fünf Jahre im Leben einer Nation? Fünf Jahre, nachdem wir 1800 Jahre gewartet haben! Mag sein, dass es keinem von uns bestimmt ist, die grossen Hoff­nungen sich erfüllen zu sehen, mag sein, dass Dr. Herzl, wie einst Moses, nur von ferne das verheissene Land sehen wird, aber selbst in diesem Falle sind wir zufrieden, wenn wir dazu beigetragen haben, für die Zukunft eine prak­tische Politik vorzubereiten. Auch dann sind wir zufrie­den, wenn von uns einst geschrieben wird: Sie fanden das Chaos und die Zersetzung, und sie hinterliessen Idealismus und einen Zweck. (Lebhafter Beifall.) Aber obschon wir auch zufrieden wären, wenigstens Knospen zu sehen, wenn wir früher sterben müssten werden wir doch noch mehr als zufrieden sein, wenn Dr. Herzl und alle, die wir hier sind, die Blüten sehen konnten. Darum fordere ich diesen