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IX., Türkensfrasse Nr. 9.
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Bezugspreise:
ganzjährig Shg.
Nr. 14.
Wien, 4. April 1902.
6. Jahrgang
Zionismus in Ungarn.
i.
Die Vertrauensmänner in Pressburg.
Pressburg, den 31. März 1902.
M. N. „Und sie bewegt sieh doch!" Trotz allem und jedem, trotz unseren, kleinen Grossen, trotz unseren verführten „Führern", eilt die zionistische Idee, wie von Flügeln getragen, durch die Welt. Nun ist auch in Ungarn dem Zionismus der Boden geebnet. Unsere Saat, die wir von langer Hand vorbereitet und sorgfältig ausgestreut, ist aufgegangen, und unsere- Hoffnung grünt von neuem. Wir werden Sorge tragen, dass sie auch blühe und Früchte trage.
Es war ein schöner Abend, der gestrige Abend. Keine lärmende A^olksversaiiimlung, kein englisches Massenmeeting, nur eine Ideine Anzahl von Männern, aber gross durch ihr heiliges inneres Streben, gross durch ihre Kraft der Ueberzeugung, kam in der alten Residenz Ungarns, in Pressburg, zur Arbeit zusammen; zionistische Vertrauensmänner aus allen Gauen Ungarns versammelten sich am Ostersonntag (abends), um Genaueres über die Propaganda des Zionismus in ihrer engeren Heimat zu bcsehliessen. Herr Dr. Janos Ronai (aus Baläzsfalva) wurde zum Präsidenten, Herr Dr. Bela Oesterreicher (aus Neusiedel am See) zum Vice-Präsidenten, und Herr Samuel Bettelheim (aus Pressburg) zum Schriftführer der neuen Federation gewählt. Biese gewiegten und erfahrenen Zionisten, deren Wahl allein die Bürgschaft für den Erfolg in sich trägt, arbeiteten nach längerer Berathung die Grundlage der ungarischen Landsmannschaft aus. Es ist kurz, wie das berühmte Hillel-Wort, welches die Quintessenz des Judenthums in einen Satz zusammen fasste, in zwei kleinen Sätzen enthalten:
1. Unter voller Auf rechterhaltung des B a s e 1 e r Prog r a m m e s erstreben die u n - gari sehen Zionisten für die heimatlos e n J u d. en d i e S c h a f f u n. g einer öffentlich-
gesicherte]!
Heimstätte in P i
rechtlich 1 ä s t i n a.
2. I) i e ungarischen Z i o n i s t e n n i. e h t a 1 s p o 1 i t i s c h e Nationalität u n d keine Nationalitäten -Politik garn treiben.
Dieses Programm, das klar und scharf die Aufgaben des Zionismus in Ungarn feststellt und begrenzt, f ind
w o 11 e n gelten in Uli-
einstimmige und begeisterte Aufnahme in der Vcrtrauens- luänner-Versammlung. Dieses Programm ermöglicht es jedem, ungarischen Juden, der sein Herz für das Judenthum noch nicht ganz verloren hat, sich der zionistischen Idee ganz anzuschliessen und für sie mit voller Kraft einzutreten, unisomehr als dies sogar im Interesse des ungarischen Staates gelegen ist, ja, zu seinem Wohle und Heile gereicht. Denn Ungarn ist einer Infiltration, ja sogar noch mehr, einer massenhaften Invasion der armem Juden des Ostens, von Rumänien, Galizien und Russland her, ausgesetzt. Da Ungarn seiner liberalen Tradition, die es als kostbaren Sehatz aus dem Jahre 18-18 hoch und heilig hält, nicht untreu werden will, kann es und darf es dieser massenhaften ] >a u pc r ist i sehen Einwanderung nicht entgegentreten, und steht nun die ungarische Eegierung, welche nicht mit der glorreichen Vergangenheit brechen möchte, und welcher es doch vor der Zukunft bangt, vor einem Zwiespalte, der ihr schon grosse Sorgen bereitet hat. Durch Unterstützung der wahrhaft humanen und menschlich-grossen Idee des Zionismus, die den armen Heimatlosen eine Heim- und Buliestätte auf dem Boden ihrer Väter zu schaffen bestrebt ist, könnte Ungarn am besten aus dem bangen. Dilemma herauskommen. Wir glauben daher mit Fug und 'Rocht, dass es sich Juden wie Nichtjuden Ungarns angelegen sein lassen sollten, den Zionismus aufs lebhafteste und wärniste zu unterstützen.
Eingedenk des grossen Freiheitsdranges, der dem ungarischen 'Volke seit jeher innewohnt, und der gewiss auch die Rechte der Beeiprocität anerkennt und billigt, können wir mit Bestimmtheit annehmen, dass unser Bestreben, denjenigen unserer Brüder, welchen jedes Thor und jedes Haus verschlossen ist, eine Heimat zu schaffen und einen. Strahl volklicher Freiheit zu schenken, bei den hochherzigen Magyaren, die stets für alles Grosse und Erhabene mitgefühlt und in erster Reihe mitgekämpft haben, nur vollste Zustimmung und innigste Sympathie finden, werden. Alle Freiheitsbewegungen Europas ältester und neuester Zeit haben im Ungarlande, wo nach einem berühmten Worte Pesider Szilägyis „selbst der Holzknecht politisch fühlt'', ein kräftiges Echo gefunden, und wurden aufs wärmste unterstützt. Es soll nur hier ganz kurz an die Begeisterung erinnert werden, mit denen die Freiheitskämpfe der Polen, der Hellenen und der Boeren in Ungarn begrüsst wurden. Pie Juden, welche den ungarischen Staatsgedanken seil jeher verständnisvoll erfasst haben, die für ihn ihr Gut und