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Nr. 19.
Wien, 9. Mai 1902.
6. Jahrgang
Noch einmal die Thätigkeif der „Alliance".
Von Dr. A. Elias (Mülhausen). Gegen die Ausführungen meines letzten Artikels über die Thätigkeit der „Alliance" sind von befreundeter und gegnerischer Seite verschiedene Einwände erhoben worden. Es hiess: Die „Alliance" hat nicht nur den' Zweck, den nothleidenden Juden Hilfe zu bringen, siev ist-auch ein Bildimgsinstitut, und als solches hat sie durch ihre Schulen wahre Wunder bewirkt. Dass sie bis jetzt nicht vermocht hat, das Elend der Juden zu vermindern, beweist nicht, dass ihre Methoden nichts wert sind. Sie möge dieselben nur ausbilden; sie möge nur den Weg weiter gehen, den sie gegangen ist; sie möge nur von den Juden besser unterstützt werden, und die Hoffnung ist nicht ausgeschlossen, dass sie endlich der Noth und den Bedrückungen ein ,Ende machen werde. Als Auswanderungsgebiet wählte sie bald dieses, bald jenes Land, je nachdem die An- siedlungs-Beclinguiigen in einem Lande sich verbesserten oder verschlechterten. Für die Golonisten konnte sie nicht viel thun, weil ihre Mittel beschränkt sind.
Thatsächlich hat die „Alliance", nach ihren Statuten, nicht nur den Zweck, denjenigen, die in ihrer Eigenschaft als Juden leiden, eine wirksame Hilfe angedeihen zu lassen, sie soll auch für die Gleichstellung und den culturellen Fortschritt der Juden arbeiten.
Die ,.Alliance" - Schulen sollen der Bildung und der culturellen Hebung der Juden dienen; sie haben jedoch diesen Zweck kaum erreicht. Beweis: Der Bildungsgrad und der Bildungsdrang der Juden Russlands, wo es keine „Alliance" - Schulen gibt, ist viel grösser als der der Juden der Gegenden, in denen die „Alliance" ihre meisten Schulen unterhält. Die „Alliance"- Schulen können auch die Bildung nur wenig fördern, weil ihr Programm den elementarsten Forderungen der Pädagogik widerspricht
Wie Leven in einem Berichte im Jahre 1873 mittheilt, sucht die „Alliance* in ihren Schulen „mit dem Programme unserer europäischen Schulen zugleich das ernste Studium der hebräischen Sprache, eine oder zwei europäische Sprachen und die Landessprache einzuführen". Was unter dem Programme der europäischen Schulen zu verstehen ist, lehrt das
Bulletin des Jahres 1895. Nach demselben wird in den „ Alliance"-Schulen ausser den Sprachen noch allgemeine und jüdische Geschichte, ferner Geographie und die Wissenschaften gelehrt. Unter Wissenschaften sind Mathematik und Naturwissenschaften zu verstehen.
In den „Alliance"-Schulen werden also ebensoviel oder noch mehr Fächer gelehrt als in einer deutschen Real- oder Oberrealschule. Soweit ihr Programm in Betracht kommt, stehen sie auf derselben Stufe, wie unsere Realschulen. Bedenkt man jedoch, dass die Lehrer nur Elementarlehrer sind und dass die Schülerzahl im Verhältnis zur Lehrerzahl eine viel zu grosse ist, so halten sie nur noch einen Vergleich mit unseren Elementarschulen aus. Zieht man ferner in Betracht, dass in einer Fremdsprache unterrichtet wird (das Französische ist die Unterrichtssprache der meisten „Alliance"-Schulen), so sinkt die „Alliance"-Schule tief unter das Niveau unserer Elementarschule.
Dass die Resultate unter solchen Umständen keine glänzenden sein können, liegt auf der Hand und wird auch theilweise von der „Alliance"-Leitung zugestanden. Von einem gebildeten Menschen verlangt man in erster Linie, dass er die Landessprache beherrscht. 1893 muss die „Alliance" in ihrem Berichte zugeben, dass in der Türkei, wo sie ihre meisten Schulen hat, der Unterricht in der türkischen Sprache nur mangelhafte Erfolge aufweist. Nur in einem Fache, im französischen Sprachunterricht, scheinen die Erfolge ganz grossartig zu sein, obwohl die Beherrschung der französischen Sprache für künftige Handwerker, Bauern und kleine Handelsleute im Orient so gut wie wertlos ist und sie auch nicht das nothwendige Attribut des gebildeten Nicht- franzosen ist.
Französische Sprache und französische Methoden spielen übrigens in den „Alliance"-Schulen eine so grosse Rolle, dass ein französischer Palästina-Reisender, Gabriel Charmes, in einem 1884 herausgegebenen Werke der Hoffnung Ausdruck geben konnte, Frankreich werde durch die Vermittlung der „ Alliance "-Lehrer eine jüdische Glientel in Palästina erhalten, die sich an die katholische französische Glientel angliedern wird.
Diese Hoffnung ist begründet. Sie entspricht aber weder den Tendenzen, die in den „Alliance"-Statuten