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Nr. 13.
Wien, 27. März 1903 — 28. Adar 5663.
7„ Jahrgang
Zionismus und jüdischer Nationalismus.
Es gewährt einem ernsten, sein Volk liebenden und seiner angeborenen Pflichten gegen seine Gesamtheit sich bewussten Jaden immer eine grosse Genugtuung, wenn so ausgezeichnete Stammesgenossen, wie Herr Ernst M e z e i, sUh mannhaft und vorbehaltlos zu ihrer Abstammung telennen und aus ihrem Verhältnisse zu ihrem Staurnme die richtigen Folgerungen ziehen. Das Verdienst ist umso grösser, als dieses Bekenntnis in dem FuLle des Herrn M e z e i unter besonders schwierigen Terhältnissen erfolgte. Denn Ungarn ist das Land einer issimilation, wie sie so fanatisch weder in Frankreick, das die Spezies der „Gallier jüdischer Konfession" und der Freidenker, die „folglich" mit dem Judentum nichts mehr gemein haben, kennt, noch in Deutschland, das die Spielart der jüdischen Antisemiten hervorgebracht hat, zu beobachten ist. Es mag traurig sein, aier es ist nun einmal so: in einem derartigen Milien laut und deutlich zu sagen: „Ich bin Jude, es zu sein ist mein Stolz, und ich will es bleiben!" ist eine sittlich tapfere Tat, eine Art „Keriath Schema* vor aller Welt, der eine besondere Weihe innewohnt.
Wir Zionisten Laben den Grundsatz, dass wir bei jeder Gelegenheit und aus allen Kräften nicht zur Zwietracht, sondern zur Einigkeit hinarbeiten müssen, dass unsere erste uni wichtigste Bemühung die gegenseitige Annäherung 1er nur allzu sehr auseinandergerissenen Elemente des Judentums zu sein hat Wir betonen deshalb im gegenwärtigen Stadium der Wiedervereinigung des jüdisclen Volkes alles, was uns einigen kann, und vernachlässigen absichtlich und bewusst alles, was uns trennen muss.
Wir halten es natürlich auch mit Herrn Ernst M e z e i so. Er hat über das Wesen und die Ziele des Zionismus goldene Worte gesprochen. Er hat mit vollem Verständnis dte Bedeutung der Schaffung einer Heimstätte für die "Millionen heimatloser Juden begriffen und mit richtigem politischem Blicke erkannt, dass der Gedanke einer Ansiedlung unserer Brüder in Palästina ausführbar seine Ausfuhrung wesentlich nur eine Geldfrage ist Zu diesem Teile seiner Aus-
*) Siehe .Die Walt* Nr. 9.
führungen können wir ihn uneingeschränkt beglückwünschen.
Anders verhält es sich allerdings mit dem zweiten Teile seiner Rede, in der er den Bestand einer jüdischen Nationalität leugnet und in diesem Gedanken nur eine Art trotziger, erbitterter üebertreibung der Polemik gegen den Antisemitismus sehen will Hier geht Herr M e z e i vollkommen fehl. .Wir müssen dies feststellen, um zu verhindern, dass es andere in ihren richtigen Ueberzeugungen irremacht und erschüttert, aber wir begreifen und entschuldigen seine unzutreffenden Ansichten. Wo er für den Zionismus eintrat, da sprach sein unfehlbares jüdisches Gefühl. Wo er die jüdische Nationalität bestreitet, da haben wir es mit einer Aeusserung seines Verstandes zu tun, der aus dem Stegreif eine Frage behandelt, da er bisher offenbar keine eingehende Aufmerksamkeit gewidmet hat. Wir sind überzeugt, dass Herr Mezei bei ernsterer Beschäftigung mit der Frage der jilischen Nationalität zu unserer, zur zionistischen Anschauung gelangen würde. Die Leugnung der jüdisc3ien Nationalität ist das unheilvolle Werk des napoleonischen Sanhedrin. Diese Lehre ist das Dogma aller Assimilanten geworden. Sie sind freilich die einzigen, die daran glauben. Kein Christ der Welt, araeh nicht der judenfreundlichste, nimmt es ernst. We Juden klammern sich daran, weil sie die Begriffe- Staatsbürgerschaft und Nationalität verwechseln und tittern, man könnte ihnen die erstere absprechen, weo_ sie inmitten einer Mehrheit von anderer Nationalität sich nicht zu dieser, sondern zu einer besonderen, eigenem-, bekennen würden. Gerade von einem ungarischen Staatsbürger, einem ungarischen Politiker nnd Patrioten, sollte man sich eines solchen — man verzeiher meine Offenheit: naiven — Irrtums am wenigsten ye-rsehen. In Ungarn gibt es eine ganze Anzahl Nationalitäten, welche die Weisheit des Gesetzgebers ausdiikklich anerkennt, denen das Gesetz bestimmte Rechte eingeräumt hat, von denen niemand verlangt, dass s ie ihre Besonderheit und Eigenart verleugnen und deren Vaterlandsliebe gleichwohl niemand bezweifelt. Der angarische Slowake, Ruthene, Serbe, Rumäne, Schwabs, von den wenigen Bulgaren, Griechen, Armeniern niclit zu sprechen, kann ein guter Ungar sein, ist es auch in der Regel; aber