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Hierauf wurden die Wahlen des Landes-Koimiiees vorgenommen, und zwar wurden per acclamationem gewählt: Dr. J. R ö n a i (Baläzsfalva) der wegenErkrankung an der Konferenz nicht hatte teilnehmen können, zum Präsi­denten, Dr* B* Oestör reicher zum Vize-Präsidenten, S. Betteiheim zum ßureauleiter; von den Vertretern der einzelnen ZentralTereine Wurden die Herren Emil Neumann, Moriz Krausz, A. Reichenthal, J. Gabel, Komlösi unei andere in das L.-K. gewählt. Damit waren die Beratungen der Landeskonferenz zu Ende.

Abends fand «in. Festessen zu 120 Gedecken statt, das sehr animiert verlief. Zu demselben hatte sich in Vertre­tung des nieder österreichischen Distrikts-Komitees Dr.Martin Engländer aus l^ien eingefunden, der die Grrüsse und Glückwünsche dar Wiener Gesinnungsgenossen über­brachte und stürmiscli akklamiert wurde. Es wurden die aus den verschiedene wen Städten des Landes, sowie vom Wiener Aktions-Kom itee, der Zionistischen Vereinigung für Deutschland etc. eingelaufenen Begrüssungstelegiamme unter Eljen-Rufen und Applaus verlesen. Zahlreiche ernste und launige Trinksprüche wurden ausgebracht- Das Vereinsorchester und der Männerchor des Vereines «,Aha- wath Zion" überraschten namentlich die auswäitigen Gäste durch die wahrhaft künstlerische Qualität ihrer Darbietungen,

Nationalfondsnia-rken wurden in grosser Menge ab­gesetzt und dasBeaschen" zugunsten des Nationalfonds versteigert Noch in später Nachtstunde waren die Fest­teilnehmer in heiterer und doch ernst-begeisterter Stim­mung beisammen. So fand die Landeskonferenz einen würdigen Abschluss, der den günstigen Eindruck, welchen wohl alle ihre Teilnehmer gewonnen haben, wesentlich ergänzen und hofft»tlich mit dazu beitragen wird, den Arbeitseifer unserer ungarischen Gesinnungsgenossen neu anzufachen, ihre Tatkraft für weitere Kämpfe und An­strengungen zu stählern. M. Z.

Zeitschriften - Rundschau.

Im deutschen ISeich. u Zeitschrift des Zentral verein es deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Berlin,, März 1903. Inhalt; Rückblick auf die zehnjährige Tätigkeit des Zentralvereines deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Verblendung. Umschau. Korrespondenzen. Vereirusnach- richten. Bücherschau.

L'Echo Sionnislfc* bringt in seiner Nummer vom 15. März a. c. einen Aufruf Dr. Alexander Marino reks, der mit dem Hinweise auf den VI. Kongress, zu strammer Arbeit und zur Einhebung des Schekels auffordert. Ueber Psychologie und Zionismus" schreibt 1. Z angwill in gewohnt lebendiger und überzeugender Weise. Ue&er das Verhalten der Franzosen zu den bedrückten Mazedoniern einerseits und-zu den entsetzlich gequälten rumänischen Juden andererseits macht Dr. Raskine treffende Be­merkungen. Ueber dieRenaissance der hebräischen Lite­ratur* berichtet N. Sl o u s c h z. Die Beiträge E b & r 1 i n s und Cantors,TEevue des Presses" und eine jüdische Chronik bringen Lesenswertes.r.

Im Februarhefte desWoschod" finden wir eine sehr interessante, psychologisch feine Erzählung des bekannten russisch-jüdischen Schriftstellers Dawid Aismani. Dieser begabte Novellist, d<er bisher nurinrein russischen Revuen mitarbeitete, wenn &r auch immer jüdische Stoffe behandelte, hat sich nun auch A.e>r eigentlichen russisch-jüdischen Lite­ratur zugewendet. Die vorliegende Erzählung heisstDer Sklave" und berührt eine der schmerzlichsten Selten des jüdischen Geisteslebens den Mangel an schöpferischer Eigenart, an bewu&sler, stolzer Individualität. Der Ver­fasser schildert uns den Seelenzustand des Malers S oif er, der in Rom lebt. Lange Jahre hat er sich künstlerisch be­tätigt, viele Lorbeerkränze hat er durch seine Schöpfungen sich errungen, aber In seinem Gemüte trägt er tiefe Unzu­friedenheit. Es überkommt ihn ein Gefühl der Müdigkeit, der Erlahmung des Sch<>pfertriebes und-Könnens. Und ihm, dem alten Meister, erklärt nun ein junger Künstler, Gomplo- w i t s c h,der aus Galizien nach Rom gekommen ist, was ihm fehle. Dieser junge Enthusiast zeigt ihm,? dasser, der alte So i f e r, kein selbständiger Schöpfer war, dass er immer im Kielwasser anderer sehwamm, dasserseineeigenelndividuali- tät verleugnete und sein Talent verkaufte. Und die Worte des jungen Künstlers, in dessen Brust jüdisches Nation algefühl lebt, prägen sich dem Meister ein; er lässt seine ganze künstlerische Verarmgenheit vor seinem geistigem Auge vorüberziehen uni überzeugt sich, dass er nutr dann

schöpferisch, individuell war, wenn er aus dem Leben des jüdischen Volkes seine Stoffe schöpfte, Aber hier beginnt in ihm der wahre, tragische Seelenkaiapf. Er spürt, dasser nie wieder schöpferisch werden wird, er fühlt, dass er nun und nimmermehr zum jüdischen Volt* zurückkehren kann er fühlt, dass er einSklave* bleiben muss. Ck.

Es liegt nun vor uns das zweite Heft der neuen russisch-jüdischen ZeitschriftJewrejsb-ja familnaja biblioteka" (Jüdische Familienbibliothek), die vonti bekannten Schrift­steller Rywkin herausgegeben wird. Das Heft ist beinahe ganz von belletristischen Beiträgen ausgefüllt. Und das müssen wir nur loben, denn wir sehen hierin eine Renaissance des jüdischen Schöpfer^ e nies. So zum Bei­spiel verspricht die Erzählung des in den Neun­zigerjahren bekannten russisch-jüdischen Schriftstellers S. JaroschewskiDie Sphinx - , uns ein wahrheits­getreues Bild zeitgenössischer Verhältnisse zu geben. Schön ist auch das Gedicht» Samson" von Skital e z (einenriRussen). Die publizistisch-kritische Seite des Heftes ist schwach.

Ck.

Im Jänner-Hefte der weitverbreiteten jussischen MonatschriftMir Boschi" (Gottes Weit") finden wir eine seelenvolle, realistisch wahre Erzählung aus dem Leben der russischen Juden aus der Feder der begabten Schrift­stellerin K. M. Chin.Das Wunderkind 4 ' heisst die Er­zählung. Es ist eine schlichte, alltägliche Geschichte von einer Jüdin, die mit ihrem Kinde, einem achtjährigen Knaben, einem wahren Wunderkii ie in musikalischer Beziehung, eimm Naturgenie, nach Moskau kommt. Sie will hier ihrem Kinde die Möglichkeit schaffen, sich zu vervollkommnen, ihm einen Weg zum Ruhme, zur Un­sterblichkeit bahnen. Ihre Versuche scheitern an der un­glückseligen Wohnrechtsver Weigerung. Diese suchende Mutter, eine jener jüdischen Frauen aus der Mittelklasse, mit all den Eigenschaften, die den Stolz und die Eigen­tümlichkeit jüdischer Frauen bilden, selbstbewusst bis zum Trotze, auch in ihrer Armut, entschliesst sich in ihrer Not­sich zu demütigen, alle Eigenliebe fceiseite zu lassen, da es sich um das Glück ihres Kindes handelt. Nicht Eigen­nutz, nicht Habsucht sind ihre bewegenden Motive, sondern ein Idealtsmus, ein Drang zum Grossen.Wenn man mir die Wahl lassen würde," sagte sie, , 3 ob mein Sohn Roth­schild oder Rubinstein werden soll, ich würde ohne weiteres das zweite wählen " Und auch ein anbewusster National­stolz lebt in ihr.Gott schafft unter den luden solche begabte Menschen,*' räsonniert sie,weil sie eo unterdrückt sind. 4; Qnbewusst stösst sie einen Schrei (Le-s Protestes über ihr zertrümmertes Glück aus und überkragt ihr subjektives Gefühl auf die unendlich lange Reihe von Generationen, auf alle die leidenden Glieder ihres Volkes. Aber während sie, diese arme Frau, die nationale Zusammengehörigkeit so klar und deutlich begreift, findete dieses Gefühl seinen erbittertsten Gegner in den Personen der jüdischen Protzen Jakobsohn, die, wie überall, Stockassimilanten sind. Die reiche Frau Jakobsohn weist die arm© Mutter des Wunder­kindes, dessen Genie bereits musikalische Autoritäten an­erkannt haben, ab, eben weil sie eine Jüdin ist. Und die christliche Gesellschaft, in die sie du drin gen will, hat für sie nur Verachtung und Spott. Auch ein Kampf zwischen der alten und jungen Generation tritt in dem Verhältnisse der Töchter der Frau Jakobsohn zur Mutter hervor. Diese fühlen den Hauch der Freiheitsbewegung und sind über den Servilismus der Mutter empört.Du bist vielleicht gar eine Zionistin, gleich wie all die Bettler?" sagt die ent­rüstete Mutter zur Tochter. Und auch tiierin hat die begabte Schriftstellerin, wenn auch allem Anscheine nach keine Zionistin. den Kern der Frage richtig erraten. Der Zionis­mus in Russland ist eine Koalition strebender jüdischer Geister mit dem jüdischen Volke, ümd auch dipsen Typus der freiheitssüchtigen, sich auslebenwollenden Persönlich­keit, die in der zionistischen Bewegung die Lösung von schweren und langen Fragen sieht, finden wir in Emma, der Tochter Jakobsohns. Im allgemeinen macht die Er­zählung auf uns einen düsteren Eindruck ein unruhiger, unmöglicher Zustand, aber wir ahnen schon das Erwachen zum frohen Lichte voraus, wir sehen durch dichte Nebel die ersten Strahlen der Hoffnung schimmern. Ck.

In keinem anderen Lande vielleicht hat der Anti­semitismus einen so extrem gehässigen Charakter an­genommen, als in Russisch-Polen. Manche Zeitungen be­schäftigen sich par excellence mit Jüdischen Fragen und unterlassen keine Gelegenheit die Juden, den Zionismus, die jüdische Literatur zu begeifern. Sk> zum Beispiel bringt dieNiwa Polska" in einer einzigen Nummer zwei Artikel über die Juden:Die Zionisten und die Kasse von Mia- nowski" (über das Buch von Dr. J u d t:Die Juden als