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Nr. 17.

Wien, 24. April 1903 27. Nissan 5663,

7. lahrgang

Die Alliance isvaelite universelle.

TT. Arn 29. April soll in Paris die Generalversam^nlung der Alliance stattfinden. Es ziemt sich also wohl, .nicht nur die offiziellen Berichte der Alliance selbst anzuhören! sie verfahrt damit, ihre Selbstteräueherung ausgenonnpiien, - sehr sparsam und summarisch sondern .auch zu prüfen, was an Beschwerden gegen sie vorliegt. 1 Die erste, die haupt­sächlichste Pf lieht der Alliance, überall die Ehre des jüdi­schen Namens zu wahren, denen, die in ihrer Eigenschaft als Juden leiden, wirksamen Beistand zu leisten, hat sie in dem letzen Jahrzehnte aufs gröblichste vernachlässigt Nur gezwungen, wenn die Schuren vertriebener, heimatloser Juien bereits ihr nacktes Elend in die behaglichen Heim­stätten glücklicherer Brüder trugen, wenn die Ifot und der Jaimner der Unglücklichen Itereits die Strassen der grössten europäischen Städte erfüllten, .und erst, wenn die behag­lichen Stunden der Reichsten .unseres Yolkes in. Gefahr waren, gestört zu werden, pst. dann raffte sie sich zu einer gainz unorganisierten, kostspieligen und oft vollkommen ver­fehlten Aktion auf. Nicht um die Ehre des jüdischen Namens ging es ihr dabei, sondern nur darum, die Elenden auf irgend eine Weise an einen anderen Ort zu bringen. Dies Schreckensszenen der rmnänischen Judenw&nderung der letzten Jahre leben noeh zu grauenhaft in meiner Er­innerung, als dass ich diesen Teil der Tätigkeit dei Alliance niclit als einen der unglücklichsten betrachten müsste. Wohl, das Unglück war nun zu gross geworden, als dass es auf die Dauer selbst von der Alliance hätte übersehen weiden kön­nen. Darum hat sie in der Tat in den letzten Jahren Ver­suche gemacht, sich auch mit der Emigrationsbewegung zu befassen. Sie ist, wie sie sagt,durch ihre materiellen Mittel, wie auch durch das persönliche Ansehen ihrer Leiter mit Erfolg für eine Besserung tätig" gewesen. Wir haben von jeher die Bescheidenheit bewundert, durch welche sich die Alliance auszeichnete, wenn sie sieh ihrer Erfolge lülmite. Man muss aber vlrklich staunen, wenn man nach all den abscheulichen Vorgängen, die sich zutrugen, nach der traurigen Kopflosigkeit, die sie gerade auf diesem Ge­biete gezeigt hat, von einein Erfolge sprechen hixrt. Vor mir liegt ein Schreiben in Cfonada angesiedelter rumänischer Auswanderer. Eines von vielen. Es sind unglaubliche Dinge, die da erzählt werden. Die Leute wurden in eine unkultivierte Gegend gebracht, dort wurde eine Zeitlang mit

ihnen experimentiert und dann wurden sie einfach ihrem Schicksale überlassen. Es wäre verfehlt, der Alliance allein die Schuld für diesen und zahlreiche andere Fälle aufzubürden; aber mitschuldig ist sie und leider auch haupt- sehuldig.

Wenn man bedenkt, dass Leute von Namen, auch Männer ion gut jüdischem Empfinden, in der Leitung der Alliance sitzen, dann kann man nur eines annehmen, dass sie sich viel zu wenig um das kümmern, Avas ihre Beamten­schaft tat.

. Aber bei diesem Punkte wollen wir nicht zu lange ver­weilen. Diese Art von Tätigkeit die Hilfe für die Unter­drückten und Emigranten ist ja die schwerste und auch die der Alliance unsympathischeste. Ihr Lieblingsstrebcn ist ja die Gründung von Schulen und sie erzählt mit Stolz, dass 30GOO Schüler die Schulen der Alliance besuchen. Iis sind- die Elementar-, Handwerks- mul Ackerbauschulen gemeint Auch dieses grosse und zweifellos schöne Werk hat die Alliance glücklieh zu einer Gefmhr für das jüdische Volk gemacht, statt zu einer mächtigen Hilfe. Die Alliance, die sich hi ihrem Aufrufe rühmt,viele tausende von Kin­dern zu treuen Anhängern ihrer Beligion" erzogen zu haben, hat damit eine der gröbsten Unwahrheiten in die Welt posaunt Gerade das Gegenteil ist wahr. DieAlliance bestreit sich systematisch, in ihren Schulen den noch vorhandenen jüdischen Geist i u s c h w ä c h e n. Man erinnere sich nur an die allerletzten Vorgänge in Philippopel und man wird dieses Diktmn, das übrigens durch viele andere Fälle ähnlicher Art illustriert werden kann, niclit zu hart fhiden. Das jüdische Volk braucht keine französisch parlierenden, dafür aber in ihrer eierbten Sprache nur zur Not unterrichteten Bewun­derer französisch-jüdischer Nichtigkeiten. Wir neiden der Alliance nicht den Ruhm, dass sie Leroy-Bcaulicu als eine: Verbreiterin der französischen Sprache in allen Ländern, wo ihre Schüler sind, mit Recht überaus loben darf. Dieses Ziel mag in den Augen der Franzosen ein hervorragendes sein. Die Juden haben von der Alliance Dienste für eine ganz andere Sprache und für eine ganz andere Lebcnsanschauung erwartet. Um. solche imitierte französische Stutzer zu erzeugen, wie: man sie in allen grösseren Städten des Orients sehen kann, um solche Kari­katuren eines wirklich hervorragenden Volkes, wie des f ran-