Die $ Welt"

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erkenmmgc für alke jene Herren, welche sich der Mühe unter­zogen; hatten* Pfobepredigten hier .abzuhalten», und hebt hervor, dass unter diesen besonders einige « sich s^lir hervor­getan haben. (Allgemeine Zustimmung.)

Wien. Die 20. ordentliche Generalversammlung der I s r a e 1 i t s c b ö n Ällia n z" zu Wien findet am 30. April 1903 um 6 Uhr abends im Saale der israelitischen .Kultus­gemeinde, L, Seiten st ettengasse 4, 2. Stock statt Tages­ordnung: 1. Bericht über die Tätigkeit des Vereines im Jahre 1902. 2. Bericht über die finanzielle G-ebarung im Jahre 1902. 3. Wahl von fünf Vorstandsmitgliedern mit vierjähriger Funktionsdauer (§ 6 der Statuten), Die Reihe zum Austritte trifft die Herren: David Ritter v. Gut­mann, Oberrabbiner Dr. Güdemann, Wilhelm P appen- heim, Leopoll Trebitsch, Donat Zifferejr. 4. Wahl eines Vorstandsmitgliedes mit dreijähriger Funktionsdauer. 5. Etwaige Anträge der P. T. Mitglieder (§ 8 dar Statuten). Der Eintritt in las Versammlungslokal ist nur gegen Vor­weisung der auf Namen lautenden Einladung gestattet.

Wien. Am T. April fand die Grundsteinlegung zu einem Mädchen-Waise» hause statt, welches aus den Mitteln der Charlotte Mercies-Stiftung in Ober-Döbling, Gebhartgasse, gebaut wird. Än derselben nahm das Kuratoiium; Herr Oberrabbiner l>r. Güdemann, die Doktoren Leopold L i b i t z ky, M wy und Herr k. k. Ober-Ingenieur Arthur Edler v.Mises, Herr Architekt Baurat Wilhelm Stiassny und Herr Stadfcbaumeister Edmund Meich er teil. Nach einer kurzen Ansprache des Oberrabbiners, welcher den Zweck dieser Humanitären Stiftung betonte, wurde die Metallkapsel, \redche die Urkunde einschloss, rarlötet und von dem Architekten in den Grundstein versen kt.

Prag. DieNärodni Listy" benützen in ihrem Abend­blatte vom 2L April die vom Abgeordnetem ßrzez- novsky im jübgeordnetenhause gestellte Interpellation, welche sich g«gen den deutschen Universiüits-Profeseor Dr. Rauchborg richtet, zu einer Proskription jener jüdischen Geschäftsleute in Prag, welche bei der letzten Volkszählung lie deutsche Sprache als ihres Umgangs­sprache angegeben haben. Brzeznovsky hat seiner Interpellation e~in mehrere hundert Namen solcher Geschäfts­leute enthaltendes Verzeichnis beigelegt, welches er, wie er in der Interpellation bemerkt, als von der Sta_dt bestellter Volkszählungs-Kommissär angelegt hat. DieNärodni Listy" veröffrnQichen diese sieben Spalten fülLende Liste, welche ausser ie?n Namen auch die Adressen jener Geschäfts­leute enthalten, und eröffnen damit eine sehr gefährliche Propaganda für dasSvuj k sv^mu".

Lemberg. Wir erhalten den Aufruf einiger jüdischer Sozialisten ans Lemberg. Obwohl wir nicht auf ihrem Standpunkte stehen, halten wir es doch für nötig* von dieser Korrespondenz ifotiz zu nehmen, da sie einersei ts die innere Spaltung im Schosse der jüdisch-sozialistischen Partei selbst, andererseits dis Intoleranz und Feindseligkeit mancher jüdischer Sozialisten gegen alles, was jüdiscli ist, kenn­zeichnet. Die Korrespondenz, unterzeichnet voi H. Blind, Fach, S t e m§ e 1 und Genossen, beginnt mit den Worten: Da über unseren Antrag (der auf die Schaffung einer jüdischen sozialistischen Organisation in Galiaien und der Bukowina ausgeht Anm. d. Red.) eine Diskus sion eröffnet wurde und wir terrorisiert wurden, indem man unseren Artikel in derVolkszeitung" (dem Organ der jüdischen Sozialisten) nicht aufnehmen wollte, sind wir genötigt, ihn in Extraausgai) e= zu drucken und zu veröffentlichen." Es folgt dann eine PoL^mik gegen H. Di am and, de*r trotz des Brünner Natiomaiitätenprogrammes der österreichischen Sozialdemokrat die Organisation auf jüdischer Grundlage bekämpft, da Ubach seiner Meinung den Juden die Grund­bedingungen d*es nationalen Wesens fehlen.

Deutschland.

Berlin. Die Lehranstalt für die Wipsenschaft des Judentums veröffentlicht anlässlieh des Todes des Professors Lazarus fol genden Nachruf: Einen tief schmerzlichen Verlust hat uuss-ere Anstalt erlitten durch das am 13. d. M. zu Meran erfolgte Hinscheiden des Herrn Geh. E ögierungs- rates Prof Dr. M. Lazarus. Mitbegründer der Lehr­anstalt, war er 23 Jahre lang, von ihrer Eröffrimg 1872 bis zu seiner Uet^örsiedlung nach dem Süden 18915, der Vor­sitzende ihres Kuratoriums. Als solcher hat er die Schwierig­keiten, mit denen ihre Anfänge verknüpft w&ren, durch seine Einsicht und Tatkraft überwunden; er hatt die Hoch­schule für die Wissenschaft des Judentums anf Bahnen geführt, die ilre segensreiche Wirksamkeit bis auf den heutigen Tag gesichert haben. Auch nach clar örtlichen Trennung ist er im Herzen uns nahe geblieben. Als Mit­

glied des Kuratoriums hat er nach wie vor die reichem Gaben seines Geistes, die Schätze seines Wissens ui i seiner Erfahrung unserer Lehranstalt gewidmet, und trofes Alters und Krankheit hat er nicht aufgehört, mit regem Eifer und bewunderungswerter Frische uns mit Rat un i Tat beizustehen. Sein Name ist zum gesegneten Andenken mit der Geschichte unserer Lehranstalt für immer ver­knüpft. War Ueberlebenden weihen dem Verewigten ein treues und dankbares Gedenken.

B^ rl i_n, den 17. April 1903. Das Kuratorium und das L e hr e r k o 11 e gi uni der Lehranstalt für die Wissenschaft des Juden tums.

Berlin, Der lange angestrebteVerband zur Förderung des Handwerks und der Bodenkultur unter den Jud^n Deutschianis* ist endlich gegründet worden. Es warwi zahlreiche Vereine durch Delegierte bei der in die Räume der Berliner Logen einberufenen Versammlung vertreten. Die §§ 1 und 2 der Statuten lauten :

§ 1. Z'weck des Verbandes ist der Zusammenschluas der Vereine zur Förderung des Handwerks und der Boden­kultur untei* den Juden Deutschlands.

§ 2. I>er Zweck des Verbandes soll hauptsächlich er­reicht werden :

L durch Austausch von Erfahrungen;

% durah Anregung der Jugend zu Handwerk, techni­schen Berufen und zur Bodenkultur;

3. dur th Bekämpfung des gegen Handwerk und jüdische Handwerker bestehenden Vorurteils;

4. durch Einwirkung an massgebenden Stellen b«ei Vergebung von Arbeiten tunlichst jüdische Handwerker zum Mitbewerb heranzuziehen;

5. durch Zusammenschluss der bestehenden und neu zu gründenden Arbeitsnachweise;

6. durch Gründung und Unterstützung von Darlehens­kassen.

In den Ausschuss wurden gewählt die Herren ; Dr. Julius Moses, erster Vorsitzender, Max Herz, zweiter Vorsitzender, Dr. Ernst Tuch, Schriftführer, Ilia B e r, Kassen fühier, Professor M. Philippson, Marcus Adler, Louis R<vsenbaum, Lehrer Falkenberg, Konsnil Simon, AJphons Jacobson und Auerbach.

Könitz.. Der Landrat des Kreises Könitz ha.t folgende anailiche Bekanntmachung ergehen lassen: ,1b der Abortgiube der städtischen Schule sind am 16. d. ÄL gefunden ¥orden: die Knochen eines linken Oberarm es und Unteraxmes, ein rechter Ober- und Unterschenkel und ein linker Unterschenkel. Die gefundenen Knochen ent­sprechen genau denjenigen Leichenteilen des Gymnasiasten Ernst Winter, welche bisher noch gefehlt haben, Bs sind nunmehr sämtliche Leichenteile gefunden. An den Knochenteilen fand sich noch etwas in Verwesung über­gegangene» Fleisch vor. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Ijeichenteile spätestens einige Tage nach d«er Mordtat in die Abortgrube geworfen worden sind und dort in Verwesung übergiengen. Eine bis auf den Grund reichende Leerung der Abortgrube hat jetzt durch die Anwendung der von der Stadtverwaltung in Könitz neu angeschafften Pumpe stattgefunden. Ob die gefundenen Stiefel Eigentum von Ernst Winter sind, bedarf noch der näheren Feststellung." Auch diese neuesten Fun«ie werden kaum unmittelbar zur Festnahme einer verdächtigen Person füliren. Durch die wahnsinnige antisemitische Agitation, die wie gewöhnlich die ganze BevölkeruBig und die Behörde irreführte, ist es dem Mörder möglich geworden, alle Spuren zo gut zu verwischen, dass eine Ergründung dieser Angelegenheit die grössten Schwierig­keiten bietet.

Frankreich.

Paris, (Dr. Herzl in der Universite" Populaiie Juive.) Sonntag den 19. April hielt Dr. Max Nordau einen Vortiag an der Jüdischen VolksuniversitätUeber den Kampf Cerfbeers mit der Stadt Strassburg*. Ein zahl­reiches Publikum fand sich ein und hörte in weihevoller Stille die eindringliche Erzählung dieser für die Geschickte der elsässischen Juden charakteristischen Episode an. A.uf einmal erdjohnte der Saal von einem Donner von enthu­siastischem! Applaus: Die Tür hatte sich geöffnet und die Herren Dr Marmorek und Dr. Herzl waren ein­getreten. Mit einem unbeschreiblichen Enthusiasmus l>e~ grüssten dies Versammelten unseren Führer, der, nebenbei gesagt, zum erstenmale in Paris einer zionistischen Ver­sammlung beiwohnte. Nachdem der Vortrag Dr. Nord ans, der wie gewöhnlich ein Muster des Stils, der Klarheit und der Kraft war, zu Ende war, ergriff Herr Dr. Marmorek