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,Die 2& Welt
Ni. 23
den heutigen Tag. Für die Jugend geschrieben. Warschau 1S97—1000. Verlag „Tuschijah".
Ben Jehuda und Jawetz legten die Grundsteine zur Schaffung eines jüdischen Geschichtswerkes in einem leichtverständlichen Hebräisch für die Schuljugend. Ihre Werke konnten sich aber nicht lange auf dem Büchermarkte behaupten, weil sie nicht alle an sie gestellten Anforderungen befriedigten. — Was diesen beiden nicht gelang, das ist dem Rabinowitz gelungen. Er hat das Mittel gefunden, allen Anforderungen gerecht zu werden. Seine Geschichte wurde daher im Fluge vergriffen. Ehe das zweite Heft fertig war, hatten wir schon das erste in der dritten Auflage. Das Werk hat auch eine solche Verbreitung verdient. Die Sprache ist schön und wohlklingend. Unübersetzbare hebräische Phrasen sind geflissentlich vermieden. Alle geschichtlichen Begebenheiten Israels, von der Knechtschaft in Aegypten angefangen bis zum Zionismus und den Baseler Congressen, sind dort lebendig und farbenreich beschrieben. Das Buch ist in drei Bände ein- getheilt. Am Ende eines jeden Bandes ist eine Reihe von Fragen an die Schüler, eine chronologische Zeittafel und ein Namenregister. Es eignet sich deshalb auch als vorzügliches Handbuch für Lehrer. Noch in anderer Beziehung kann das Buch nützlich werden. Im Drucke befindet sich nämlich ein Vocabularium zum ganzen Werke mit einer deutschen und russischen Uebersetzung. Wenn dies Vocabularium fertig sein wird, dann kann das Werk auch Erwachsenen als Lehrbuch der hebräischen Sprache dien lieh sein, und Leute, die in einem reiferen Alter hebräisch lernen wollen, werden nicht mehr auf Kinderbücher angewiesen sein.
G. B.
Feuilleton.
Lieder eines Bekehrten.
x.
Trinklied.
Was sind des Champagners lichtschäumende Fluten,
Des edlen Tokayers berauschende Gluten,
Was sind alle Weine der Welt im Verein — ! ?
Viel süsser als Spaniens duftende Weine
Als der labende Saft der Trauben vom Rheine,
Ist unseres Vaterlands herrlicher Wein —
Der Wein von Jeruschalajim!
Auf, Brüder, lasst uns. von Frohsinn umgeben, Die Becher zum Preis 7 unsVes Weines erheben Und singen dabei ein begeistertes Lied; Er flösst neue Kraft in erstarrende Glieder, Er weckt in der Brust neue Hoffnungen wieder. Durchsonnt das von Sorgen getrübte Gemüth — Der Wein von Jeruschalajim !
Wir schlürfen mit seiner berückenden Süsse Zugleich all die tausend duftigen Grüsse Vom heiligen Boden der Heimat entsandt, Und weit, weit hinweg über Zeiten und Räume Entführt uns ins liebliche Reich unsrer Träume. In unser so glühend ersehntes Land — Der Wein von Jeruschalajim!
Vergessen sind all uns're Leiden und Qualen.
Wir sehen den Morgen der Freiheit erstrahlen
Mit seinem zauberhaft dämmernden Schein :
Wir sehen die Zukunft verheissend uns winken,
Diuni Kivunde. wohlan ! Lasst voll Jubel uns trinken
Aufs Wohl uns'rer Freiheit den funkelnden Wein —
Den Wein von Jeruschalajim !
Lasst fest uns vereint als Genossen und Brüder, Als e ines Volkes harmonische. Glieder Zusammen stets halten in Frejd" und in Leid, Und lasst uns befestigen heute aufs Neue Das Bündnis der Liebe, das Bündnis der Treue, Den Bund zionistischer Einigkeit Beim Wein von Jeruschalajim! Lechajim !
Paris im Mai 1900. Heinrich Grünau.
Kleine Geschichten.
Von Max R o t t e r. Das Geschäft.
— Und sie wollen wirklich noch immer nicht ein sehen, dass Sie thöricht handeln, dass Sie allen Vortheiler
entsagen, wenn Sie auf Ihren veralteten Anschauungen beharren ....
= Nein. Das sehe ich nicht ein.
— Das ist ja Wahnsinn ! Was bietet man Ihnen denn nicht alles für den kleinen Schritt zum Taufbecken! Als Jude sind Sie an der Entfaltung Ihrer Fähigkeiten gehemmt, auf Ihrer Carriere müssen Sie, mögen Sie auf welchem Gebiete immer thätig sein, im besten Falle tausend Hindernisse nehmen, die für die anderen nicht existieren; von vielen Stellungen sind Sie überhaupt thatsächlich ausgeschlossen, wenn Sie dafür auch den Trost haben, dass sie im Principe Ihnen zugänglich sind. Aber nicht genug damit, so bleiben Sie als Jude fort und fort der Gegenstand des Spottes und der Verachtung, bestenfalls des verletzenden Mitleides.
== Das ist ja alles ganz richtig ....
— Andererseits aber werden Sie für das kleine Opfer, wenn es überhaupt ein solches ist. in der grossartigsten Weise entschädigt. Alle Th'dren, die jetzt vor Ihnen verschlossen sind, öffnen sich vor Ihnen ; Ihre Talente werden anerkannt und w--rkthätige Freund« bemühen sich, jeden Stein aus dem Wege zu räumen, der Sie zu Reichthum, Ehren und Würden führt. Ein glänzenderes Tauschgeschäft gibt es wohl nicht. Also ....
= Soll ich Ihnen sagen, wie ich über Tauschgeschäfte denke? Nun, hören Sie eine kleine Geschichte, die ich als Knabe von meinem Grossvater vernommen. Der war ein Rosshändler, aber er verstand sich auch auf andere Sachen, wenn auch seine Ausdrucksweise, seine Denkart gar sehr von seinem Metier beeinflusst war. „Weisst Du, mein Kind," sagte er mir einmal, „das Pferd ist etwas Schönes und es gibt nichts in der Welt, was einem passionierten Reiter über sein Pferd geht, auf dem er sicher sitzt, auf dessen Rücken er, wenn es sein muss, dahinfliegt, dass ihn kein Verfolger erreichen kann. Wenn jemand zu Dir kommt und verlangt, dass Du Dein Ross gegen ein anderes umtauschest, so gib acht, dass Du ein besseres dafür kriegst. Wie Du das ei'kennen sollst, dafür weiss ich Dir keinen sicheren Rath. Es mag ja sein, dass man Dich foppen will, trotzdem man von Dir noch verhingt, dass Du bei dem Tausche aufzahlst. Die Leute sind ja falsch und kennen alle .Kniffe. Wenn Dir aber einer aus freien Stücken erklärt: Ich zahle Dir bei dem Tausche drauf, so kannst Du ganz sicher sein, dass der Gegenstand, welchen er Dir g e b e n w i 1 1, nicht so viel w e r t i s t w i e der Deine."
Sehen Sie. lieber Freund, seither fürchte ich aile Tauschgeschäfte, bei denen man mir „drauf zahlen" will.
Ein Märchen.
(Aus dem Französischen.)
Es war einmal ein grosser, mächtiger Feldherr, der im Vereine mit grossen, mächtigen Herren, die gerade nicht den Waffenrock trugen, zum Kampfe gegen einen kleinen Soldaten auszog, dessen — Nase ihm nicht gefallen wollte.
Da der grosse, mächtige Feldherr aber nicht gut vor aller Welt erzählen konnte, dass er über die Nase des armen Teufels f,o erbost sei, zog er es vor. durch falsche Documente und falsche Zeugen den Beweis zu erbringen, dass der Mann mit der bedenklichen Nase ein Dieb, ein Räuber und Mörder sei.
Der Zufall, der sich nicht immer an einer Nase stösst, wollte es seltsamerweise, dass d-er grosse, mächtige Feldherr, obwohl er so viele grosse und mächtige Bundesgenossen hatte, eines Tages die Entdeckung nicht verhindern konnte, dass seine Documente und seine Zeugen falsche seien.
Alle Welt sah nun sonnenklar, dass der arme, kleine Soldat das Opfer seiner Nase gewesen.