Nr . 1 ä . Sette 15 . „ Excellenz , Professor Steiner hat sich mit Politik meutg beschäftigt . Als mittelloser , aber verheirateter Doceill , mißte er die Stelle fern von der Hauptstadt aunehmen ; und so sitzt er dort . Seine Söhne bringen sich in der Uni¬ versität fort , so gut fie ' s als Hofmeister können . Er selbst ober drillt seit zwanzig Jahren den kleinen Buben lateinische lloeabeln ein — und in seinem Kopfe wälzt er weltbewe¬ gende Gedanken . Er ist unglücklich , iveil er fürchtet , sein Hauptwerk nicht . vollenden zu können , da er Hefte corri - liren muß . " „ In , aber diesen Mann müssen wir ja haben ! Wie mnmt es denn , daß er nicht längst berufen ist ? " „ Excellenz , der Vorschlag kehrt seit Jahren wieder . / > ch habe mich mit allen Kräften für ihn eingesetzt . Die Er - : enmtiig war nicht durchzusetzen — zu meinem größten Whmerze, " „ Ja , kennen sie den Mann persönlich , Herr Hofrath ? " „ Excellenz , er ist mein Schwager ; der Mann meiner Schwester . — " „ Nun — und — ? " „ Excellenz , Einflüsse von höherer Seite — " „ Wie ? ist er bei Hose nnvortheilhast bekannt ? " „ Nein , Excellenz , — aber — die Durchlaucht Schwar - iiseld , der Führer des christlichen Grundbesitzes und Freund r > Prinzen Ludwig , dann auch seine bischöfliche Gnaden kurz — Excellenz — der Mann ist , was ich war : Wu Jude ! " „ Ah dann ! — Ja — ein Jude — - ? ! " - IV . Der Herr Banguier Leopold Lemberger studirte die Annoncen im Tagblatt . Dieser Herr Bcinqnier war nämlich — gewissermaßen mehr oder weniger — sozusagen — mit Vorbehalt - , ii bloß theoretisch — erschrecken sie nicht — ein So - aalist ! Ei » strammer Socialist . Nach dem Mittagessen ! dirte er deshalb die Annoncen im Tagblatt . Und wenn er das Verhältnis des Angebots von Arbeitskraft zur " lachsrage wie zwanzig zu eins festgestellt hatte , so — • Gleite er den Kopf . Ja , ja , man möcht ' S nicht glauben , ■ gab doch viel Elend in dieser großen Stadt . Ein neunzehnjähriger Bursch , der das Conservatorium itebt hatte und den sein Vater nimmer weiter ernähren nie , bat um irgend eine Beschäftigung : Clavierstimmcn , lotenabschreiben oder etwas Aehnliches . Ein Familienvater , der ein kleiner Bearnter in einem Grunde gegangenen Agenturgeschäft gewesen war , bat uü ! irgendeine Beschäftigung . Er wollte Tagschreiber , h mzieidiener , Hausmeister , Hausknecht werden . Irgendeine Beschäftigung — das heißt doch eigentlich ii : Ein Stück Brot . Denn sonst — mein Gott , Hantel - . 1 nit ' it ist ja auch eine ganz schöne Beschäftigung . Aber dem Herrn Bauguier fiel etwas anderes auf . Die 1 oh ’ ii Annoncen zeigten dieselbe Adresse . Jawohl , bis auf l Thürnummer stimmte es . Also , schloß er sehr richtig , : cfor Vater ist der Vater dieses Sohnes . Ja , ja , Künstlerelend , dachte der Herr Bauguier . Als v das eine besondere Art von Elend wäre , eine eigene ' utnng des Hungers ! Er brauchte ohnedies einen Hausmeister . Seine Frau i eben im Nebenzimmer die Gesuche um diese Stelle . ' ^ > cr , der sich auch auf Schreibarbeiten verstand , das war ■ Treffer ! Und der Sohn , hm , der avancirte zum Schütz - ssig des Herrn Bauguier Lemberger . Ja , und der Herr nauicr war dann auch ein Kunstmäcen . Er rief nach seiner Frau . Sie kam mit einem offenen ' gen . Ein kleiner Beanlter , der seinen Posten verloren - - te und seinen Sohn , einen Conservatoristen , nicht weiter übiven lasse » tonnte , bat flehentlich um die freie Haus - u Mutterstelle . Ah , das war ja der Mann aus der Zeitung ! Er halle s/ue wunderschöne Schrift . Lemberger gab seiner Frau die Annonce zn lesen . „ Den nehmen wir " , kamen sie überein . „ Und ich schreib ' ihm gleich selber . Der Bub ' soll eine Freude haben . — Wie heißt er denn ? S . Helm unterschreibt er . Schau ' n wir einmal im Adreßanzeiger nach dem Vornamen . Das ist doch sicherer . " Helm — Helm — Helm — suchte Frau Lemberger . Und dann plötzlich : „ O weh , Leopold — der Mann heißt ja Samuel ; das ist doch ein Jud ! " „ Ah so — ein Jud ? ! " — — — — — — — — Ein Mahnwort an unsere Bruder , Herausgegeben vom Verein „ jsivn " in Ezernowin . 1897 . Noch in zwölfter 8tuubc haben unsere wackeren Ezernowiver Ge¬ sinnungsgenossen in ihrem LnoiUande Bukowina eine Flugschrift ver¬ breitet : Dariiber was die Zionisten anstreben , was der Zionismus will und was der Eongresi in Basel soll . Es ist eine kleine Broschüre , die mir kurzen knappen Worten , ohne alle Phrasen und Zierwerk ihre Leser in das Problem einweiht , vor ihren Bugen dem Werdegang der zioni ftischen Bewegung dis zn ihrer letzten Etappe ausrollt itnd in beredten Worten nebelt der Misöre der Gegenwart die Hoffnungssrendigkeit der , ' ftlknuft schildert . Der Verfasser hat ' daS Nichtige getroffen , indem er das Wesen des Zionismus nach zwei N ' ichlnngen beleuchtete : llach der e t h i f ch e n und f o e i a l e n . „ Der Zionismus hat eine doppelte Aufgabe . Er null die ^ moralische Hebung des jüdischen Volkes , er null die entjndeten Inden zmn Inden - thnme zurückführen , er null ihnen die 8elbftachtnng des veredelnden Dialmnesbewnsitfeins wiedergeben . Das ist die r e in e t h i s ch e 8 e i t e des Zionismus . Der Zionismus ist aber llicht bloS ein Erziehnngsmiltet , er hat auch eine rein praktische 8eite . Der Zionismus ist eine moderne Be wegung lind als solche hat er eine ausgesprochen s o e i a l e , öko n o ln i sch e Bedeutung . ES ist kein ( Geheimnis ; , das ; das Judenthnm die ' schärfsten socialen ( Gegensätze kennt . Eine kleine Gruppe von Bullionären steht Millionen , von Bettlern gegenüber . Der jüdische Bciltelsiand schrumpft zusammen ; die Üt ' eaction deS Ariers gegen das „ überwuchernde jüdische Element " macht sich in Eonsnmvereinen und in der Einschränkung der WirthshanSeoneessionen Luit . Die 8olnttagSrnhe - und bald auch die 8onntagsheilignng zwingt uns zu feiern , wo nur arbeiten könnten . Die arische Well incht uns unmöglich zil machen . Unsere Ingelid , die stndiren null , lnus ; sich beizeiten sagen , das ; ihr alle 8taatsäinler verschlossen sind . Die freien Berufe sind überfüllt . Der christliche 8taat lvill die Inden nimmermehr reeipiren . 8er jüdische Jüngling , der die Beamtenearrwre ergreift , lvird vor das fitrchtbare Dilemma gestellt : Hunger oder Taufe . " Daralt ichliesil sich ein warmer Appell , der hoffentlich in den Herzen aller Juden BntowiuaS bald ein lllächtiges Echo finden wird . „ 8chlies ; t euch der grossen ZionSbewegnng alt . Gründet iiberall , wo mehrere Inden find , z i o n i st i s ch e 8 r t s g r u p p e n . 9cnr die Organisation kann uns stark machen . Drganisiret euch ! Höret nicht auf die Grossen , die sich die Iührer der Juden nennen . 8ie sind llicht in den elenden Hütten gewesen , wo Hunger und zum Jenster hinanSgrinsen : in ihren Prunksälen merken sie nichts von der 9l ' oth unseres Volkes . Der Indenhasi , glaubtell sie , ist geschivnnden , wenn ein Arier sich berabläsit , von ihren Weinen zn kosten . Die grosien Inden haben keilt Herz für ihr Volk , die 8elbstsucht ist ihr Gott . Die jiidischen Grosien in Galizien sind die Helfershelfer des PolenelnbS . Der Haft des rnthenischen Volkes macht sich in wüsteil Ercessen Luft und für die 8ünden der l ^ rosien büsien die . ^ leinen . " L . Int V e r l a g e d e r L e m b e r g e r Z i o n i st e n ist soeben der » » Jüdische Volkslalender " für das Jahr 5658 erschienen . Derselbe enthält neben dem Kalendarium und einem reichen informativen Dheil folgende literarische Arbeiten : „ Der Anfang vorn Ende " , zionistischer Agitationsarlikel vom V e d a c t e n r G . Bader : „ Zionismus und 8oeialdemokratie " von Dr . 8 . N . Landau : „ Rückblick auf das Jahr 5657 " von D . 8 ch r e i b c r und einen kleinen Artikel über den Verein „ A . havath Zion " in Darnow . An Gedichten findet sich dort : eine ge¬ lungene Ueberfelmug des bekannten Zionsliedes von I e h u d a H a t e v h und zwei Gedichte von L . Iaffe « Heidelberg » . Die daselbst enthaltenen Erzählungen sind : „ Die hohen Ieiertage " von 8 . I . A h r a nt o lv i c z « Mendele Mochcr 8 ' sorim > : „ Die 8törche " voll M . Nabinowicz ( Bne Aini ) : „ Vinte , der Wahnsinnige " von Braiitin : „ Am Einvier " von I . L . P e r e iz : „ Der Thora zn Ehren " von 8 . Irrig n \ Ierner sind noch zu erwähnen eine kleine Kritik deS jüdischen Theaters und eine populär medizinische Arbeit . Dieser 180 8eiten « in Grosioctavl starke Kalender kostet « inclusive Zusendung ) 30 kr . und ist zn bestellen beim Verlag des „ Jüdischen V o l t s k a l e n d e r s " in Lemberg . |