Nr. 17
„Die A Welt“
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wird. Da ist ein Hehler, der durch eine Strafe zur Fortsetzung seiner Uebelthaten angespornt wird. — Frankreich ist genöthigt, sich auf den Kopf zu stellen, damit es wieder ordentlich auf den Füssen stehe.
Erwin Rosenberger.
Der Ober-Rabbiner von Holland für den Zionismus
Am letzten Passahtage hielt Dr. Dünner, Ober-Rabbiner von Holland, in der Hauptsynagoge von Amsterdam eine bemerkenswerte und mit dem größten Interesse aufgenommene Rede, in welcher er entschieden für den Zionismus Stellung nahm. Die Stellung des Redners, der von Orthodoxen und Reformern in gleicher Weise als Autorität ersten Ranges verehrt wird, ist eine solche, dass seinen Worten ein ganz besonderes Gewicht zuzuschreiben ist. Seine öffentliche Anerkennung der zionistischen Bewegung wird sicherlich nicht verfehlen, in der ganzen Welt das größte Aufsehen hervorzurufen und viele schwankende Geister auf unsere Seite zu bringen. Nach all den feindseligen Kundgebungen, die in den letzten Jahren von Seite der jüdischen Kanzel gegen die nationale Erhebung erfolgt sind, berührt diese Haltung eines Rabbiners von hohem Range, sowohl was seinen Charakter und sein Wissen, als auch seine äußere Stellung betrifft, doppelt sympathisch und darf als ein erfreuliches Zeichen der werbenden Kraft der zionistischen Idee angesehen werden. Wir geben im Folgenden einen Auszug aus Dr. Dünners Rede, die von den Bibelworten „Warum hast Du uns dies angethan", ausgieng. Nachdem der Prediger ein Bild der Umstände gezeichnet, unter welchen das Volk zu Moses mit der vorwurfsvollen Frage kam: „Warum hast Du uns das angethan", fuhr er fort: Diese Frage ist in unseren Tagen wieder laut geworden und wird von allen Seiten erhoben. Freilich, es ist nicht Moses, gegen welchen die verblendete Leidenschaft vieler Volksgenossen neuerdings solche Angriffe schleudert. Aber immerhin sind es Männer, in welchen der Geist des Judenthums wach geworden, und die, betrübt durch den todähnlichen Schlaf, in welchen die Judenheit versunken, den lebhaften Wunsch hegen, dem geschwächten Volkskörper neues Blut zuzuführen. Wie wird aber diesen Männern, die alle Kräfte ein- setzen, um Israel neu zu beleben, gelohnt? Von allen Seiten hören sie die unwürdigen Vorwürfe: Was habt Ihr uns angethan? Welch verderbliche Pläne habt Ihr wider uns geschmiedet? Die Scene am rothen Meere erlebt immer wieder eine Neuaufführung, so oft der Versuch gemacht wird, Israel aus dem Grabe zu erheben. Im Osten Europas leben die Massen unseres Volkes in einem unsäglichen Elend. Aller Menschenrechte beraubt, gejagt und verleumdet, zusammengepfercht in gewissen Gebieten von genau bestimmten Grenzen, jenseits welcher sie fast vogelfrei sind, entbehren sie alles, was das Leben lebenswert, ja nur erträglich macht. Diese Brüder — und es sind gerade diejenigen, die an der Religion und am Gesetzesstudium festhalten — seufzen unter dem Drucke und unter der Verfolgung und schreien zu Gott. Diese Seufzer, dieses Schreien hat Gott endlich erhört, und in einige würdige und begabte Söhne unserer Rasse in Mittel- und Westeuropa den lebhaften Wunsch gelegt, ihr Los mit dem dieser Unglücklichen zu verknüpfen. Diese Sohne unseres Volkes gleichen dem großen Moses insoferne, als viele von ihnen ferne von dem Hauptcentrum der Rasse in einer Umgebung leben, die den Juden aufs tiefste verachtet. Entfremdet, wie sie nun dem großen Körper des jüdischen Volkes sind, hat doch ein Blick auf das schreiende Unrecht, das Aegypten noch immer nicht müde wird, unserem Volke zuzufügen, in ihnen das Gefühl der jüdischen Zusammengehörigkeit erweckt. So zwar, dass sie sich aus den socialen und Bildungskreisen, in welchen sie bisher ihr Leben zugebracht, wegbegeben haben, und an die Befreiung ihrer Brüder mit einer Energie und einem Muthe gegangen sind, die aller Ehre und Anerkennung wert sind. Nicht den ägyptischen Verfolger zu tödten ist ihr Plan, sondern ihren Bruder dem Unrecht und dem Elend zu entziehen. Zu diesem Zwecke wollen sie ihn in das Land unserer Väter, das einst durch seine Fruchtbarkeit berühmt gewesen, bringen. Sind diese Anstrengungen, ist dieser außerordentliche Muth, der überall auf den Schauplatz tritt, wo immer nur der Judenhass Unglück säet, anerkannt und gewürdigt worden? Nein, gerade das Gegentheil trifft zu! Von allen Seiten, hier mit wirklicher Sorge, dort mit Bosheit und Hass, erhebt sich der Vorwurf: Was habt Ihr uns angethan, Ihr Sünder, die Ihr das Schwert in die Hand des Gegners liefert, uns zu vernichten? Ja, wenn vor einem halben Jahrhundert, als die Sonne der Freiheit über Europa aufgieng und wir Juden zu hoffen wagten, dass auch die Anerkennung unserer Rechte von nun ab eine unerschütterliche sein werde, wenn damals diese Männer aufgestanden wären und von einer Verpflanzung unseres Volkes auf palästinensischen Boden gesprochen hätten, so hätten die Angreifer wenigstens einen Schein von Recht für sich. Nun aber, da Israel unter
einer neuen ägyptischen Selaverei seufzt, kann dies ein böses Thun sein, auf die Wiederbefreiung hinzuwirken? Doch erhebt sich nicht nur dort, wo Israel unter dem Joche der Knechtschaft schmachtet, sondern auch in den Ländern, wo die Juden alle Bürgerrechte genießen, der widersinnige, der lächerliche Ruf: „Was habt Ihr uns angethan?" Auf diese Weise schlägt myn den echten Geist des Judenthums todt. Und wenn ein jüdischer Seelsorger den Muth hat, dieses Chloroformieren des jüdischen Geistes zu bekämpfen, dann bekommt er denselben niederträchtigen Ruf zu hören, der bei seinem ersten Auftreten in der jüdischen Geschichte unter Umständen erhoben wurde, die sich wie ein prophetisches Bild unserer heutigen Zustände ausnehmen. Die Zionisten, deren Bemühungen auf eine Befreiung der jüdischen Massen hinauslaufen, werden mit dem Vorwurfe bedacht, dass sie dem Volke Unglück bringen. Ja, wissen denn unsere Reichen, die in civilisierten Ländern auf eine sehr vergnügliche Art zu leben verstehen, nicht, dass die Lage unserer unglücklichen Brüder den Höhepunkt all dessen erreicht hat, was ein menschliches Wesen zu leiden imstande ist? O, die Leute, die soviel Hass, soviel bittere Worte gegen den Zionismus aufbringen und insbesondere die Leute, die selbst vor persönlichen Jusulten nicht z u r ü ck s ch r e ck e n, sie haben keine Ahnung von der unaussprechlichen Sehnsucht, mit welcher die Verfolgten auf den Moment ihrer Befreiung warten. Man hat den Zionisten vorgeworfen, dass sie, obwohl viele von ihnen dem Judenthume längst entfremdet waren, sich nun damit beschäftigen, den erstorbenen Gliedern ihres Volkes den Geist eines neuen jüdischen Lebens einzuhauchen. Wer sind denn diejenigen, die diesen netten Vorwurf erheben? Eben dieselben, deren empörende Gleichgiltigkeit gegen alles, was jüdischen Geist, jüdische Selbstachtung betrifft, kaum mehr übertrieben werden könnte, die aber leichten Herzens den Stab brechen über die „Verderber Israels", nämlich über die Männer, die sich das Recht nicht nehmen lassen, für Israels Wohl alle Kräfte ihres Lebens einzusetzen. Kein redlicher Wahrheitssucher wird die Thatsache leugnen, dass viele unserer Söhne und Töchter auf dem Sprunge sind, sich von ihrem Volke zu entfernen. Wenn aber einer diese Thatsache öffentlich constatiert, so wird er mit Insulten und Verleumdungen förmlich bedeckt. Kein Mittel ist zu schlecht, das nicht versucht wurde, seine Stellung und seinen Einfluss zu untergraben, ihn persönlich zugrunde zu richten. Unter den Angreifern befinden sich Leute, die einen großen Namen führen und bedeutenden Einfluss ausüben. Und haben sich die Verleumdungen erschöpft, so hält man den Warnern entgegen: dass sie uns aus Aegypten in die Wüste, dass sie Israel in das Ghetto locken möchten. Diese lächerliche, närrische Opposition lebt von einer unermesslichen Unkenntnis der jüdischen Geschichte. Die einzige Waffe, die gegen eine solche Liga mit Erfolg angewendet werden kann, ist die O e f f e n t l i ch- keit. Mögen dh Kämpfer für die Sache der Zukunft, die zum Danke für ihren uneigennützigen Eifer allen Insulten ausgesetzt sind, sich nicht entmuthigen lassen und in dem herzerhebenden Gefühle Trost finden, dass sie mithelfen, Israel am Leben zu erhalten!
G
Aus Palästina.
Von T. Blanco.
Die deutsche Sprache bezeichnet jede.i Landbewohner im weiteren Sinne als Bauer, insbesondere aber jeden, der sich mit Landwirtschaft beschäftigt. Blicken wir nun vergleichend zurück auf die Geschichte des Bauernstandes, so finden wir bei den Völkern des Alterthums, mit Ausnahme der Juden, keinen eigentlichen Bauernstand vor. Während Griechen und Römer die Landwirtschaft Sclaven und ärmeren Bürgern überliessen, wurde Ackerbau und Viehzucht bei den Juden in hohen Ehren gehalten. Fortschreitende Zeiten brachten eine Umwälzung der ursprünglichen Verhältnisse. Die Juden wurden von ihrer heimatlichen Scholle vertrieben, gedemüthigt, aller politischen und bürgerlichen Rechte beraubt, in alle Welten verjagt. Aus den freien jüdischen Bauern machte man Städter, Städter im traurigsten Sinne des Wortes — Ghettobewohner. Und solche sind wir ja geblieben bis zum heutigen Tage, wenn auch die wirklichen Mauern des Ghetto gefallen sind.
Die Vorgeschichte der eigentlichen zionistischen Bewegung, diecolonisatorischen Bestreb ungenEinzelner brachten es mit sich, dass ein kleines Häuflein Juden, aus aller Herren Länder zusammengewürfelt, zurückkehrte in das Land und zur Beschäftigung ihrer Väter. Sie wurden wieder jüdische Bauern und ergriffen mit den noch schwachen Händen Haue und Spaten, um nach Massgabe ihrer Kräfte die Scholle urbar zu machen, auf der sich die glorreiche Geschichte ihres Volkes abgespielt. Nehmen wir nun unseren jüdischen Bauernstand Palästinas und vergleichen wir ihn mit dem europäischer Länder, so finden wir ganz merkwürdige