Jüdin, der Jüdin, wie sie uns unsere Geschichte überliefert, an der Erreichung des wirklichen Zipn mitzuarbeiten.*),Das Zion der jüdischen Frau, so schloss Herr Martin Buber seinen, wie ein schönes Gedicht anmuthenden Vortrag, lasse sich in einem Worte zusammenfassen, in einem Worte, das nur die Frau so ganz erfassen kann, in dem Worte „Lieb*." Liebe allein sei der heilige Urquell, aus-dem Edles quillt für das Volk und für die ganze Menschheit. Reicher Beifall dankte dem Vortragenden für seine Ausführungen. Hierauf schloss Frl. Marie W e i s s in Abwesenheit der Präsidentin Frl. Gelbtuch das diesjährige Vereinssemester, In einer herzlichen Ansprache richtete Frl. Weiss an die versammelten Mitglieder die Ermahnung, sie mögen die hier empfangenen Anregungen weitertragen und trachten, dem Vereine neue Mitglieder und Gönner zuzuführen. Ferner mögen sie während des Sommers tüchtig für unsere Idee arbeiten, den Zionismus immer weiter verbreiten und eifrigst für ihn agitieren. Hoffen wir, dass diese Worte auf guten Boden gefallen sind, damit die ..Hadassa" im Herbst mit frischen Kräften ihre erspriess- liche Thätigkeit aufnimmt. O. K.
Militärarzt Rosenberg.
Novelle von Josef Stutzin.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.) X.
Rosenberg gestand sich "nach zwei Wochen, dass er in Blanche „total verliebt" wäre. Alle Symptome sprachen dafür.
Er hatte keine Ruhe, es trieb ihn immer zu Blanche. In Blanches Gegenwart wurde er von einer seltener Redseligkeit befallen, wurde er Literaturschwäriwr, Kunstschwärmer, Naturschwärmer.
Er flehte Blanche an, mit ihm eine Landpartie zu machen, und als sie — natürlich in Begleitung der Räthin — zusammen den Taunus hinaufstiegen und vom Neroberg aus ins Thal hinabsahen, wurde Heinrich von einem solchen bilderreichen Redestrom erfasst, dass er bald auf den Gesichtern der Damen eine unliebsame Verwunderung merkte. Er brach jäh und beschämt ab.
Auf der Rückkehr befleissigte er sich eines de*to reservierteren Benehmens. Das wirkte etwas verstimmend auf die Räthin und ihre Tochter, und als Rosenberg sich verabschiedete, hat.e er das unbehagliche Gefühl, dass er sich durch seine übermässige Redseligkeit, wie durch seine übermässige Reserve kindisch albern benommen habe.
Die Befürchtung, sich vor Blanche blossgestellt zu haben, erregte in ihm ein starkes Misshehagen. Er lechzte ordentlich nach einer Gelegenheit, sich wieder einmal in seiner tadellosen Ritterlichkeit zu zeigen.
In dieser Stimmungstiess er auf Schierkopf. Ergieng mit einem in Civil. Beide schienen angeheitert.
Schierkopf blieb stehen,
„Kenn'n sich die Herren ? Nein ? Denn sans Facon : von Planitz — Dr. Rosenberg . . . Scheinen inächtig viel Schwein zu haben beide Piepke . . . Nehmend sich in acht, Doctorchen..* Sich nur nicht bedeppern lassen . . . Das Mädel hat's rraus ..."
Rosenberg kribbelt es in allen Fingerspitzen. Erhörte kaum, als er erwiderte:
„Es ist kein Mädel, Herr von Schierkopf."
„Wollen Sie mir den Ton vorschreiben, Doktor?*
„Ja — wenn's sich um Personen handelt, die ich hochachten muss."
„Also — Sie wollen — mir — den Ton vorschreiben? . . . Adieu. Herr Doctor — Doctor — Ro — sen- b erg . .
Doctor Rosenberg überkam ein ausserordentlich wohliges Gefühl, ein Gefühl der Befreiung mit all seinen beseligenden Nuancen, wie man sie nur verspürt, wenn man nach einem athembenehmenden Alpdruck erwacht und sieht, dass man eigentlich rein nichts auf dem Herzen hätte.
Endlich einmal, nach so vielen Jahren, hat er es doch gewagt, Muth zu haben, das gewaltsam Unterdrückte herauszupressen, sich Luft zu schaffen!
Und in dem Gefühlstaumel, der ihn jetzt überfiel, fiengen an, eine Menge schöner, süsser Bilder in seinem Hirn sich zu bewegen: Das Duell . . . Ein Duell wegen einer Dame . . . Wie wird ihn das rehabilitieren . . . Und was Blanche dazu sagen wird ? ♦ . . Er hat sich ihr et w e gen geschlagen! . . .
*) An anderer Stelle unseres Blattes geben wir den Vortrag auszugsweise wieder. (A. d. R.)
XL •
Rosenbergs Haltung war vollkommen „tadellos".
Auf seine schleunige Mittheilung an den Ehrenrath kam die Antwoit: ,,Zweikampf hat stattzufinden."
Während der halbstündigen Fahrt nach dem Taunus — wo das Duell ausgefochten werden sollte — unterhielt sich Rosenberg mit seinem Zeugen.
Sehr gemessen und sachlich, ohne eine Spur von Unsicherheit. Er war bisweilen etwas witzig. ;
Geübtere hätten freilich in seinen "Augen ein etwas verstohlenes, zitterndes Leuchten gemerkf. Es war ein Leuchten der Freude: er galt also doch für „voll", wenn man sich mit ihm schlägt.
Rosenbergs Träume giengen — einstweilen — in Erfüllung.
Mutter und Tochter hörten nicht auf, seine Helden- haftigkeit und Ritterlichkeit zu preisen. Blanche „pflegte" seine — sehr oberflächlichen — Wunden (er hatte einen Streifrfchuss in den Oberarm erhalten) und sah ihn mit Augen an, die ihn wie mit einem Meer von Glück überfluteten.
Nach allen Symptomen sah er ein, dass es an der Zeit wäre, „mit der Mutter zu sprechen".
Er sagte sich, dass es nicht correetwäre, mit Blanche zuerst zu sprechen. Im Grunde aber unterliess er es nur aus Aengstlichkeit. Ein Korb, von zweiter Hand ausgetheilt, ist schon dadurch selbst erheblich abgemildert.
Die Räthin war auf die „Anfrage" schon lange gefasst und auch die Antwort war vereinbart. Aber sie erwiderte mit einem mütterlichen Lächeln, sie müsse erst mit Blanche sprechen. Bei einem solchen Schritte wolle sie „dem Herzen ihres einzigen Kindes freie Wahl lassen".
Diese Umschweife waren die Folge einer Manipulation : wenn man gleich Zugriffe, würde Rosenberg vielleicht auf den richtigen Gedanken kommen, dass man nur auf die Gelegenheit gewartet hätte.
Am folgenden Tage durfte Heinrich klopfenden Herzens den Bescheid entgegennehmen, dass Blanche bereit sei, „ihr Schicksal mit dem seinigen zu verknüpfen".
Er küsste der Räihin die Hand, und die Räthin war sehr bewegt.
Aber schliesslich erlaubte sich die Räthin die Indiscretion, ob Heinrich noch der „mosaischen Kirche" angehöre.
Als Heinrich bejahte, meinte sie, es wäre ja eine Kleinigkeit, dies abzuändern. Ihr persönlich wären zwar alle Kirchen gleich. „Wir sind ja alle die Kinder des einen Gottes." Aber Blanche wäre noch so jung und hienge mit solcher Neigung an ihrer Kirche!
In Kleinigkeiten pflege ja der Stärkere immer nachzugeben.
- XII.
Heinrich verliess Wiesbaden, um, bevor er sich taufen liess, mit seinen Eltern zu reden.
Es sollte weiter keine Berathung sein. Denn seine Entschlüsse waren gefasst. Aber in Kenntnis musste er seine Eltern doch setzen.
Der Uebertritt wäre ja im Grunde doch nur eine Kleinigkeit, wie. die Räthin gesagt hat. Was hätte er mit dem Judenthum noch Gemeinsames?
Freilich wäre die Sache etwas sehr Peinliches, und seine Stimmung wäre eine Folge der Situation. Aber wenn der Zahn herausgezogen ist, sind auch die Zahn- sc hm erzen vorbei.
So tröstete er sich auf der Hinfahrt. Seine Stimmung war aber eine sehr unbehagliche und liess sich nicht gut beschwichtigen. Schliesslich wurde er sehr ärgerlich über sich selbst und meinte: Wir sind doch eklige Gewohnheits- thiere — müssen in der alten Gewohnheit stecken bleiben, und wenn wir ersticken ! —
Heinrichs Eltern waren beide von seinem Entschlüsse überrascht, aber sie schwiegen.
Eine abergläubische Furcht überkam sie vor dem Schritte, den ihr % grosser Sohn thun wollte. Aber sie schämten sich, sie zu äussern.
(Fortsetzung folgt.)
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Mittheilungen des österreichischen Landes-Comites „Verband Zion".
Folgende Tage sind für unsere Sitzungen bestimmt:
Mai 9. und 29. Juni 5. „ 27.