Seite S
„Di* # W*It"
m ss
stimmen, dass diese Worte es uns ermöglichen, „festzustellen, was der Semit der Welt geschenkt" oder - — die Einschränkung macht Chamberlain — der Welt „aufgezwungen hat"; und welches „die besondere Kraft des Judenthums" sei, eine Kraft, von der eine allzu günstige Vorstellung abzuwehren, Chamberlain weislich anmerkt, dass sie, diese besondere Kraft, „von Herzen und von so vielen grossen Geistern als „fremd" empf un den" wurde. Ob auch von — Goethe ? Gewiss, meint Chamberlain, wenn man nur jene Worte Goethes recht verstehen will, und er gibt uns einen Commentar hiezu, der in der Deutung und Umdeutung des ursprünglichen so klaren Sinnes wohl seinesgleichen sucht. Ich wüsste kein Beispiel, an welchem seine vermeintlich einwandfreie Methode in ihrer Naivetät und Verkehrtheit so offenkundig vor aller Welt sich zeigte, wie hier; ich wüsste auch keines, an welchem die Eigenart Chamberlains, seine subjective Anschauung — von allgemein problematischem Wert — um jeden Preis zur Geltung zu bringen, so drastisch sich äusserte, wie ebenfalls hier. Angesichts dieser Behauptung — soll sie keine blosse Behauptung bleiben — musst Du Dich schon darauf gef asst machen, mit Chamberlain und mit mir recht sehr ins Detail zu gehen. Zunächst aber hören wir, wie sein Commentar zu jener Stelle lautet: „Goethe", so beginnt er, „hat den wesentlichsten Punkt gut erkannt und auch angedeutet, doch leider nicht in so ausführlicher Weise, dass jeder ihn so sieht, wie er: denn er unterscheidet zwischen einer natürlichen Keligion und einer anderen, also nicht natürlichen; nun ist aber nach Goethes Denkweise def Gegensatz des Natürlichen das Willkürliche, dasjenige, wo der Wille „kürt", dasjenige, heisst das, wo der Wille, nicht die reine Erkenntnis, auch nicht der ungetrübt natürliche Instinet den Ausschlag gibt. Und somit weist er uns nicht allein darauf hin, dass es zwischen Religion und Religion wesentliche Unterschiede gibt, so wesentliche, dass dasselbe Wort zwei verschiedene Dinge bezeichnen kann, sondern er sagt damit zugleich, worin dieser Unterschied seinen letzten Grund findet : jene Religion, welche er der natürlichen entgegenstellt, ist eben die Religion des Willens."
Die Religion des.Willens! Das Wort ist gefallen* das Wort, dem Chamberlain als dem Lieblingsausdruck eigenster Prägung mit, seinem ganzen Gedankengang zustrebte, das Wort, das als letzter Sinn jener Goethe'schen gelten soll. Es muss wohl was Schreckliches hinter dem Worte sich verbergen, wenn das Aeusserste, was Cliamberlain von der Religion des. Judenthums auszusagen weiss, darin bestehen soll, dass sie die „Religion ist des Willenl". Leider hat er eine zusammenhängende Erklärung dessen, was er darunter versteht, nicht gegeben; und vermuthungsweise und aus einigen membris disjectis können wir auf das Ganze, fast hätte ich gesagt auf das ganze Ungethüm, schliessen. „Der Wille ist der hervorstechendste Zug im Charakter des Semiten" — das ist gewiss von böser Vorbedeutung .für den Willen und in der That sein grösstes Unglück. Denn wo Cham* berlain vom „Willen" redet, dort kann man sicher sein, dass er auch vom Semiten reden wird, und so kommt der „Wille" — gleichwie der Semit — schlecht dabei weg.
Ob nicht hier doch etwas von Schopenhauers metaphysischem Begriff des« Willens anklingt? Einmal sind wir nahe daran, in Erinnerung dieses Philosophen, Aufschluss dar- * über zu erwarten, da nämlich, wo Chamberlain uns durch Schopenhauer sagen lässt: „ . . . . die Materie ist die blosse . Sichtbarkeit des Willens ... was in der Erscheinung, d. h. für die Vorstellung, Materie ist, das ist an sieh selbst Wille", — aber leider geht Chamberlain eilig 4arüber hinweg, mit der Entschuldigung, er „wolle hier nicht Metaphysik treiben . , ." ; ,/nu i->,Mit\ awleceaa Worten: tzwischen Schopenhauers meta- !, Tfibysischem Begriff des. Willens • und demjenigen Chamr berlainsist ein himmelweiter^ Unterschied; dort haben wir
es mit einer genialen philosophischen Conception 2u thun, die eine zwar hypothetische, aber ungemein tiefsinnige, Erklärung der Natur des Menschen und der Welt bedeutet, hier dagegen mit einer kleinliehen, eigensinnig und. gewaltsam zusammengesetzten Construction, die in ihrer exclu- siven Anwendung auf die Individualität eines einzigen Volkes oder Völkergruppe, als ein theoretisches Monstrum bezeichnet werden darf. Und mit diesem Monstrum im Zusammenhang sollte --- ein Goethe stehen ? In jenen so wunderbar klaren Worten Goethes wäre ausgedrückt, was Chamberlain in ihnen erblickt: die „Eeligion des Willens" oder, wie er sie nach jenem Ausspruch Schopenhauers verständlicher bezeichnet: die Eeligion des Materialisnaus? Zurück denn zu Goethe! Lies> mein Freund, auf merksam ; jene Stelle noch einmal und lass uns dann den Commentar Chamberlains durchgehen.
Zunächst belehrt er uns, Goethe habe zwar den wesentlichsten Punkt gut erkannt und auch angedeutet, aber leider nicht in so ausführlicher Weise, dass jeder ihn so sieht, wie er: „denn", fährt er fort, „er unterscheidet zwischen einer natürlichen Eeligion und einer anderen, also nicht jiatür- lichen" ..., hier stock' ich schon, könnt' ich mit Faust sagen, vor diesem also stock' ich. Wie? so selbstverständlich ist der Gegensatz zur natürlichen Eeligion eine oder .die nicht natürliche? Im Sprachgebrauch der Philosophen und Theologen kennt man eine „natürliche Eeligion" sehr wohly aber eine „nicht natürliche" und gar als Gegensatz zu jener ist mir noch niemals begegnet. Ja, für den Privatzweek Chamberlains verstehe ich ihn wohl, diesen Ausdruck. Chamberlain braucht ihn, um ihn gleichsam im Handumdrehen z£ dem umzuprägen, was wir als seine Lieblingsmünze kennen gelernt haben. Hören wir nämlich weiter; „Nun ist.. aber nach Goethes Denkweise der Gegensatz des Natürlichen' das Willkürliche" — das ist's, das ist des Pudels Kern — . ^dasjenige, wo der Wille „kürt" u. s. f., nur erweist sich leider diese Prägung als eine unerlaubte, falsche. Denn wenn es auch richtig ist, dass in Goethes allgemeiner Anschauung der Gegensatz des Natürlichen das Willkürliche ist, so hat Chamberlain noch lange kein Eecht, diesen Gegensatz hier auf die Eeligion zu beziehen, — zumal derselbe in den Worten Goethes ganz unzweideutig präeisiert ist. Aber Chamberlain hat jene Stelle Goethes, es mag befremdend genug klingen, -gründlich — missverstanden. Und zwar, wie wir sehen werden, gleich den ersten Satz. Dies geht aus seinem Commentar zu diesem unzweifelhaft hervor. Goethes Satz lautet : „Die allgemeine, natürliche Eeligion bedarf eigentlich keines Glaubens"* Chamberlain missfällt diese Behauptung Goethes; und er findet, dass der Gebrauch des Wortes „Glaube" bei Goethe „unklar und irreführend" sei;. Goethe habe zu sehr „vereinfachen wollen". Und den Satz Goethes, aber in etwas gekürzter Form wiederholend — beachte aber wohl die Kürzung! — „die natürliche Eeligion bedarf eigentlich keines Glaubens", bemerkt Chamberlain : . .. . . „doch wird in Wahrheit in den nicht-semitischen Eeligio- nen mehr geglaubt, als in den semitischen" — ja, um des Himmels willen, auf Grund welcher Logik identificiert hier Chamberlain die „natürliche Eeligion" mit den — „nichtsemitischen" Eeligionen? Verbindet denn Goethe diesen Sinn damit?.Wäre dies der Fall, und setzten wir mit Chamberlain an Stelle der „natürlichen Eeligion" die „nicht semitischen", dann würde der Satz lauten: „Die allgemeine, die nicht-semitische Eeligion bedarf eigentlich keines Glaubens" — ein Satz, der ein barer Unsinn wäre. Ist denn die nicht-semitische. Religion die allgemeine ? Hätte Chamberlain den Wortlaut Goethes vollständig beibehalten, : so wäre es ihm schwerlich begegnet, den se einfachen, so klaren Sinn jener Worte so sehr zu entstellen. Goethe versteht unter „#§türliehe;r ^^gim^.mß^mm^M^ JArhundent iFohl allgemein -darunter versta^d^h^^
-mit den Worten ausd^ü,ck^wßeligion innerhalb der* Grenzen