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Nr. 29.

Wien, 19. Juli 1901.

5. Jahrgang

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Zum Trauertage.

Von Julius Upfimny.

Die Werkleute Esras hatten den Tempel gebaut mit der Kelle in der einen und dem Schwerte in der anderen Hand. Solange der stolze Bau stand, Ward Judas Sehwertfaust nicht mehr leer. Der Samaritaner log and der Idumäer flüsterte den Mächtigen und den Strebenden gleissende Worte ins Ohr. Gespannt hörte der fremde König die Er­zählung seines Gesandten an, die Schilderung der weiten Schatzkammern des Tempels, gefüllt mit guter Beute an schwerem Golde und glitzerndem Gestein; und bald stampf­ten die Streitrosse vor dem mörderischen Sichelwagen. Meht lange, und das zertrümmerte Eisengestelle lag auf - einem Acker von Juda, und die Kosse trugen den Mäch­tigen eilend zurück. Vielleicht hatte der Feind die Wach­mannschaft um den Tempel vorerst überrumpelt. Aber im grimmen Sturme hatten endlich die Juden ihre Heimat ge­säubert von den Scharen des Syrers, des Aegypters, des Par­thers.

Der neunte Ab erst sah die Flammen, in denen ein Weltwunder untergieng, Flammen, nach deren Verlöschen eine schreckensvolle unendlich dünkende Nacht über das verwüstete Land und seine geknechteten Leute hereinbrach; der neunte Ab hörte das Schluchzen der Scheidestunde, in der die Gefangenen Abschied nahmen von der Stätte ihrer Wiege, von dem Grabe ihres Vaters, auf denen lange, lange kein Auge mehr ruhen sollte in liebendem Gedenken. Da­mals brannten die Leichen der Vertheidiger des Tempels auf dem Scheiterhaufen, der ihnen gebürte. Der Duft des Cedernholzes vom Baue, der köstlichen Karde des Getäfels umschmeichelte im Brande die todten Leiber der unsterb­lichen Helden. Die weisse Wolke, die in die Höhe schlug, rief den versprengten Flüchtling im fernen Gebirge zur Todtenandaeht für seine schönen, für seine tapferen, für seine stolzen Brüder. Die Ehre dem Würdigen! Von ihnen

kann niemand Ueberwältigenderes bringen, als der Ge­schichtsschreiber, der uns erzählt: Der Hunger war in der Stadt mit seinen gierigen, abscheulich brennenden Augen. Kur dass man noch nicht die Leichen ass sonst alles. Das wussten die Körner wohl und kannten die Koth in den Mauern. Und doch giengen in dieser Zeit viele von ihnen zu den Juden über. So sehr hatte der Heldenmuth auf sie eingewirkt und der Sieg des Geistes über die körperliche Kraftlosigkeit, so sehr eilten sie in die Schule grenzenloser Männlichkeit. In der ganzen Welt hatten sie Seharten in ihre Schwerter gesehlagen, in der Stumpfheit gewohnten Kampfes. In Juda zum erstenmale haben sie einen um so­viel besseren Gegner gefunden, dass sie nur mit ihm kämpfen konnten, nicht gegen ihn.

Schlachtfeld, Arena und Galeere wurden zu den Mas­sengräbern eines herrlichen Volkes, das im Glücke die Zu­kunft nicht sah. Nicht darum, weil es versäumte, diplo­matisch freundlich, gefällig und vernünftig zu sein dafür hatte es seine Kraft. Aber die hat es zu spät wiederkehren­den Kichtern, Heldenführern anvertraut. Es hatte zu lauge den Mächtigen des Besitzes geglaubt, die im Momente der Gefahr nicht zögerten, ihren Münzen das Volk zu opfern, und mindestens im Wohlleben Gefallen gefunden haben an Fäule und Knechtsinn. In der Geschichte von J udas Fall finden wir den Volksverrath fast immer mit viel Eigenthum vereint. Die Prediger des Friedens, als es gährte, wurden zu Ueberläufern, als die Waffen klangen, die das Volk aus seinen Ketten geschmiedet hatte.

Berenice, des Judenkönigs Agrippa Tochter und Freun­din des Titus, hatte ihrem Geliebten den Befehl zur Scho­nung des Tempels eingegeben. Unser Tempel Judas Tempel, durch Weiberliebe zum Feinde gerettet? Lieber mochte der Henker seines Amtes walten und dann ster­ben. Denn das Schicksal zürnte Kom wegen Jerusalems, und das Jahr des Sieges krönte den ersten römischen Soldaten­kaiser. Im Bürgerkriege fiel Judas Gegner auf ewig Juda aber lebt, krank, schwer krank, aber es lebt!

Der Thurm Phasael auf Moria sah an jenem Trauer­tage herab auf das Scliiffslager der Kömer, als die gebroche­nen Selaven festgeschmiedet wurden an die Kuderbänke und die weinende Menge der Weiber und Kinder hinabstieg in das Dunkel der Schiffsräume. Ein Bild späterer Zeiten I An den Ruderbänken fremder Völker sitzen die Juden heute noch, arbeiten für andere, leiden durch andere. In Kummer