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„Die # Welt'*
Nr. 23
flammt; noch haben die herzbewegenden Grabhügel meinen Busen mit einem Ruhmesunterpfand geschwellt, denn ich gehöre zu denen, die keine Mutter gekannt haben.
Dieses heilige Land, diesen verheissenen und verlorenen Boden habe ich nur im Traume geschaut. Ich habe es in meinen Träumen mit allen Reizen ausgeschmückt, und in meiner Brust ruht es so erträumt, regenb ogenfa] big, dass ich wahrlich Angst habe, aufs Schiff zu steigen und übers Meer hinzusegeln, auf dass der wache Zustand meine im Traume gewonnene Illusion nicht verscheuche.
Woher kommt mir diese Vision ? Sie ist aus den Büchern entstanden, wo sie, in geheimnisvollen Lettern vom Geiste des Propheten gebannt, im Säuseln der Blätter wie im Rauschen der Palmen schlummerte, und von den Lippen ins Leben gerufen, vom Rhythmus meines orientalischen Blutes anschwellte, des Sclavenblutes. das noch denkt, was die Ahnen waren . . . und, obwohl satt und ausgeschlafen, im Hause der Knechtschaft Traumgesichtei hat...
(Aus dem Polnischen frei übertragen von S. H o r o w i t z.)
Gebet.
Von Ferdinand K o b 1 e r. Der Du im Spiel mit Deiner Macht
Die Freude herabgesenkt, Zu Dir aus tiefer Seelennacht
Mein sehnendes Puifen drängt:
Du rmlnrst den Tod von Ahasver, So gib ihm nun die Kraft —
Giess* mir ins Herz, o Du, mein Herr, Schäi im enden Lebenssaft —
Oder reiss' heraus den stolzen Drang, Dem Du mich selbst geweiht,
Den weltumspannenden, ewigen Drang Nach Deiner Unendlichkeit.
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Berichte.
Wien. (Jüdischer Verein jugendlicher Arbeiter.) Sonntag den 14. Juli d. J., um Vf 2 Uhr nachmittags, fand im Restaurant Ignaz Kühn, IL, Rembrandt- strasse 18, die constituierende Versammlung des „Jüdischen Vereines jugendlicher Arbeiter" statt. Trotz der grossen Hitze und trotzdem nur wenige Tage für die Agitation zu dieser Versammlung verwendet werden konnten, fanden sich sehr viele Gesinnungsgenossen ein. Um x jfi Uhr konnte die Versammlung, nachdem der Saal, bereits gänzlich überfüllt war, eröffnet werden. Gesinnungsgenosse Grünhut begrüsste die Anwesenden und ertheilte dem Gesinnungsgenossen Gross das Wort zum Referate: „Die jüdischen Arbeiter und der Zionismus". Der Redner besprach zuerst das Elend der Lehrlinge und ihre Stellung zum Meister, schilderte dann die Verhältnisse der Arbeiter im Allgemeinen und die der jüdischen im besonderen und kam auch im Verlaufe seiner Ausführungen auf die BoryslawerBergarbeiter zu sprechen, welche, wie er sagte, sehr oft 4 U 2—80 Kreuzer Taglohn bei Ii —17st findiger Arbeitszeit bekommen und damit meist eine zahlreiche Familie ernähren müssen. Nach Beendigung seiner Rede entspann sich eine sehr lebhafte Discussion, an welcher sich unsere Gesinnungsgenossen, wie auch die Gegner stark betheiligten. Nun kam Herr L e m- b erger (Sucialdemokrat) zu Worte. Zuerst behauptete er, dass er mit den Ausführungen des Herrn Gross vollständig einverstanden sei, und im nächsten Momente suchte er sämmtliche Ausführungen des Referenten zu widerlegen. Aber es wollte nicht recht gehen. Nachdem er geendet hatte, wurde ihm nicht er nni bei seinen Genossen Beifall zutheil. Und nun erhielt Gesinnungsgenosse Carl Lauer das
Wort zu seinen glänzenden und schwungvollen Ausführungen, mit denen er die gegnerischen Verleumdungen zurückwies. Ein Socialdemokrat sa^te, dass seine Partei auf „koscheres Geld" verzichte, worauf Gesinnungsgenosse Gross erwiderte und unter Anführung von sehr charakteristischen Daten gerade das Gegentheil von dem bewies, was dieses Herrchen sagte. An der Discussion betheiligten sich noch die Herren M. Grau b erg. Grün und Hasterlik. Da noch viele Redner vorgemerkt waren, wurden auf Antrag eines Gesinnungsgenossen zwei Generalredner gewählt. Auf der gegnerischen Seite sprach Herr Ignaz Weis s, welcher aber nur die Ausführungen des Referenten bekräftigte, und dann erhielt Herr Gross das Schlusswort, in welchem er die Mitglieder zur eifrigen Agitation aufforderte. Bei der nach Verlesung der Statuten stattgefundenen Wahl wurden die folgenden Herren gewählt: B. Grün hu t (Obmann), S. I n s 1 i c h t (Stellvertreter), Leo W u r m a n n (I. Schriftführer), G. K i i n g e r (Tf. Schriftführer) R. G o 1 d m a n n (Cassier), S. M e 1 i o n (Bibliothekar), H. Birnbau m, D. A b er bach, S. Rosenkranz, Siegfried L ö w y (Ausschussmitglieder). Erst gegen A j 2 l Uhr konnte diese Versammlung Leschlossen werden. Die Beitrittsgebür im „Jüdischen Verein jugendlicher Arbeiter" beträgt 20 h, der Mitgliedsbeitrag 20 h pro Monat. Anmeldungen nimmt Leo Wurmann, IL. Ob. Augartenstrasse 40, entgegen, wohin auch alle Zuschriften und Spenden — um welche dringend gebeten wird — zu richten sind. L. W.
Wien. Im Nachtrage zum Berichte, den wir in der letzten Nummer über die Religionsprüfung im Verein „Osseh Chessed" (IL, Schiffamtsgaese 5) brachten, haben wir noch Folgendes zu verzeichnen: Auf eine Einladung an den Cultusvorstand wurde Herr Cultusrath Isidor G e w i t s c h zur Feier entsendet, der anlässlich der glänzenden Unterrichtsresultate seiner Freude über die erreichten Erfolge Ausdruck gab, zugleich mit der Hoffnung, dass die hebräische Sprache bald im Umfang einer Umgangssprache gepflegt werden wird. Damit werde ein nationales Moment in gewünschter Weise gepflegt und so seien denn alle Kenner der herrlichen Sprache unseres Volkes dem Verein für seine Arbeit verpflichtet, und er danke in ihrem Namen. Der Herr Cultusrath verwieo vergleichend auf die Entwicklung und den Gebrauch der czcci.ischen Sprache, die seit der nationalen Propaganda trotz aller Schwierigkeiten in 50 Jahren ungeahnte Fortschritte gemacht habe, und schloss unter lebhaftem Beifall der grossen Versammlung^
Bielitz. Während die anderen Vereine unserer Stadt schon längst ihren Sommerschlaf halten, arbeitet der zionistische Bürgerverein „Haschacha r", der in diesem Jahre mehr öffentliche Vortragsabende abgehalten hat als alle deutschen Vereine in Bielitz zusammmengonommen, unverdrossen weiter. Montag der. 1. Juli a. c. veranstaltete er im grossen Kaiserhof-Saale eine allgemein zugänglicheVereins- versammlung, die trotz der Schwüle des Sommerabendes einen imposanten Besuch aufwies. Das Referat hatte Herr Dr. Philipp Menczel aus Czernowitz. In Abwesenheit des Obmannes begrüsste der Vicepräses Herr Paul Braff die Versammlung und sprach über Partei- und Vereinsaugelegenheiten. In summarischer Weise behandelte er den österreichischen Z onistentag in O I m ü t z, den Parteitag der jüdischen Handelsangestellten in Prag und dieLandes- eonferenz der galizischen Zionisten in Lemberg. Hierauf ergriff Herr Di\ Philipp Menczel das Wort und entwickelte in einstündigem fesselndem Vortrage die Motive, das Gegen- warts- und Zukunftprogramm des Zionismus; insbesondere hob er die Wichtigkeit der Audienz Dr. Herzls beim Sultan hervor. Die Ausführungen des Retiners ernteten stürmischen Beifall. Für die Ferienzeit plant der Verein „Hasch achar", gemeinschaftlich mit der jüdisch-akademischen FerialVerbindung „E m u n a h" Unterhaltungsabende zu arrangieren, die den jüdisch-nationalen Einschlag nicht entbehren sollen. — Auch der „JüdischeTurnvere in" hält keine Sommerferien und setzt die Uebungsabende fort. Der vom Distnctscomite" äusgegebenen Parole entsprechend werden Ausflüge, Spiele im Freien arrangiert, die sich eines zahlreichen Zuspruches erfreuen. Der Obmann des Vereines Herr Director G o 1 d b e r g widmet sich ihm mit grösstem Eifer, und seinem Bemühen verdankt der Verein die zunehmende Zahl seiner Förderer. Ueber die weitere Thätigkeit der Vereine werden wir später berichten.
Bielitz. (T urnfes t.) Wie alljährlich, veranstaltete auch heuer der hiesige „Jüdische Turnverein" einen Ausflug, au dem sich alle Freunde desselben zahlreich betheiligten. Als Ausflugsort wurde der Curort Ernsdorf gewählt. Dank dem Obmanne des; Vereines Herrn Director G o 1 d b e r g und dem stets rührigen Vergnügungscomite gestaltete sich auch dieser Ausflug, wie alle von diesem Vereine gebotenen Ver-