Seite % „ Die # Welt " Mir . 31 Vorsehusscassen , von Volksküchen , Spar - und Consumver - einen , scheint uns dieses — man möchte sagen aus der Ein¬ falt einiger Handwerker heraus geborene Project das glück¬ lichste und verheissungs vollste zu sein , denn es soll allen wirtschaftlich bedrängten Ständen des rumänischen Juden¬ thums zugute kommen , dem Handwerk und Kleingewerbe sowohl , wie dem Kleinhandel . Und es soll ihnen nützen und ihre wirtschaftliche Position stärken , nicht durch Be¬ einträchtigung fremder Interessen , auch nicht durch fremde Beihilfe , sondern einzig und allein durch die wechselseitige Ausnutzung der eigenen Kräfte . Und indem es auf eine Cumulierung der Interessen von Consumenten , Producen - ten und Zwischenhändlern hinarbeitet , stärkt es das Ge¬ fühl der Zusammengehörigkeit unter den verschiedenen Ständen , kräftigt so indirect das Nationalbewußtsein und nützt dadurch der zionistischen Propaganda nicht minder wie durch den direeten Absatz der Shares und Schekel , den es in Aussicht nimmt . Es liegt auf der Hand , dass man das System der „ Jü¬ dischen Mutualisten " auch in anderen Ländern mit Erfolg zur Einführung bringen kann . Es gibt heute nur wenige Länder , in denen die Juden nicht unter der wirtschaft¬ lichen Absperrung zu leiden hätten , viele Länder , wo der antisemitische oder asemitische Boycott geradezu den Kern staatlicher oder gesellschaftlicher Wirtschaftspolitik bildet . Jüdische Schutzvereine , die auf der Grundlage der Gegen¬ seitigkeit aufgebaut sind und dabei durch ihren zionisti¬ schen Charakter sich principiell von den „ Ab wehr vereinen " und allen Institutionen früherer Zeiten unterscheiden , die nur Augenbl i eksbedürf nissen dienten , werden überall grossen Nutzen stiften . Natürlich werden die Formen dieser wirtschaftlichen Organisationen sich den Landesverhältnis¬ sen anpassen müssen . Diese Formen zu finden , wird die Aufgabe der zionistischen Landes - Comites sein . Sie bilden die natürliche Centrale für diese Unternehmungen , in ihren Händen wird auch die Controle darüber liegen . Wenn in verschiedenen Ländern die Vereine der Mu¬ tnalisten gedeihen werden , wird man sich gerne der armen Handwerker von Bukarest erinnern , die das erste Beispiel von Energie und wirtschaftlichem Scharfsinn gegeben haben . Ihrem jungen Vereine geben wir die besten Wün¬ sche ' mit auf den Weg . Agitation im Sommer . Die zionistische Partei ist in einer Beziehung besser gestellt als fast alle anderen politischen Gruppen . Ueber¬ au sonst ist eine Gefolgschaft vorhanden , deren geistiges Niveau nur für ihre eigene Bethätigung in der Partei ge¬ nügt , fähige Agitatoren aber sind eine seltene und gesuchte Ware . Wir dagegen können bei unserem letzten Manne mit einem glänzenden Schatze rechnen , mit der jüdischen Er¬ ziehung , die selbst in den verwahrlosesten Ländern des Westens unsere Leute wenigstens gestreift hat . Damit ist gesagt , dass in das Wesen jedes der Betroffenen bewusst oder unbewusst Dialektik , Psychologie und weitgreifende Welt¬ anschauung Eingang gefunden haben , Eigenschaften , die als speciflsch jüdisch anerkannt werden und im Vereine mit der natürlichen Intelligenz jeden Juden zum Agitator par excellence machen . Im Besitze eines solchen Materials können unsere Er¬ folge stark vervielfacht werden , wenn w r ir , und hier sind die westlichen Juden gemeint , in der Politik einen dicken Strich durch unsere ganze Vergangenheit ziehen und uns von den Einflüssen emaneipieren , die wir durch immerwäh¬ rende Anschauung der schlipprigen und faul - opportunisti¬ schen politischen Bethätigung unserer nächsten Nachbarn in uns aufgenommen haben . Wie man seinem Volke sich hingibt , was es alles von seinem Sohne verlangen darf , das können wir bewundernd im Osten Europas lernen . Wir brauchen als Hebel für unsere Ziele den zähen Fana¬ tismus der russischen Juden und ihre ernste Rastlosigkeit , weil wir ja in einer ganzen Welt ein Ende machen wollen , der verhassten Bettelei der Juden um Brot und Ehre . Darum dürfen wir nicht rasten . Darum dürfen wir auch nicht — wie es jetzt geschehen könnte — sommerliche Erschlaffung uns überkommen lassen . Nicht die Gruppen und nicht die Leute . Die Vereine mögen immerhin der hei teren Sommeratmosphäre Rechnung tragen , aber sie dürfen sich keine Möglichkeit entgehen lassen , um auf Ausflügen , Gartenfesten , Touristenfahrten Juden in Menge zusammen zu bringen , um zwischen all der erwünschten Heiterkeit ewig den Mahnruf im Publicum erklingen zu lassen , dass strenge Pflichten gegeneinander die Juden verbinden . Rüt¬ teln und rütteln muss die Parole sein , bis der Schekel obli¬ gat für alle Juden wird . Viele der Vereine haben ihr ge¬ wohntes Gefüge durch die örtlichen Verschiebungen der Mitglieder verloren , wie sie ja die Jahreszeit mit sich bringt . Dadurch wird ihre Arbeit stark gehemmt . Das müssen die einzelnen Zionisten bedenken und durch angespannte Thä - tigkeit die Deficite an grösseren Unternehmungen wett¬ machen . Die nationale Kleinarbeit , die eindringliche Ueberredung und Ueberzeugung von Mann zu Mann ist zu grösstem Werte gelangt in einer Zeit , in der das Miss¬ trauen und die Theilnahmslosigkeit gegenüber Anregungen des öffentlichen Lebens enorm geworden ist . Wie die Sache anzupacken ist , und welche Gelegenheiten dem guten Wil¬ len offen stehen , darüber hat man uns viele Anregungen ge¬ schickt und wir nehmen aus ihrer Anzahl und der Gründ¬ lichkeit der Detailausführung die erfreuliche Gewissheit heraus , dass die Zionisten parat und entschlossen sind , die Erfüllung der Nothwendigkeiten , die von der Leitung und der eigenen Ueberzeugung gefordert werden , mit Einsetz¬ ung aller persönlichen Fähigkeiten durchzusetzen . Die Art , wie unsere Ziele von berufener Seite der Realisierung zuge¬ führt werden , hat uns das am leichtesten zu cultivierende Arbeitsfeld zugewiesen : die materielle Consolidierung des Bestehenden und Zukünftigen . Trotz der enormen Ver¬ hetzung , die jahrelang auf die Juden eingewirkt hat , gibt es doch manche , die bedenken , dass sie durch materielle Saumseligkeit eine unvergleichlich gross dastehende Bewe¬ gung verzögern könnten . Einen Ausdruck dieser Denkungs - art gab ein enragierter Gegner erst im vergangenen Winter , als er , kein Flunkerer , in einer grossen Versammlung von „ lumpigen Millionen " sprach , die man den Zionisten nicht verweigern dürfe , weil sonst niemand die Verantwortlich¬ keit übernehmen könne . Das sind Ermunterungen für uns , die in uns wirken werden , wenn wir mit der ruhigen Würde , die das glänzende Recht verleiht , und mit der Energie , die unsere hohen Pflichten verlangen , unsere Stammesgenossen ernst an die Forderungen unseres Volkes erinnern werden . Niemand wird sich von einem eventuellen geringen persön¬ lichen Erfolge missstimmen lassen , wäre es doch wirklich zu sehr Gemeinplatz , ihm vorzustellen , wie gross die Summe vieler Kleinigkeiten ausfällt . Möge daher jeder sich ein System zurechtlegen , mit dem er gegen die Vorurtheile sei¬ ner Umgebung zu Felde ziehen will . Wir Zionisten dürfen nicht um einen einzigen Grad abrüsten . Gewiss wird jeder von uns nach der Jahresarbeit der Erholung bedürfen . Für die Arbeit muss das erhebende Bewusstsein entschädigen , dass man eine Sprosse gelegt hat , auf der das jüdische Volk emporsteigen wird . Ben Avigdor Achad Haam und sein zionistisches Bekenntnis . * ) ( Schluss . ) Es versteht sich von selbst — und das soll durchaus keine Kritik der Achad - Haam ' sehen Theorie sein — dass * ) Vergl . Nr . 30 der „ Welt " , |