Montag-Ausgabe

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JÜDISCHE ZEITUNG

Wien, Montag, *. Dezember 1037 e b Teweth $698

II. Jahrgang

Wegen des Feiertages am 8. De­zember erscheint me nächste Nummer unseres Blattes erst Freitag, den 10 . Dezember, Jedoch in verstärktem Umfang.

Dreier-Verwaltungs- Kommission

Jerusalem, 5. Dezember. (JTA.) Wie die Jüdische Teiegraphen-Agentur aus absolut zuverlässiger Quelle erfährt, beabsichtigt die Palästina-Regierung, die Stadtver val- tung von Jerusalem aufzulösen und an deren Stelle eine D r e i e r-K o m- mission mit der Verwaltung der Städti­schen Angelegenheiten zu betrauen.

Gelinge Arbeitslosigkeit in Palästina

Jerusalem, 5. Dezember. (JTA.) Der Leiter des Einwanderungsdepartements der Je.wish Agency, Elijahu Do bk in, teilte in einer Pressekonferenz mit, daß während der ersten elf Monate des laufenden Jahres 30.580 jüdi­sche Einwohner Palästinas das Land verlas­sen und im gleichen Zeitraum 29.000 zurück- gekehrt sind. 14.145 jüdische Touristen kamen ins Land, 17.579 verließen es. 10.500 jüdische Einwanderer aller Kate­gorien kamen neu ins Land.

Die verschiedentlich ausgestreuten Ge­rüchte, daS 10.000 Juden aus Palästina j«*i?g<?wsuede?t seien, seien vollkommen frei erfunden.

Der Schatzmeister der Exekutive der Jewish Agency, Elieser Kaplan, er­klärte, er sei trotz der gegenwärtigen wirtschaftlichen Depression ln Palästina optimistisch. Im ganzen Jischuw gebe es höchstens 7000 bis 8000 jüdi­sche Arbeitslose.

In kurzem werde eine Körperschaft zur Hebung der Industrie eingesetzt werden. Monatlich fließen, abgesehen von den Einnahmen aus den zionistischen Fonds, durchschnittlich 300.000 Pfund neues Kapital ins Land.

Dobkin teilte ferner mit, daß die Verhand­lungen zwischen der Jewish Agency und den Revisionisten betreffend die Zuteilung von Zertifikaten an den Betar ge­scheitert sind, weil der Präsident der Neuzionistischen Organisation, Vladimir Jabotinsky, die von der Jewish Agency gestellten Bedingungen nicht ange­nommen habe.

Die den Revisionisten gestellten Bedin­gungen lauteten, daß die Revisionisten ihren Abscheu über die Angriffe auf die Palästina- Büros des Jewish-Agency-Gebäudes aus- drücken, ferner sich verpflichten, bei den Emwanderungskandidaten keine Personen vorzuschlagen, die an Unruhen teilnabmen oder für Gewalttätigkeiten gegenüber den Nationalfonds verantwortlich waren.

Verbot des Zugangs zur Klagemauer durch das Jaffa-Tor.

Jerusalem, 5. Dezember. (JTA.) Big Com- tomicmer Sir Arthur Wauchope beeuchte am 2. Dezember die K 1 a g e m a u e r. Wie verlautet, wird die Regierung. in kurzem eine Verordnung erlassen, die den Juden aus Gründen der öffentlichen Sicherheit die Benützung des traditionellen Zuganges zur Klagemauer durch das arabische Viertel und das Jaffa-Tor verbietet; in Zukunft soll ausschließlich die nach den Unruhen des Vorjahres erbaute, durch das Zions- Tor führende neue Straße benützt werden.

Budget der Palästina-

regierung bestätigt

Jerusalem, 5. Dezember. (JTA.) Das pa­lästinensische Amtsblatt teilt mit, daß das Budget der Palästinaregierung in Höhe von 6,916.000 Pfund für das lau­fende Finanzjahr 1937/38 bestätigt Worden kt,

Neue Männer In Eres Israel«

Sir MacMichael, General Haining, Sir Tegart

London, 5. Dezember. (Privat.) Die britische Regierung hat das schon seit längerer Zeit ins Auge gefaßte Revirement auf den wichtigsten Verwaltungs- und Militärposten in Palästina nun durchgeführt. Als Nachfolger von Sir Arthur Wauchope, der seinen Posten Ende Februar verlassen dürfte, ist der Gouverneur und Oberkom­mandierende von Tanganytka, Sir Harold Alfred MacMichael, ernannt worden.

Im Zuge der vom englischen Kriegsminister Höre Belisha durchgeführten Reorgani­sation des britischen Generalstabes und der obersten Führung des Landheeres, um eine Verjüngung zu erzielen, ist der Oberstkommandierende der britischen Streitkräfte in Palästina und Transjordan'en, Generalmajor W a v e 11 durch Generalmajor Robert Hadden H a i n i n g ersetzt worden. Wavdl ist zum Kommandanten der britischen Süd­streitkräfte ernannt worden.

Schließlich ist Sir Charles T e g a r t, der von der englischen Regierung zum B e- rater der Palästinaregierung bei der Bekämpfung des Terrors bestimmt wurde, bereits am 3. Dezember ln Palästina eingetroffen.

Sir Harold ist 54 Jahre alt. 1905 trat er in den politischen Dienst im Sudan ein, wurde 1917 Untergouverneur der Provinz Darfur, 1919 stellvertretender Regierungs­sekretär und 1926 Regierungssekretär für den Sudan. Von 1926 bis 1934 bekleidete er wiederholt die Stelle eines General­gouverneurs des Sudan. 1934 wurde er zum Gouverneur von Tanganyika ernannt. Er vertrat die britische Regierung bei der Ta-

Leonard Stein:

gung der Permanenten Mandatskommission des Völkerbundes im Jahre 1935. Sir Ha­rold gilt als Spezialist für Einge­borenenfragen, insbesondere für das arabische Problem, über das er eine Reihe von Spezialstudien veröffent­licht hat.

Generalmajor Haining ist 55 Jahre alt. Er war früher Vizedirektor des militäri­schen Nachrichtendienstes in England.

Neuer Alternativ-Vo?scIi!ag zur Teilung

London, 5. Dezember (JTA.) Der Rechts­berater der Jewish Agency, Leonard Stein, schreibt in einem Briefe an denJewish Chronicle;

Die durch den gegenwärtig dag Feld be­herrschenden Teilungsplan entstandenen Schwierigkeiten liegen in der Natur dieses konkreten Planes; sie sind nicht von der Art, daß sie nioht durch gewisse Modifika­tionen des Planes beseitigt werden könnten. Daher entspringt es nioht abstrakt-grund­sätzlichen, sondern rein praktischen Erwä­gungen, wenn ich auf die Notwendigkeit hinweise, gewisse Alternativvor- Schläge zum Teilungsplan zu machen, scheint doch Teilung in irgend einer Form unvermeidlich zu sein. Ich weiß wohl, daß eine ideale Lösung des auf der Tages­ordnung stehenden Problems nioht gefunden werden wird. Ich glaube aber nicht, daß es keinen Ausweg mehr aus dem wenig ver­sprechenden Abenteuer, in das sich einzu­lassen man die Juden anffordert, gibt- Wie­wahl die folgenden Vorschläge zweifellos ebenfalls gewisse Mängel aufweisen, schei­nen sie mir doch sowohl vom engli­schen als vom jüdischen Ge­sichtspunkte gewisse Vorteile zu bieten. Meine Vorschläge sind:

1. Lostrennung des M andatege- Mets

ebenso wie 1920 Transjordanien loagetrennt wurde, vom Block des fast ausschließlich von Arabern bewohnten Gebietes, wie es im Peel-Bericht für den künftigen arabischen Staat vorgesehen ist, ohne daß jedoch der Negew zu diesem Block ge­rechnet wird.

I. Verbleiben unter britischem Mandat

des Restes des gegenwärtigen Mandats­gebietes (das heißt das Gebiet des geplan­ten jüdischen Staates sowie des geplanten britischen Korridors und der Negew).

J. Jerusalem,

ausgenommen die vorwiegend jüdischen Gebiete außerhalb der Mauern der Altstadt, ferner Bethlehem und Nazareth werden für dauernd unter un­mittelbare britische Verwal­tung gestellt 4. Der Negew

wird gleichfalls unter direkte bri- tischeKontrolle gestellt (wobei Re­visionen im, Falle einer in größerem Maß­stab Platz greifenden jüdischen Kolonlsa- i tkm eventuell vorgenommen werden kön­

nen), aber so, daß verantwortliche jüdische Körperschaften bei der Ausbeutung seiner Bodenschätze im ! Dienste einer sich als durchführbar erwei­senden Kolonisation Erleichterungen er­halten.

$. Das Mandat hinsichtlich des restlichen Mandatsgebietes

soll folgendermaßen ausgeübt werden:

a) Während einer Übergang Periode (deren Dauer von vornherein festgesetzt werden kann) soll dieses Gebiet derart verwaltet werden, daß es sich Immer mehr zu einer Einheit mit vollkommener Selbstver­waltung, die auch die K o n t r c über die Einwanderung in sich schließt, entwickelt.

Für die laut dem oben gemachten Vor­schlag einer direkten britischen Verwaltung vorbehaltenen Gebiete bleibt diese weiter bestehen. Für das ganze Mandatsgebiet wird

s i o n e r beibehalten, der die Verantwor­tung für die Verwaltung des gesamten Ge­bietes trägt und hinsichtlich des Gebietes mit Selbstverwaltung eine Kompetenzbefug­nis erhält, die der eines mit einem besonders hohen Maße an Verwantwortung ausge­statteten Gouverneurs eines britischen Gebietes analog ist.

b) Big zur Übergabe der Kontrolle über die Einwanderung ln die Hände der Lan­desbevölkerung oder ihrer Repräsentanten wird die jüdische Elnwanderu erleichtert, wobei das Prim der wirtschaftlichen A nabmefähigkeit in Anwendung bleibt. Unter Aufnahmefähigkeit wird hiebei die Kapazität des zur Selbstverwal­tung bestimmten Gebietes zuzüglich des Negew verstanden.

6. Finanzielle Unterstützung für Transjordanien und zur Erweiterung Transjordaniens das vom Mandateterritorium abgetrennte Gebiet, sofern der EmiT von Transjordanien sich verpflichtet, eine solche Entwicklung herbeizuführen und das so entwickelte G< biet einer arabischen E in wand < rung aus dem unter Mandatsve- waltung stehenden Gebiet z öffnen. Sobald ein genügend großes Gebiet zur Einwanderung von Arabern aus dem unter Mandat stehenden Gebiet zur Verfügung steht, sollen diesen günstige Bedingungen zur Ansiedlung in dem erweiterten Trans­jordanien geboten werden.

Unbehagliche

Wahiheiten

Die Juden waren einmal das Volk des Buches. Heute sind sie nur mehr Dialek­tiker. Je mehr ihr Lebensraum eingeengt wird, desto mehr debattieren sie unter­einander. Seit der Veröffentlichung des Berichtes der Königlichen Kommission debattieren die Zionisten darüber, ob die Jasager beim Kongreß in Zürich recht hatten oder dieNeinsager. Dabei han­delt es sich gar nicht mehr um ein aktuel­les Problem, Niemand kann heute mit Sicherheit angeben, oh und wann es zur Teilung kommen wird und wie die Gren­zen des Judenstaates verlaufen werden.

Heute geht es doch um aktuellere Dinge, um die Wahrnehmung und Aus­nützung aller Chancen, die sich aus der täglich wechselnden weltpolitischen Situation ergeben können, und um die finanzielle und moralische För­derung des Jischuw. Viele Juden finden es aber anregender, den Zuschauer und Kritiker zu spielen. Sie sehen geruhsam dem Finish im Rennen um Palästina zu. Einig sind sie sich nur in ihren Unkenrufen. Daß da i b r Ren­nen gelaufen wird, daß sich da ihr Schicksal entscheiden wird, scheinen sie nicht zu ahnen. Sie glauben offenbar, daß in Palästina 450.000 Juden auch nichts anderes tun, als debattieren.

Das ist ein Zustand, der gefährlich werden könnte. Er offenbart einen be­dauerlichen Mangel an politischer Reife. Der Jischuw steht in einem schweren Kampf und er hält sich ehrenvoll. Durch die ganze nichtjüdische Welt auch durch die antisemitische, die es natür­lich nie eingestehen wird geht eine Welle voll Staunen und Respekt. Das sind Juden in Palästina? Sie wehren sieh doch, sind mutig, tapfer und opfern sich auf. Sie zerstören gründlich das Mär­chen von der jüdischen Feigheit bei denen, die noch an die Feigheit der Juden glaubten!

Bei jedem anderen Volk der Welt würde so ein Heldenkampf eines Volks­teiles die Massen begeistern. Niemand würde siph davon, ay.8§chlUsße.jk den Kampf seiner Bruder mit allen erdenk­lichen Mitteln zu fördern. Lyriker, Epi­ker und Dramatiker würden Heldenlieder singen und ein Sturm der Begeisterung und die denkbar größten materiellen Opferleistungen würden alle Schwierig­keiten meistern helfen. Anders bei vielen Juden. Da gibt es Juden, die ihr Ressen­timent gegen den Zionismus unterdrück­ten, solange Palästina prosperierte. Jetzt glauben sie wieder, Morgenluft zu spüren, sie strahlen vor Schadenfreude und geben ihr unverhohlen Ausdruck.

Dann sind da die Juden, die noch ihre Ruhe und ihr sicheres Fortkommen haben. Sie sind Kurfürstendamm-Juden von morgen. Sie wissen es nur noch nicht oder wollen es nicht wahr haben. Auch ihnen paßt die ganze zionistische Richtung nicht, und sie haben es natür­lich schon immer gewußt, daß die Araber nicht wollen und die Engländer auch nicht. Dann sind da die Juden, für die alles ein ach so gelegener Anlaß ist, Spenden für die Fonds abzulehnen. Und dann sind da, die Projektemacher. Das Programm haben sie fix und fertig; Pa­lästina taugt nicht. Die Juden müssen in ein anderes Land gehen. Sie nennen auch bereitwilligst Namen, wie Madagaskar, Haiti und San Domingo. Daß kein Land in der Welt Juden aufnehmen will, ge­niert sie offenbar nicht.

Aber es gibt auch Zionisten, die einen Schock erlitten haben. Ihre Illusion ist zerstört. Sie stellten sich den Aufbau Palästinas so vor: In jedem Jahr gehen mehr und mehr Juden nach Palästina und eines Tages verkünden die jüdischen Zeitungen: Hurra, der Judenstaat ist da! Jetzt, da eine rauhe Wirklichkeit sie aus ihren Träumen reißt, können sie sich im ersten Moment nicht zurechtfinden und werden verzagt. Diesen Zionisten sei es gesagt: Zionismus heißt Kampf. Wer bis­her geglaubt hat, daß sich zweitausend­jährige Galuth-Komplexe im Wege einer friedlichen Entwicklung von wenigen Jahren oder Jahrzehnten in Wohlgefal­len auflösen, der hat das jüdische Pro­blem nie in seiner Größe und Schwere erfaßt. Wer geglaubt hat, daß die Grün­dung des jüdischen Staates sich so voll­ziehen werde, wie die der kleinen National­staaten in Europa nach dem Weltkrieg,