Seite 2
Ml «TIMME
Nr. 703. — Wien, Montag, 6. Dezember 1987. •.
Allerlei aus Erez Israel
bat. einen doppelten Irrtum begangen: Er hat übersehen, daß die Tschechen, Polen usw. als kompakte Masse in ihren Heimatländern seit Jahrhunderten gesessen sind, und er hat weiter übersehen, daß die kleinen Nationen erst jahrhundertelang um die Freiheit ringen und Gut und Blut für sie opfern mußten, bevor sie selbständig wurden.
Anders bei uns. Wir stehen sozusagen erst am Tor Palästinas, und die Masse des jüdischen Volkes kann — sieht man von den sicher heroischen Leistungen unserer Chaluzim ab — nicht einmal durch die Größe der nationalen Geldopfer der Welt imponieren. W i r wissen zwar, daß es sich größtenteils um blutige Sparkreuzer des kleinen jüdischen Mannes handelt, was nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Die nicht jüdische Welt aber sieht nur Ziffern, die ihr nicht immer imponieren. Dazu kommt noch, daß unsere Umwelt nur vor Taten Respekt hat. Noch immer wird von assimilatorischer Seite der Witz kolportiert: Was ist das, ein Zionist? Das ist ein Jude, der einem zweiten Geld gibt, der es wieder einem dritten Juden gibt, der nach Palästina gehen soll.
Nun weiß aber doch die jüdische und die christliche Welt, daß zionistische Juden in Palästina arbeiten, leiden und kämpfen, sogar tapfer kämpfen und daß sie viele Tote zu beklagen haben. Die christliche Welt weiß das zu würdigen und Iiat Respekt vor unseren Chaluzim. Es muß aber zur Schande vieler Juden gesagt werden, daß die Nachrichten über Palästina sie nicht, mehr bewegen als die Nachrichten aus Spanien oder China. Das ist ein erschütterndes Dokument unserer jüdischen Gegenwart, bedenklicher als der arabische Terror und die mandatswidrige Politik Englands.
Auch hier handelt es sich um einen Galuth-Komplex. Sein ungenügender Abbau ist zu einem großen Teil Schuld der schlechten zionistischen Propaganda. Wir befinden uns mitten im Krieg um die jüdische Zukunft und — philosophieren und politisieren. Wir mobilisieren nicht d& Massen, obwohl heute eine Bereitschaft der Geister für unsere Ideen besteht, wie nie zuvor. Wir mobilisieren insbesondere nur unzulänglich das jüdische Geld für die Erlösung des Bodens, die Förderung der Wirtschaft und die Erhöhung der Sicherheit in Palästina.
Wer kann es in dieser schweren Situation des Aufbauwerkes verantworten, sich weiter an der Weltorganisation oder an der Zionistischen Exekutive zu reiben und tatenlos nur zu räsonieren? Die Exekutive mag Fehler machen. Kein Staat in der Welt hat eine Regierung, die keine Fehler macht. Aber jeder Fehler läßt sich gutmachen, wenn die Massen patriotisch sind. Der zionistische Patriotismus kann seinen sinnfälligen Ausdruck nur in vermehrten Opfern für die Fonds und in der Stärkung der Reihen der Organisation finden. Die Exekutive wird bessere Arbeit leisten können, wenn ihr größere Mittel zur Verfügung stehen werden, und die organisierten Massen werden größeren Einfluß auf die Politik der Exekutive haben. Das Recht der Kritik steht nur dem zu, der Mitglied der Zionistischen Organisation ist und seinen Verpflichtungen den Fonds gegenüber naehkommt.
Solange aber sich weite Kreise in der Rolle der unentwegten Kritiker gefallen und dem Grundsatz huldigen: „Mund auf, Tasche zu“, sind der zionistischen Leitung Fesseln angelegt, die eine Entfaltung der zionistischen Aktivität hindern. Daran sollen die ewigen Nörgler denken.
In einem bekannten Wiener Eisenbahnprozeß der Vorkriegszeit fiel das berühmte Wort: „Mit Sittensprüchlein baut man keine Eisenbahn.“ Wir wollen das Wort variieren und sagen: „Mit Sitterispriichlein baut man keinen Judenstaat“ und hinzufügen: Der Judenstaat muß jetzt gebaut werden oder er wird nie entstehen.
Wir bitten für unsere alten und arbeitsnn- fähigen Blinden um Spenden. Für die blinden Mnsiblehrer, Klavierstimmer, Korb- und Sessel- ftechtor sowie Bürstenmacher bitten wir ran Arbeit.
Hilfsverein der jüdischen Blinden
Wien, II., Eembrandtstraße 18
Telephon A 47-2-77 — Rnteperkeeeen-Kente Nr. A 133.21)
Das Mordgesetz des Ramadan
Einer der drei vermißten arabischen Po- ! : lizisten, ©in Mohammedaner, dessen zwei; christliche Kollegen von einer bewaffneten Araberbande ermordet wurden, berichete, er verdanke seine Rettung dem Umstand, daß das mohammedanische Gesetz die Ermordung eines anderen Mohammedaners im Ramadan-Monat verbietet.
Der 82jährige Araber Jussef Mohammed Sursy wurde vom Militärgericht In Jerusalem wegen des Besitzes von Munition, einschließlich Patronen, Gewehrteile, Schießpulver und Zündhütchen, die in seinem Haus gefunden wurden, zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
Die „Hinterhalt-Ecke“
Zvi Shtarker, ein 35jähriger Jude, wurde bei einem Angriff auf einen jüdischen Omnibus, der von der Nesscher-Siedelung nach Haifa fuhr, durch Schüsse verwundet Der Angriff wurde in der Nähe des Dorfes Balad Eshsheikh beim Berge Carmel
( ausgeübt, eine Steile, die bereits mit dem ! Spitznamen „H i n t e r h a 11 - E c k e“ be- ; zeichnet wird. Polizeihunde wurde auf die ; Spur der Angreifer gehetzt, die zu dem Dorf Shini führten, wo zahlreiche Soldaten und Polizisten Hausdurchsuchungen vomahmen. Der M u k t a r, in dessen Hans Schußwaffen gefunden wurden, sowie ein anderer Araber im Besitz von Feuerwaffen wurden verhaftet Beim Rückweg stießen die Truppen in den Beigen auf sechs Araber, die sich in verdächtiger Weise benahmen. Sie wurden gefangengenommen, da man annimmt, daß ee sich wahrscheinlich um Terroristen handelt, die ihre Waffen versteckt haben.
Jugoslawisches Generalkonsulat ln Jerusalem
Die jugoslawische Regierung hat in Jerusalem ein Generaikonsu- 1 a t eingerichtet. Zum Generalkonsul wurde Dr. Ivo de G j u 1 i ernannt, der als Ratgeber bei der jugoslawischen Gesandtschaft in Ankara tätig war.
Paraguay keinen Antisemitismus.
In einer Erklärung an die Jüdische Tele- grapfcen-Agentur teilte Mezibovsky mit die Regierung von Paraguay habe der HICEM ausdrücklich gestattet, ihre Tätigkeit auf dem Gebiete der Einwanderung in Paraguay fortzusetzen.
Das vorbildliche Werk der Jewish Agency
Genf, 5. Dezember. (JTA.) Am fK5. Februar 1988 findet in Genf eine vom Verwal- tuagsrat des Internationalen Arbeitsamtes Unberufene Experten-Konferenz zum Studium des Problems „der technischen und finanzielen internationalen Zusammenarbeit in der Frage der kolonisierenden Wanderungen“ statt. In einem dem Arbeitsamt vorliegenden Expertenbericht werden als Beispiele einer zielbewußten Tätigkeit auf dem Gebiete der Vorbereitung, Schulung, Auswahl, Ansiedlung und Unterstützung der Emigranten besonders das Werk der Jewish Agency in Palästina, sowie die Methoden der ICA und der HICEM erwähnt. Die nunmehr ednberufene Expertenkonferenz ist das vorläufige Ergebnis der bisherigen Verhandlungen und Bemühungen.
Palästina-Ausstellung
und -Messe in London
London, 5. Dezember. (JTA.) Bei einem Empfang, den Lady Fitzgerald für den Präsidenten des Jüdischen Nationalfonds für Großbritannien, Prof. Samson W r i g h t, und für Frau Sari Berger aus Palästina gab, wurde der Plan der Organisierung einer Palästina-Ausstellung- und -Messe erörtert, die von 20. bis 22. Juni 1938 in der Queen's Hall in London stattfinden soll.
Lady Fitzgerald, die Präsidentin de« vorbereitenden Komitees, sagte, es könne gegenwärtig keine verdienstvollere Aufgabe geben, als die Erwerbung von Boden'in Palästina für jüdische Ansiedlung. Die tragische Lage des jüdischen Volkes in Mittel- und Osteuropa, insbesondere die fortdauernde Verfolgung der Juden in Deutschland, habe erst gezetert, wie notwendig der schnelle Ausbau Palästinas sei Profi Wright sagte, die, britische Öffentlichkeit werde durch die Ausstellung Gelegenheit haben, „ein Volk unterwegs“ zu sehen, das sich erlöst, sein Nationalheim aufbaut und eine Tätigkeit entfaltet, die nicht nur der Bevölkerung Palästinas, sondern wahrscheinlich der ganzen Menschheit zum Wohl gereicht. Frau Sari Berger, die im Zusammenhang mit der Organisierung der Ausstellung und der Messe eigens aus Palästina gekommen war, sagte, Zweck der Veranstalung sei es, Geldmittel zur Erwerbung neuen Bodens in Palästina zu beschaffen, ohne den das jüdische Ausbauwerk nicht fortgesetzt werden könne.
Mrs. Roosevelt über den Antisemitismus
New York, 5. Dezember. (JTA.) Mrs. Franklin D. R o o s e v e 11, die Gemahlin des Präsidenten der Vereinigten Staaten, erklärte in einem Interview mit dem Herausausgeber des Organs der Bne Brith-Loge in Cincinnati, Edward E. G r u s d:
Die überwiegende Mehrheit der Amerikaner ist nicht antisemitisch. In unserem Lande ist diese Art von Vorurteil in einem weit geringerem Maße vorhanden, als sonst in der Welt.
Ich rate den Juden, wenn sie mit dem Antisemitismus schnell fertig werden wollen, diesen soweit als möglich zu ignorieren. Natürlich muß noch manche Erziehungsarbeit geleistet werden, um solche unamerikanische Erscheinungen, wie der Antisemitismus eine ist, zu beseitigen. Solche Erscheinungen dürfen aber für keine Minderheit ein Grund sein, sich verbittert von der Umwelt abzuschließen. Die amerikanischen Juden sollen den Kopf hochhalten.
Schließlich mögen sie nicht vergessen, daß ihre Verleumder nur eine verschwindende Minderheit sind. Zum Schluß sagte Mrs. Roosevelt, die Juden können die Wahrung ihrer Rechte getrost der Mehrheit des Landes anvertrauen.
Englisch-Kurse. Zion. Bezirkssektion VHI/IX: Anfangs Jänner beginnen Englisch- Kurse im Vereinsheim, Währingerstraße Nr. 6—8 (Eingang Hörigasse 2). Anmeldungen im Sekretariat jeden Abend, außer Freitag (Telephon R 52-0-12).
Vortragszyklus Dr. Martha Hof mann, Wien, IX., Dollfuß-Plata 18/9, Dienstag, den 7. d., 18.80 Uhr: „Me Jose&geetalt bei Thomas Mann“.
Judenleid in Polen
Warschau, 5. Dezember. (JTA.) In K r a- k a n ist von den Nationaldemokraten unter der Devise „Krakau ohne Juden“ eine antijüdische Boykottwoche proklamiert worden.
In Lemberg veranstalten über 200 Schüler des staatlichen Gymnasiums eine Demonstration in den Straßen, wobei sie Rufe „Tod den Juden“ ausstießen. Den Schülern schlossen sich etwa 50 nationaldemokratische Studenten an. Die Demonstranten zertrümmerten die Fenster mehrerer jüdischer Geschäfte. — In den Laden des jüdischen Kaufmanns Britenstein warfen antisemitische Huligans eine Bombe, die jedoch nicht explodierte.
In Pruszkow bei Warschau wurde der dortige Rabbiner Margoiius auf der Straße von Huligans mit Steinen beworfen. Ein Stein traf den Rabbiner so unglücklich, daß er eine schwere Angenverletzung erlitt. Die Ärzte hoffen, das Auge retten zu können.
Der Abwehrkampf der jüdischen Kleinhändler
Das Zentralkomitee des Verbandes der jüdischen Kleinhändler Polens hat den Monat Dezember als Monat der Abwehr- aktlon gegen den antijüdischen Boykott proklamiert. An mehr als 400 Zweigstellen in der Provinz wurden Rundschreiben versandt und mehr als 100.000 Plakate und Flugblätter verbreitet. In diesen wird unterstrichen,
daß das Ziel der antljüdischen Boykottpropaganda nicht der Schutz der nationalen Interessen Polens sei, sondern die Bereicherung einzelner, die auf persönlichen Profit bedacht sind.
Während des Monats Dezember sollen in allen Städten mit größerer jüdischer Bevölkerung Massenversammlungen abgehalten werden, um die Öffentlichkeit über die wahren Absichten der nationaldemokrati- schen antijüdischen Propaganda aufzuklären.
Zahlreiche jüdische Kleinhändler und I Handwerker der polnischen Hafenstadt Gdynia haben an Präsident M o s c i c k i, an den Premier Skladkowski, an den Handelsminister, den Finanzminister, den Präsidenten der Finanzdirektion, an den Jüdischen Parlamentsklub und an die Zentrale des Verbandes der jüdischen Kleinhändler Polens Telegramme gesandt, in denen sie auf ihre verzweifelte Lage hinweieen, um Schutz vor der gegen sie gerichteten Boykottagitation und um konstruktive Unterstützung ersuchen.
Das Hochschalghetto
Abg. Emil Sommerstein hat namens des Jüdischen Parlamentsklubs im Sejm eine Interpellation eingebracht, in der gegen die Einführung des „mittelalterlichen gelben Flecks in Form von Ghettobänken“ protestiert wird. Es wird, nach einer eingehenden Schilderung der Einführung von Ghettobänken an den einzelnen Hochschulen, betont, daß diese Maßnahme eine Kapitulation der polnischen Behörden vor den anarchistischen Elementen des Landes darstell«. Der von den Universi- t&tsbehörden vorgegebene Zweck, durch Einführung der Ghettobänke die Ruhe an
den Hochschulen wiederherzustellen, sei nicht erreicht worden; vielmehr sei das Hochschulghetto eine Belohnung für die Unruhestifter gewesen.
Schwere Finanzlage der jüdischen Gemeinden
In Warschau fand eine Konferenz der Präsidenten der größten jüdischen Gemeinden in Polen statt. Gegenstand der Beratungen bildete die schwere Finanzlage der jüdischen Gemeinden and die Schaffung eines Verbandes sämtlicher jüdischer Gemeinden Polens. Im Verlauf der Debatte wurde die Ansicht geäußert, daß in manchen Städten die Lage der Juden derart katastrophal ist, daß die jüdischen Gemeinden mangels Steuereingänge ge 2 rwungen sein könnten, ihre Arbeiten einzustellen.
Todesurteil gegen Szczerbowski aufgehoben
4 Das Oberste Gericht hat das Über den 18jährigen Fleisohhauersohn Wolf Szczerbowski aus Brest-Litowsk verhängte Todesurteil aufgehoben und eine neuerliche Verhandlung vor dem Appellationsgericht angeordnet. Bekanntlich war Szczerbowski wegen Ermordung des Polizisten Stephan Kedziora vom Gericht in erster Instanz zum Tode verurteilt worden. Das Appellationsgericht in zweiter Instanz hatte das Todesurteil bestätigt.
„Geht einen Ansländer nichts an!“
Paris, 5. Dezember. (JTA.) Der polnische Generalkonsul in Paris hat dem bekannten katholischen Schriftsteller und Autor des Buches „Die Juden und wir Christen“ Oscar de F e r e n z y, der sich zum Studium des jüdischen Problems nach Polen begeben wollte, das Einreisevisum mit der Begründung verweigert, daß das jüdische Problem in Polen „ein ausgesprochen internes polnisches Problem ist, das einen Ausländer nichts angeht“.
Jüdische Landarbeiter für Frankreich und die Kolonien
Paris, 5. Dezember, (JTA.) In einer vom Komitee zur Verteidigung der Rechte der Juden in Ost- und Mitteleuropa einberufe- nen Versammlung, die unter dem Vorsitz von Senator Doiman stattfand, führte General Brissaud-Desmaillet aus: Die Juden haben in Palästina große Leistungen in der Landwirtschaft vollbracht. Er schlage vor, daß jüdische Landarbeiter in Frankreich und in die französischen Kolonien, insbesondere in Madagaskar, hereingelassen werden.
Der Präsident der französischen protestantischen Kirche, Dr. B r e g n e r, brandmarkte die Judenverfolgungen in Deutschland, Polen und Rumänien. Das Christentum dürfe niemals vergessen, daß es dem Judentum eine Dankesschuld abzutragen habe.
Kein Antisemitismus In PARAGUAY
Asuncion, 5. Dezember. (JTA.) Der Innenminister von Paraguay, Senor Pare- d e s, erklärte in einem Gespräch mit dem Vertreter der Hias-Ica-Emigration Association (HICEM) Mezibovsky, es gebe in